Das Internet4jurists Weblog 2010
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2010-12-21 The most pirated Movie
Der Film "Avatar" wurde mehr als 16 Millionen mal aus dem Netz herunter
geladen - "raubkopiert" in der Sprache der Filmindustrie. Gleichzeitig ist
dieser Film aber auch der kommerziell erfolgreichste aller Zeiten. So ein
Zufall?
Könnte es vielleicht sein, dass die bösen Downloader zugleich auch die
eifrigsten Käufer sind? Niemals werden das die Film- und Musikindustrie zugeben.
Das würde ja bedeuten, dass das, was man seit 10 Jahren aufs heftigste mit allen
Mitteln bekämpft, in Wahrheit eine kostenlose und sehr effektive Produktwerbung
ist. Wie soll man das den Aktionären und den Künstlern, deren Interessen man so
uneigennützig vertritt, erklären? Also besser nichts zugeben. Aber vielleicht
sollte man das Projekt Internetsperren doch nicht so vehement angehen? Zu Tode
geschützt ist auch umgebracht .....
2010-10-24 Verwertungsgesellschaften als Wegelagerer
Vor wenigen Tagen hat sich der österreichische Providerverband ISPA
entschieden gegen die Forderung der Filmindustrie gewandt, die die Sperrung
ausländischer Websites forderte, auf denen Urheberrechtsverletzungen begangen
würden, und von denen auch österreichische User Filme streamen könnten.
Abgesehen davon, dass ein Stream kein Download im Sinne der Herstellung einer
Vervielfältigung darstellt (und nicht einmal die wäre, soweit es sich um eine
Vervielfältigung zu privaten Zwecken = Privatkopie handelt, strafbar), stellt es
schon eine ziemlich Chuzpe dar, für Urheberrechtsverletzungen, die keine sind,
und selbst wenn sie es wären, maximal Bagatelldelikte darstellten,
Internetsperren zu fordern, dies im Wissen, dass Internetsperren sogar für das
verwerflichste Delikt das wir kennen, nämlich Kinderpornographie, abgelehnt
werden (zuletzt von der EU -
Futurezone-Artikel). Das hat aber trotz allem nichts mit Wegelagerei zu
tun, denn die Filmindustrie will ja keinen Wegelohn erpressen, sondern einfach
die Websites blockieren.
Auf einem anderen Kampfschauplatz des Urheberrechtes kann man aber sehr wohl
von Wegelagerei sprechen. Die Urheberindustrie verlangt nämlich von immer mehr
Datenträgern die sogenannte Leerkassettenvergütung, ein Entgelt, das als
Ausgleich für die Privatkopien gilt, die auf diesen Datenträgern häufig
gespeichert werden. Jetzt hat der EuGH ausgesprochen, dass dies nur dann
zulässig ist, wenn auf den Datenträgern voraussichtlich Privatkopien gespeichert
werden, nicht aber, wenn die Datenträger nicht zur privaten Nutzung, sondern für
den gewerblichen/beruflichen Einsatz bestimmt sind. Sofort hat die
österreichische Verwertungsgesellschaft Austro Mechana gemeint, dass das Urteil
keinen Einfluss auf Österreich habe, weil in Österreich Unternehmen und
Freiberufler ohnedies die Möglichkeit hätten, die Urheberrechtsabgabe mittels
Formular zurückzufordern. Man will die Abgabe daher offenbar weiterhin pauschal
ohne Rücksicht auf den Verwendungszweck des Datenträgers einheben,
wahrscheinlich in der Hoffnung, dass die Rückforderungsberechtigten nichts von
ihrem Recht wissen oder einfach die Rückforderung vergessen oder es einfach
nicht machen. Schließlich muss man bedenken, dass es nur um kleine Beträge geht
und sich jeder fragen wird, ob der Aufwand überhaupt dafür steht. Dabei ist die
EuGH-Entscheidung eigentlich relativ eindeutig. Die Abgabe darf gar nicht
eingehoben werden, wenn die Datenträger nicht für Privatkopien gedacht sind, von
Rückforderungsansprüchen steht in der Entscheidung nichts. Wieder einmal müssen
sich die Händler gegen die Urheberindustrie wehren und die Urheberabgaben werden
verprozessiert, statt dass sie den eigentlichen Urhebern, nämlich den Kreativen
zur Verfügung gestellt würden.
2010-10-16 Im Internet darf wieder internetmäßig berichtet
werden
Jahrelang lebten Journalisten jetzt ständig mit einem Fuß im Kriminal, wenn
sie das taten, was sich im Internet als üblich eingebürgert hatte, nämlich einen
Link auf Produkt- oder Firmenseiten zu setzen, wenn sie darüber berichteten.
Seit 2005 klagten regelmäßig Verwertungsgesellschaften, wenn Links auf
Tauschbörsen oder (auch ausländische) Downloadseiten gesetzt wurden, soferne
diese nach ihrer Ansicht das deutsche Urheberrecht verletzten. Jetzt hat der
deutsche Bundesgerichtshof dem einen Riegel vorgeschoben. Er hat im Fall des
Heiseverlages, der in einem redaktionellen Artikel einen Link auf die Firma
Slysoft als Herstellerin der bekannten Software AnyDVD gesetzt hatte, die
Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und ausgesprochen, dass das Verlinken
grundsätzlich als Mittel der Berichterstattung zulässig ist, insbesondere, wenn
der Link als äquivalente Fußnote der reinen Informationsbeschaffung diene.
Dieses Urteil als grenzenlose Freiheit des Linkens zu sehen, wäre aber eine
fatale Fehlbeurteilung. Keineswegs ist es nämlich zulässig, etwa eine Linkseite
mit quasi Empfehlungsseiten zu erstellen, wo überall das Urheberrecht umgangen
oder am besten gebrochen werden kann. Es ist auch nicht ratsam, einen Link auf
eine Seite zu legen, auf der sich eindeutig strafbare Inhalte befinden, wenn
damit der Eindruck erweckt wird, dass man diese Inhalte bewerben wolle; in
diesem Fall kann nämlich eine Haftung als Beitragstäter in Betracht kommen.
Bei der Software Any-DVD ist die Situation aber gar nicht so eindeutig. Diese
Software, mit der etwa der Blu-Ray- und DVD-Kopierschutz ausgehebelt und der
HDCP-Kopierschutz ganz leicht umgangen werden kann (bei manchen Anlagen ist auch
das Abspielen einer regulär gekauften Blu-Ray nur damit möglich), darf nämlich
in Österreich zwar nicht gekauft und beworben, sehr wohl aber besessen und zu bestimmten
Zwecken (etwa Herstellung von Sicherungskopien von Software und Spielen) auch
eingesetzt werden.
2010-10-08 Keine Denkverbote oder doch lieber Denkgebote?
Die Justizministerin hat gemeint, es dürfe zur Frage der Internetsperren
gegen Kinderpornographie keine Denkverbote geben. Das ist grundsätzlich
vertretbar, besser wäre es aber Denkgebote zu fordern, bevor man sich auf einen
solchen Wahnsinn einlässt. Die Justizministerin hat auch auf die Schweiz
verwiesen, wo das angeblich so toll funktioniert. Tatsächlich funktioniert es
überhaupt nicht. Es ist eine reine Alibi-Aktion. Allerdings eine sehr
gefährliche, ist es doch nur ein kleiner Schritt bis zur generellen Internet-Zensur. Aber
vielleicht wäre ein bisschen Zensur vielen österreichischen Politikern gar
nicht so unrecht - vor allem wenn man selbst am Schaltpult sitzt und bestimmen kann,
wer alles auf die (geheime) Sperrliste kommt.
2010-09-27 Persönlichkeitsschutz von Gebäuden?
Alle wollen sehen, aber einige wollen nicht gesehen werden. Google Street
View sorgt heuer für Aufregung in Europa. Begonnen haben die Aufregungen damit,
dass Google neben den Straßenbildern auch WLAN-Daten mit aufgezeichnet hat.
Abgesehen von der Frage, was am Registrieren offener und unverschlüsselter
Funknetze verwerflich sein soll (nach der Judikatur deutscher Gerichte ist das
Betreiben eines offenen WLANS ohnedies schon die Schaffung einer Gefahrenstelle
für die Urheber und damit haftungsbegründend), wäre das noch irgendwie
nachvollziehbar. Auch die Wiedergabe von Gesichtern kann noch in den seltenen
Fällen eines rechtlichen Interesses Bedenken rechtfertigen. Nachdem aber Google
Gesichter und etwa auch KFZ-Kennzeichen ohnedies verpixelt, bleibt wenig übrig,
was an Google Streetview rechtlich bedenklich sein soll. Woraus soll sich etwa
das Schutzbedürfnis einer Hausfassade ableiten? Trotzdem müssen in Deutschland
auch Tausende Häuser unkenntlich gemacht werden. Wollen die deutschen
Datenschutz-Scharfmacher demnächst Pläne, Ansichtskarten und Webcams verbieten,
weil da ein Haus abgebildet wird, dessen Eigentümer ein eigenwilliges
Verständnis von Eigentum hat? Seit wann gibt es ein Sonderschutzrecht für
Hauseigentümer? Jetzt haben Tausende bei Google die Unkenntlichmachung ihrer
Hausfassaden beantragt, was ist aber mit den Millionen, die diese sehen wollen?
Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit? Vielleicht sollte man
Gegenantragsformulare auflegen?
In Österreich ist die Datenschutzkommission noch beim Prüfen. Man kann nur
hoffen, dass das mit mehr Maß und Ziel erfolgt und sich am österreichischen
Recht orientiert. Denn das kennt nur ein Bildnisschutzrecht von Personen, und
das verhindert eine Veröffentlichung auch nur dann, wenn berechtigte Interessen
des Abgebildeten der Veröffentlichung entgegenstehen. Gebäude haben kein
Persönlichkeitsrecht, das verletzt werden könnte - noch nicht.
2010-03-04 Der neue Stufenbau der Rechtsordnung
Still und heimlich wird in manchen Bereichen die Demokratie außer Kraft
gesetzt. Die Rede ist von den weltweiten Bemühungen, das Urheberrecht unter den
schwierigen Bedingungen der digitalen Welt durchzusetzen. Dabei soll jedes
Mittel recht sein. Um von vorneherein auszuschließen, dass demokratisch gewählte
Regierungen querschießen, werden die Bedingungen zunächst in geheimen
internationalen Verhandlungen in Vertragsform gegossen (ACTA -
Antipiraterie-Abkommen). Über die EU wird das dann den Mitgliedstaaten zur
Umsetzung vorgeschrieben. Bewegungsspielraum der nationalen Parlamente: Gleich
Null. Jetzt hat der EU-Rat die Kommission zur härteren Durchsetzung von Regeln
zum Schutz des geistigen Eigentums auffordert. Im Gespräch sind die sogenannte
"abgestufte Erwiderung", Netzsperren und eine Haftung der Zugangsprovider. Das
läuft letztendlich auf eine Filterung und Zensur des gesamten Internetverkehrs
hinaus. Es bleibt zu hoffen, dass das europäische Parlament hier einen Riegel
vorschiebt. Während nämlich Kommission und Rat offenbar sehr empfänglich für Lobbying sind, dürfte dies beim Parlament schon aufgrund der schieren Größe
schwieriger sein. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass dort noch die echten
Volksvertreter sitzen. Der Wahnsinn bei all diesen Bestrebungen ist aber, dass
wir auf eine völlig neue Rechtsordnung zusteuern. Das Oberste in diesem neuen
Stufenbau ist das geistige Eigentum. Dann kommt lange nichts, dann die Grund-
und Freiheitsrechte und die Verfassungsnormen und dann die einfachen Gesetze.
Der Schutz des Götzen Urheberrecht, verkörpert vor allem durch die
milliardenschweren Medienkonzerne (die eigentlichen Urheber sind nur
vorgeschoben), rechtfertigt alles. Es würde niemandem im Traum einfallen, den
gesamten Postverkehr überwachen zu lassen mit der Begründung, dass
kinderpornographische Bilder transportiert werden könnten. Aber der Schutz des
Urheberrechtes soll die Bespitzelung aller Staatsbürger (genannt
Vorratsdatenspeicherung) rechtfertigen und in Zukunft auch noch das Abkoppeln
von der Infrastruktur Internet und die Zensur des gesamten Internetverkehrs. Das
sind die neuen Wertigkeiten, die uns vermittelt werden sollen. Als nächste Stufe
kommt dann das Abkappen vom Stromnetz um den Konsum von sogenannten
"Raub"-Kopien zu verhindern....
2010-03-03 Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen
Gestern ist die lang erwartete Entscheidung des deutschen
Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung gefallen. Nachdem das
Gericht bereits im Provisorialverfahren die Verwendung der Daten eingeschränkt
hatte, hat es nun die deutsche Regelung zur Gänze aufgehoben und die Löschung
der Daten angeordnet. Das Urteil hat zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf den
österreichischen Gesetzwerdungsprozess, der gerade im Gang ist, es wird aber
natürlich bei den weiteren Verhandlungen berücksichtigt werden. Ich teile aber
den weit verbreiteten Optimismus nicht. Es sind vor allem zwei Dinge, die mich
stören:
Erstens: Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung trotz
aller Gegenargumente grundsätzlich als zulässig angesehen, obwohl von
Terrorismus weit und breit nichts zu sehen ist.
Zweitens: Bei der Bekanntgabe der Inhaber von IP-Adressen sieht das
Bundesverfassungsgericht keine Notwendigkeit für einen Richtervorbehalt, obwohl
es auch der Ansicht ist, dass diese Bekanntgabe Inhaltsbezug hat (worauf ich
schon immer hingewiesen habe, wenn man in Österreich mit dem
"Stammdaten"-Argument gekommen ist). Letzteres deutet im Zusammenhang mit der
Entscheidung des OGH zur urheberrechtlichen Auskunftspflicht vom Juli 2009
darauf hin, dass der Weg in Österreich frei sein könnte für die zivilrechtliche
Auskunftspflicht bei Urheberrechtsverletzungen. Hier bleibt abzuwarten,
inwieweit sich Bures gegen Innen- und Justizministerium durchsetzen kann. Das
eigentlich Positive an der Entscheidung sehe ich darin, dass damit die
Strömungen in der EU gestärkt werden, die Vorratsdatenspeicherung überhaupt zu
überdenken. Ich hoffe daher, dass sich die österreichische Verzögerungstaktik so
lange aufrechterhalten lässt, bis sich auf EU-Ebene etwas ändert.
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