Internet & Recht - aktuell |
Kundenbewertung oder Kreditschädigung?
Mögliche Ansprüche bei Missbrauch einer gut gemeinten Einrichtung
Vortrag vom Symposium "Rechtsprobleme bei
Internet-Versteigerungen
beim Österreichischen Institut für Rechtspolitik in Salzburg am 29.9.2006
Im Bereich des Rechtes der Diensteanbieter gewinnt die Haftung für Dritte zunehmende Bedeutung für deren Tätigkeit. In Deutschland scheint sich die Ansicht durchzusetzen, dass die Haftungsbefreiungen der EC-RL (dort umgesetzt im TDG und MDStV) nur für Schadenersatzansprüche gelten, aber nicht für Unterlassungsansprüche (BGH 11.3.2004, I ZR 304/01 Rolex). Damit kommt eine Haftung als Störer in Betracht. Voraussetzung dafür ist eine adäquate (Mit)Verursachung und eine zumutbare Verhinderungsmöglichkeit. Dies eröffnet ein weites Feld an Meinungen und hat bereits zu sehr unterschiedlichen Entscheidungen geführt.
Auch Anbieter von Versteigerungsplattformen sind Diensteanbieter (§ 3 ECG). Online-Verkaufsplattformen haben in den letzten Jahren verschiedene Features entwickelt, die den Nachteil durch den fehlenden direkten Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer ausgleichen sollen. Ein ganz wesentliches ist die Bewertung der Verkäufer durch die Kunden. Dieses Instrument birgt aber auch gewisse Gefahren. Wer einmal in einer Beschwerdestelle gearbeitet hat, weiß, wie emotional die Unzufriedenheit mit einem Produkt gelegentlich geäußert wird und wie manche Käufer diese in Aggression gegen den Verkäufer umsetzen. Der Weg von der Bemängelung der Sache bis zur Beschimpfung des Vertragspartners ist, wiederum begünstigt durch das fehlende Gegenüber, ein sehr kurzer. Gegenstand dieses Artikels sind aber nicht zivil- oder strafrechtliche Auseinandersetzungen zwischen Verkäufer und Käufer, sondern die Frage, ob der Plattformanbieter in diese Streitigkeiten hineingezogen werden kann.
Voraussetzung für eine Haftung des Diensteanbieters als Gehilfe ist nach der österreichischen Judikatur, dass der Betreiber von der Rechtsverletzung weiß (er wurde also entweder darauf hingewiesen oder hat sie selbst entdeckt) und dass die Rechtsverletzung für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig erkennbar ist:
- OGH 24.5.2005, 4 Ob 78/05g - flirty.at: Gegenstand dieses Verfahrens war ein Streit unter Anbietern von Telefonmehrdienstleistungen (Telefonsex und Life-Cam-Darbietungen) wegen wettbewerbswidriger Werbung auf einer Website. Die Klage gegen den mitgeklagten Hostprovider wurde abgewiesen, weil der Verstoß gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot für einen juristischen Laien nicht erkennbar war.
- OGH 6.7.2004, 4 Ob 66/04s - megasex.at: Dieses Verfahren ist in derselben Branche angesiedelt. Auch hier stellte der OGH fest, dass Host-Provider mit wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn Rechtsverletzungen durch ihre Kunden für juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig sind. Rechtliche Vorwürfe rund um Werbung und Allgemeine Geschäftsbedingungen überstiegen aber bei weitem das, was für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig als rechtswidrig (leicht) erkennnbar sei.
Das Wissen eines Hobbymoderators ist nicht zurechenbar, der Betreiber des Forums geht also dadurch seines Haftungsprivilegs nicht verlustig:
- OLG Wien, 3.8.2006, 3 R 10/06x: Im Forum der Beklagten wurden beleidigende Inhalte über die Discothek der Klägerin gepostet, die von ehrenamtlichen Moderatoren zur Kenntnis genommen, aber nicht gelöscht wurden. Die Löschung erfolgte vielmehr erst über Aufforderung durch den Anwalt der Klägerin. Das OLG ging erst mit der Aufforderung an den Beklagten von einer Kenntnis der Inhalte aus und wies die Klage aufgrund des Haftungsprivileges des § 16 ECG ab.
Art. 15 EC-RL, in Österreich umgesetzt durch § 18 Abs. 1 ECG (Deutschland: § 8 TDG), statuiert, dass Diensteanbietern keine allgemeine Verpflichtung der Überwachung auferlegt werden darf. Die strenge deutsche Judikatur hat aber aus dem Begriff "allgemeine Verpflichtung" geschlossen, dass es in besonderen Fällen schon eine Überwachungsverpflichtung geben kann. Daraus ergibt sich als dritte Voraussetzung der Haftung die Verletzung einer zumutbaren Kontrollpflicht. Bei der Ausgestaltung dieser Pflicht gehen die deutschen Gerichte sehr unterschiedliche Wege:
- nur Beseitigungspflicht, aber keine Überwachungspflicht bezüglich
zukünftiger Verstöße:
- OLG
Düsseldorf, 7.6.2006, I-15 U 21/06 - Pornokönig: Der Antragsteller
wurde im Forum von einem Dritten beleidigt und forderte vom Betreiber
die Löschung, der dieser nach einigen Rückfragen nachkam. Danach kam es
zu weiteren Beleidigungen. Der Kläger ließ den Betreiber abmahnen,
dieser löschte wieder die beanstandeten Beiträge, gab aber die
geforderte Unterlassungserklärung nicht ab. Er sperrte die Nutzernamen,
unter denen die Beiträge verfasst wurden, die Täter nutzten aber einen
Anonymisierungsdienst und verfassten weitere Beiträge, die der Betreiber
wieder löschte. Das OLG wies den Sicherungsantrag ab. Der Forenbetreiber
unterliege zwar der allgemeinen Störerhaftung auch für fremde Inhalte,
die er sich nicht zu eigen gemacht hat, da die Regelungen des TDG
hinsichtlich der Haftungsprivilegierung auf die Störerhaftung keine
Anwendung fänden. Diese Haftung setze aber die Verletzung von
Prüfpflichten voraus; solche seien aber einerseits durch § 8 Abs. 2 TDG
ausgeschlossen und könnten, bezogen auf den Verfügungsbeklagten auch
nicht aus allgemeinen Grundsätzen abgeleitet werden. Bei der Beurteilung
einer solchen Prüfungspflicht sei danach zu fragen, inwieweit es dem als
Störer in Anspruch Genommenen technisch und wirtschaftlich möglich und
zumutbar ist, die Gefahren von Rechtsgutverletzungen zu vermeiden,
welche Vorteile der Diensteanbieter aus seinen Diensten ziehe, welche
berechtigten Sicherheitserwartungen der betroffene Verkehrskreis hegen
dürfe, inwieweit Risiken vorhersehbar seien und welche
Rechtsgutverletzungen drohten. Da der Verfügungsbeklagte als nicht
professioneller Forumsbetreiber tätig gewesen sei und wirtschaftlich
nicht daraus profitiert habe, habe auch in Anbetracht des Umstandes,
dass im Hinblick auf die Vorfälle in der Vergangenheit das Risiko
weiterer Rechtsverletzungen bestand, keine Prüfungspflicht bestanden. Da
der Verfügungsbeklagte anonyme Beiträge ermöglicht habe, könne er zwar
als Störer in Anspruch genommen werden, er sei aber trotzdem nur
verpflichtet, ihm bekannt gewordene Beiträge rechtsverletzender Art zu
löschen.
- Brandenburgisches OLG, 13.6.2006, 6 U 114/05 - Porno-DVDs:
Ein eBay-Anbieter vertrieb jugendgefährdende DVDs. Das OLG wies den
Sicherungsantrag ab. Dritte, die ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und
ohne Verschulden an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten beteiligt sind,
können nur dann als Störer in Anspruch genommen werden, wenn ihnen eine
Überprüfung etwaiger Wettbewerbsverstöße ihrer Kunden zuzumuten war und
sie ihrer Prüfungspflicht nicht nachgekommen sind, was hier verneint
wird. eBay obliegt nur die Pflicht, im Falle der Feststellung von
Verstößen relevante Informationen zu entfernen oder den Zugang zu
Angeboten, mit denen gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen wird, zu
sperren.
- OLG
Düsseldorf, 7.6.2006, I-15 U 21/06 - Pornokönig: Der Antragsteller
wurde im Forum von einem Dritten beleidigt und forderte vom Betreiber
die Löschung, der dieser nach einigen Rückfragen nachkam. Danach kam es
zu weiteren Beleidigungen. Der Kläger ließ den Betreiber abmahnen,
dieser löschte wieder die beanstandeten Beiträge, gab aber die
geforderte Unterlassungserklärung nicht ab. Er sperrte die Nutzernamen,
unter denen die Beiträge verfasst wurden, die Täter nutzten aber einen
Anonymisierungsdienst und verfassten weitere Beiträge, die der Betreiber
wieder löschte. Das OLG wies den Sicherungsantrag ab. Der Forenbetreiber
unterliege zwar der allgemeinen Störerhaftung auch für fremde Inhalte,
die er sich nicht zu eigen gemacht hat, da die Regelungen des TDG
hinsichtlich der Haftungsprivilegierung auf die Störerhaftung keine
Anwendung fänden. Diese Haftung setze aber die Verletzung von
Prüfpflichten voraus; solche seien aber einerseits durch § 8 Abs. 2 TDG
ausgeschlossen und könnten, bezogen auf den Verfügungsbeklagten auch
nicht aus allgemeinen Grundsätzen abgeleitet werden. Bei der Beurteilung
einer solchen Prüfungspflicht sei danach zu fragen, inwieweit es dem als
Störer in Anspruch Genommenen technisch und wirtschaftlich möglich und
zumutbar ist, die Gefahren von Rechtsgutverletzungen zu vermeiden,
welche Vorteile der Diensteanbieter aus seinen Diensten ziehe, welche
berechtigten Sicherheitserwartungen der betroffene Verkehrskreis hegen
dürfe, inwieweit Risiken vorhersehbar seien und welche
Rechtsgutverletzungen drohten. Da der Verfügungsbeklagte als nicht
professioneller Forumsbetreiber tätig gewesen sei und wirtschaftlich
nicht daraus profitiert habe, habe auch in Anbetracht des Umstandes,
dass im Hinblick auf die Vorfälle in der Vergangenheit das Risiko
weiterer Rechtsverletzungen bestand, keine Prüfungspflicht bestanden. Da
der Verfügungsbeklagte anonyme Beiträge ermöglicht habe, könne er zwar
als Störer in Anspruch genommen werden, er sei aber trotzdem nur
verpflichtet, ihm bekannt gewordene Beiträge rechtsverletzender Art zu
löschen.
- Überwachungspflicht nach erstem Vorfall:
- LG
Hamburg, 2.12.2005, 324 O 721/05 - Heise-Forum 1: Dem Heise-Verlag
war mit einstweiliger Verfügung untersagt worden, Forenbeiträge zu
verbreiten, in denen dazu aufgerufen wurde, durch den massenhaften
Download des Programmes k.exe den Server eines Unternehmens zu
blockieren; dies obwohl der Verlag die Beiträge nach Aufforderung
gelöscht hatte. Die geforderte Unterlassungserklärung hatte der Verlag
unter Hinweis darauf, dass er nur bei Kenntnis hafte, verweigert. Das LG
bestätigte die EV. Wer Einrichtungen unterhält, über die Inhalte in
pressemäßiger Weise verbreitet werden, muss Vorkehrungen dahingehend
treffen, dass über diese Einrichtungen keine rechtswidrigen Inhalte
verbreitet werden. Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit für
denjenigen, der Äußerungen oder Angebote über das Internet verbreitet,
kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Verbreiter aufgrund
der Art seines Angebots selbst Anlass zu der Annahme haben muss, dass
dieses von Nutzern zu Zwecken der Verletzung von Rechten Dritter
gebraucht wird.
- LG
Hamburg, 2.12.2005, 324 O 721/05 - Heise-Forum 1: Dem Heise-Verlag
war mit einstweiliger Verfügung untersagt worden, Forenbeiträge zu
verbreiten, in denen dazu aufgerufen wurde, durch den massenhaften
Download des Programmes k.exe den Server eines Unternehmens zu
blockieren; dies obwohl der Verlag die Beiträge nach Aufforderung
gelöscht hatte. Die geforderte Unterlassungserklärung hatte der Verlag
unter Hinweis darauf, dass er nur bei Kenntnis hafte, verweigert. Das LG
bestätigte die EV. Wer Einrichtungen unterhält, über die Inhalte in
pressemäßiger Weise verbreitet werden, muss Vorkehrungen dahingehend
treffen, dass über diese Einrichtungen keine rechtswidrigen Inhalte
verbreitet werden. Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit für
denjenigen, der Äußerungen oder Angebote über das Internet verbreitet,
kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Verbreiter aufgrund
der Art seines Angebots selbst Anlass zu der Annahme haben muss, dass
dieses von Nutzern zu Zwecken der Verletzung von Rechten Dritter
gebraucht wird.
- Überwachungspflicht bei brisanten Themen:
- OLG Hamburg, 22.8.2006, 7 U 50/06 - Heise-Forum 2: Das OLG bestätigt die Entscheidung des LG Hamburg vom 2.12.2005, schränkt aber die Anforderungen an die Prüfpflicht ein. Es zieht Analogien zu Leserbriefen und Live-Sendungen im Rundfunk an. In Anlehnung an die dort geltenden Grundsätze gelte für ein Internetforum, bei dessen Nutzung nicht einmal der Eindruck erweckt wird, der Beitrag gebe die Meinung des Forumsbetreibers wieder, dass schon im Hinblick auf die garantierte Freiheit der Meinungsäußerung auch eine Haftung als Störer im Regelfall nicht in Betracht komme, soweit lediglich der Vorgang des Einstellens des Beitrags durch Dritte in Frage stehe. Soweit nicht der Forenbetreiber durch sein eigenes Verhalten Rechtsverletzungen durch die Nutzer provoziert, seien ihm diese nicht zuzurechnen. Eine Überprüfungspflicht bestehe aber dann, wenn der Forumbetreiber durch sein eigenes Verhalten vorhersehbar rechtswidrige Beiträge Dritter provoziert habe, oder wenn ihm bereits mindestens eine Rechtsverletzungshandlung von einigem Gewicht im Rahmen des Forums benannt worden sei und sich damit die Gefahr weiterer Rechtsverletzungshandlungen durch einzelne Nutzer bereits konkretisiert habe.
Auch bezüglich der Art der geforderten Überwachung gibt es unterschiedliche Meinungen:
- Nachkontrolle, d.h. der Diensteanbieter muss die Fremdbeiträge
innerhalb angemessener Frist kontrollieren:
- Überwachung vor Freischaltung:
- LG Hamburg, 2.12.2005, 324 O 721/05 - Heise-Forum 1: Siehe oben. Diese Meinung wurde allerdings von der zweiten Instanz nicht geteilt.
Manche Gerichte unterscheiden auch noch, ob der eigentliche Täter bekannt ist oder nicht, d.h. ob der Verletzte die Möglichkeit hat, gegen diesen vorzugehen:
- OLG Düsseldorf, 26.4.2006, I-15 U 180/05 - anonymer Poster: Der Kläger fühlte sich durch zwei Beiträge im Forum der Beklagten beleidigt; Beitrag A stammte von einem anonymen Poster, Beitrag B von einem namentlich bekannten. Das OLG gab dem Unterlassungsbegehren nur hinsichtlich des anonymen Posters statt. Bei einem Meinungsforum sei vorrangig derjenige in Anspruch zu nehmen, der die beanstandeten Inhalte verfasst habe. Es sei anerkannt, dass sich derjenige, der sich von einer Äußerung ausreichend distanziert hat, sich diese nicht zu eigen mache. Der in seinen Rechten Verletzte müsse aber, da Beiträge in Diskussionsforen anders als bei Live-Sendungen längere Zeit im Forum verbleiben, die Möglichkeit haben, den sich Äußernden in kurzer Zeit in Anspruch zu nehmen. Es bestehe daher so lange auch ein Unterlassungsanspruch gegen den Betreiber des Forums, als dieser nicht die Identität des Täters preisgebe. Die Bekanntgabe der IP-Adresse reiche nicht aus. Da die Meinungsfreiheit ihre Schranken insbesondere im Recht der persönlichen Ehre finde, müsse gewährleistet bleiben, dass derjenige, der durch einen Beitrag in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und seiner Ehre verletzt wird, den Verfasser auf Unterlassung in Anspruch nehmen könne. Gewährleiste der Betreiber des Forums dies nicht, könne er sich nicht auf die grundrechtlich verbürgten Freiheiten berufen und selber auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Zumindest die letzte Entscheidung würde Betreibern von Verkaufs- und Versteigerungsplattformen sehr helfen, weil dort, anders als bei den meisten Diskussionsforen, die Teilnehmer bekannt oder jedenfalls leicht eruierbar sind. Ich vermute allerdings, dass sich die Ansicht des OLG Düsseldorf nicht durchsetzen wird, weil es bei der Inanspruchnahme des Diensteanbieters keine Subsidiarität gibt. Der Verletzte kann es sich vielmehr aussuchen, wen er klagen will. Dabei können verschiedenste Umstände dafür sprechen, den Diensteanbieter in die Pflicht zu nehmen, wobei das Kostenrisiko nicht der geringste ist.
Man könnte nun meinen, die Diensteanbieter wären zumindest in Österreich relativ gut abgesichert, weil die Anforderungen an die Gehilfenhaftung im Gegensatz zu Deutschland relativ streng sind. So musste der OGH bisher kaum auf die Haftungsfreistellungen des ECG zurückgreifen, weil er mangels bewusster Förderung des Täters keine Haftung angenommen hat, von der das ECG hätte freistellen müssen. Mittlerweile hat der OGH aber den Fall des Vorarlberger Gästebuchbetreibers entschieden (6 Ob 178/04a) und dabei hat er die Judikatur zur Kreditschädigungsklage nach § 1330 ABGB um eine Facette bereichert: Der Diensteanbieter ist in diesem Fall nicht Gehilfe, sondern technischer Verbreiter und damit selbst unmittelbarer Täter. So nebenbei hat der OGH gleich mehrere Ansichten aus der deutschen Judikatur übernommen. Auch er ist der Meinung, dass die Bestimmungen über die Haftungsfreistellungen bei verschuldensunabhängigen Unterlassungsansprüchen nicht anwendbar sind, was ihn aber nicht abhält, § 16 ECG immer wieder argumentativ heranzuziehen. Auch er ist der Meinung, dass der Diensteanbieter nur von allgemeinen Überprüfungspflichten befreit ist, bei besonderen Fällen - im gegenständlichen Fall bei vorausgegangenem Vorfall, also im Wiederholungsfall - aber doch nachschauen muss. Auch er erwähnt das Problem des anonymen Täters, ohne sich aber festzulegen, ob es darauf ankommt.
Damit steht fest, dass § 1330 Abs. 2 ABGB eine wichtige Norm für die Diensteanbieter ist. Sie bekommen somit neben der Schärfe des Immaterialgüterrechts nun auch die Unvorhersehbarkeit der Judikatur zur Kreditschädigungsklage zu spüren. Letzteres hat noch dazu den bitteren Beigeschmack, dass der Diensteanbieter damit wieder Willen in die Rolle des Zensors gedrängt wird. Er hat nur zwei Möglichkeiten: Löschen und als Feind der Meinungsfreiheit dastehen oder stehenlassen und von einer Klage mit ungewissem Ausgang bedroht werden, Teufel oder Belzebub, wie er es macht, ist es falsch. Das könnte durchaus dazu führen, dass viele gut gemeinte Einrichtungen im Internet wieder verschwinden.
11.3.2007
Anmerkung vom 29.3.2007: Das Urteil des OLG Düsseldorf wurde vom BGH am 27.3.2007 aufgehoben (Pressemitteilung).