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megasex.at - Haftung des Host-Providers für Wettbewerbsverletzungen auf Kundenwebsites: OGH, Urteil vom 6.7.2004, 4 Ob 66/04s
Die Klägerin, die Telefonmehrwertdienstleistungen und Live Cam Darbietungen sowie Partnervermittlungen im Internet anbietet, klagte eine Konkurrentin auf Unterlassung wahrheitswidriger Werbung auf ihrer Website. Die Zweitbeklagte ist Host-Providerin der Erstbeklagten; sie wird als Gehilfen in Anspruch genommen. Es fehlten Allgemeine Geschäftsbedingungen und ein Impressum sowie Tarifangaben, das Wort "gratis" werde in irreführender Weise gebraucht. Die Erstbeklagte verpflichtete sich in einem Vergleich zur Unterlassung. Die Klägerin forderte die Zweitbeklagte auf, die Seiten sofort zu sperren. Diese sperrte zunächst, forderte von der Erstbeklagten eine Bestätigung der Behebung der rechtlichen Probleme und schaltete dann nach Überprüfung wieder frei. Später forderte die Klägerin die Zweitbeklagte unter Hinweis auf weitere Rechtswidrigkeiten neuerlich zur Sperrung auf.
Das Erstgericht wies die Klage gegen die Zweitbeklagte ab. Das OLG bestätigte dies (Urteil). Ein Unterlassungsanspruch gegen einen Provider setze eine bewusste Förderung des unmittelbaren Täters voraus. § 19 ECG stehe der Anwendung des in § 16 ECG enthaltenen Haftungsprivilegs (des Host-Providers) auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nicht entgegen. Da die Rechtsverletzungen für einen juristischen Laien nicht erkennbar gewesen seien, sei er nicht zur Entfernung der Inhalte verpflichtet gewesen.
Der OGH gab der Berufung keine Folge. Die §§ 13 bis 19 ECG beschränken die Verantwortlichkeit der Anbieter bestimmter elektronischer Dienstleistungen, berühren aber nicht die Frage der Rechtswidrigkeit. Diese bestimmt sich ausschließlich nach den jeweiligen materiellrechtlichen Bestimmungen, etwa nach ABGB, UrhG oder UWG. Das ECG legt keine neuen Haftungsvoraussetzungen für Diensteanbieter fest. Die Frage, ob die Haftungsbefreiung nach § 16 Abs. 1 ECG auch für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gilt, muss hier nicht beantwortet werden, weil das Unterlassungsbegehren unabhängig davon nicht berechtigt ist. Als Gehilfe haftet nämlich nur, wer den unmittelbaren Täter bewusst fördert. Das setzt voraus, dass der als Gehilfe in Anspruch Genommene die Rechtswidrigkeit kennt oder dass diese offenkundig ist. Rechtliche Vorwürfe rund um Werbung und Allgemeine Geschäftsbedingungen übersteigen aber bei weitem das, was für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig als rechtswidrig (leicht) erkennnbar ist. Host-Provider können daher mit wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen nur dann in Anspruch genommen werden, wenn Rechtsverletzungen durch ihre Kunden für juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig sind.
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** LTD, ***** vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Gertraude B*****, vertreten durch Dr. Georg Mayer, Rechtsanwalt in Wien, und 2. N***** GmbH, ***** vertreten durch Hasberger Seitz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 21.802,32 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2003, GZ 4 R 186/03g-25, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 17. Juni 2003, GZ 10 Cg 82/02t-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.189,44 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 198,24 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin bietet Telefonmehrwertdienstleistungen, Livecamdarbietungen sowie Partnervermittlungen im Internet an. Die Erstbeklagte betreibt einen Internetauftritt, der Telefonkontaktvermittlungen und Partnervermittlungen anbietet. Die Zweitbeklagte speichert als Diensteanbieter die Daten der Erstbeklagten in deren Auftrag (Host-Provider). Für die Zurverfügungstellung von Speicherplatz und für die Domainverwaltung des Internetauftritts der Erstbeklagten hat sie Entgelt erhalten. Die Zweitbeklagte ist technisch in der Lage, Internetseiten ihrer Kunden jederzeit vom Netz zu nehmen.
Am 13. 1. 2002 teilte die Klägerin der Zweitbeklagten mit, dass die von ihr als Diensteanbieter betriebene Homepage der Erstbeklagten in fünf Punkten unzulässig bzw irreführend sei: Es seien keine AGB veröffentlicht, es fände sich kein Impressum, die Mehrwertnummern wiesen keine Tarifangaben auf, Mehrwertnummern würden für Callgirl-Kontakte verwendet, es werden Worte wie "gratis" verwendet, um für Mehrwertnummern Werbung zu betreiben. Die Klägerin forderte die Zweitbeklagte auf, diese Webseiten sofort zu sperren und dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen. Ergebnis der Besprechungen der Zweitbeklagten mit ihrem Rechtsvertreter war, dass im Falle eines groben Verstoßes - wie etwa bei Kinderpornographie - eine Internetseite sofort abgestellt werden könne, bei anderen allfälligen Verstößen dem Betreiber aber eine Frist zur Verbesserung einzuräumen sei. Daraufhin forderte die Zweitbeklagte die Erstbeklagte auf, ihre Homepage auf die beanstandeten Umstände zu überprüfen und diese gegebenenfalls zu beheben, andernfalls die Homepage gesperrt würde. Zur Verbesserung des Inhalts setzte die Zweitbeklagte eine Frist bis 16. 1. 2002 (17 Uhr). Die zugesagte Korrektur erfolgte nicht innerhalb dieser Frist, weshalb die Zweitbeklagte am 17. 1. 2002 die Sperre der Homepage bewirkte. Die Erstbeklagte sicherte der Zweitbeklagten telefonisch die entsprechende Änderung bis zum Nachmittag dieses Tages zu. Am 13. 1. 2002 schienen auf der Website der Erstbeklagten keine Preisangaben für die Tarife der anwählbaren Telefonnummern auf. Bei 0810-Nummern war "nur Ortstarif" angegeben, bei der Nummer 01/275629009004 "gratis". Weiters wurde ein "Gratis Live-Chat" unter der Nummer 01/275/6290090010 angeboten. Am Nachmittag des 17. 1. 2002 war dann ein Impressum vorhanden; bei den Telefonnummern waren Euro-Beträge angegeben, wie der für Beschwerden bei der Zweitbeklagten zuständige Angestellte feststellte. Die Zweitbeklagte schaltete die Website der Erstbeklagten daher noch am 17. 1. 2002 wieder frei.
Am 28. 1. 2002 waren teilweise maximale Preisangaben für die Anrufe in Euro angegeben und es gab eine Seite "Copyright und Rechtshinweise". Auf der Website wurde auch angeboten: "Wir senden Ihnen gerne gratis vier Stück Sexzeitungen zu. Bestellen Sie noch heute! ... Telefon 090056569091".
Im Impressum war angegeben: "Mehrwertdienstunternehmen Firma B***** G. 1150 Wien" samt Telefon- und Faxnummern und E-Mail-Adresse. Die AGB enthielten unter dem Punkt "Enthaftung" unter anderem Folgendes:
"Megasex bemüht sich um richtige und aktualisierte Informationen auf der Homepage. Indes übernimmt Megasex keinerlei Garantien oder Zusicherungen betreffend der Richtigkeit, Vollständigkeit, Tauglichkeit usw der in der Homepage enthaltenen bzw referenzierten Information. Der Zugang und die Benutzung der Homepage wie auch jeder darin enthaltenen bzw referenzierten Information geschieht in der alleinigen Verantwortung und auf das eigene Risiko des Benutzers. Weder Megasex noch irgendeine Person oder ein Unternehmen, welches bei der Herstellung, bei der Informationseingabe oder bei der Informationsweitergabe dieser Homepage oder anderer in dieser Homepage referenzierter Homepages involviert sind, sind in irgendwelcher Art und Weise haftbar für irgendwelche Schäden im Zusammenhang mit dem Zugang, der Benutzung wie auch allfälligen Störungen bei der Benützung oder irgendwelchen Irrtümern oder Unterlassungen bezüglich den Inhalt der Homepages. Megasex betont ausdrücklich, dass wir keinerlei Einfluss auf die Gestaltung und die Inhalte der referenzierten Seiten haben. Deshalb distanzieren wir uns hiemit ausdrücklich von allen Inhalten aller referenzierten Seiten auf unserer Homepage. Diese Erklärung gilt für alle auf unserer Homepage ausgebrachten Referenzen und für alle Inhalte der Seiten, zu denen Referenzen führen. Des Weiteren ist Megasex nicht verantwortlich für allfällige unangemessene, nutzlose oder nachteilige Investitionen, Aufwendungen oder Transaktionen mit Verlust im Zusammenhang mit dem Zugang, dem Gebrauch oder allfälligen Störungen im Gebrauch der Homepage."
Am Abend des 17. 3. 2002 forderte die Klägerin die Zweitbeklagte per Fax auf, die Website der Erstbeklagten bis zur Behebung des beanstandeten Zustandes - nämlich angeblich kein gültiges Impressum (unvollständig und fehlende Adresse) und teilweise ungültige AGB - sofort zu sperren. Die Zweitbeklagte sperrte die Website am Vormittag des 18. 3. 2002 und forderte die Erstbeklagte auf, eine Bestätigung der rechtlichen Prüfung ihrer Website, dass keine Rechtswidrigkeiten enthalten sind, alternativ eine Bestätigung, dass die angezeigten Rechtswidrigkeiten behoben wurden, zu übermitteln. Am Nachmittag des 18. 3. 2002 übersandte die Erstbeklagte die geforderte Bestätigung, dass keine rechtswidrigen Inhalte vorhanden seien. Die Zweitbeklagte überprüfte den Inhalt der Website und stellte fest, dass im Sinne der seinerzeitigen Bemängelung vom Jänner 2002 nunmehr das Impressum sowie AGB vorhanden waren und auch die Kosten für die Mehrwertnummern angegeben waren, weshalb sie die Website am 18. 3. 2002 wieder freischaltete.
Im April und Juni forderte die Klägerin die Zweitbeklagte weiter auf, die Homepage der Erstbeklagten vom Netz zu nehmen, wobei sie auf rechtswidrige AGB und die unzulässige Bewerbung von Telefonnummern als gratis hinwies. Im Schreiben vom 28. 4. 2002 fanden sich Hinweise auf beanstandete Formulierungen auf den Websites, zB dass Telefonnummern als "gratis" beworben werden, obwohl es sich um 0810-Nummern oder um Nummern mit Wiener Ortsvorwahl handelt. Es handle sich daher in Wirklichkeit nicht um Gratisnummern. Nach Klageeinbringung im April 2002 wurde die Zweitbeklagte im Juni und im November nochmals auf den rechtswidrigen Inhalt aufmerksam gemacht, worauf die Homepage der Erstbeklagten vom Netz genommen wurde. Die Klägerin begehrt, die Beklagten zur Unterlassung zu verpflichten, a) im Internet den Anruf bei den Telefonnummern 0810910911, 08109109111 und 01/275629009004 als gratis zu bezeichnen, wenn sie nicht gratis sind, und b) Allgemeine Geschäftsbedingungen zu veröffentlichen, nach denen der Domaininhaber und der Betreiber der Homepage keinerlei Haftung für den Inhalt der Homepage übernehmen oder sinngleiche Behauptungen sowie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in der "Kronen Zeitung" auf Kosten der Beklagten. Die Behauptung, dass ein Anruf unter den angegebenen Telefonnummern gratis sei, sei unwahr und unzulässig. Die Freizeichnungserklärung in den AGB suggeriere, für den Domaininhaber bestehe überhaupt keine Haftung, was sittenwidrig sei. Die beworbene Gratisbestellung von Sexzeitschriften durch Wahl einer 0900-Nummer koste letztlich mehr als die gratis beworbene Sexzeitung wert sei, weshalb auch diese Ankündigung irreführend sei. Die Zweitbeklagte habe das wettbewerbswidrige Verhalten der Erstbeklagten gefördert und hätte die Unrichtigkeit der Angaben auf der Homepage ohne weitere rechtliche Prüfung erkennen müssen.
Die Erstbeklagte verpflichtete sich in einem im Verfahren geschlossenen Vergleich zur Unterlassung im Sinne des Punktes a) des Klagebegehrens sowie zur Zahlung eines Kostenbeitrags; damit war das sie betreffende Verfahren beendet (ON 7).
Die Zweitbeklagte wendete ein, die Website der Erstbeklagten enthalte keine Angaben, dass der Anruf unter der Telefonnummer 01/275629009004 und der Anruf unter den weiteren angeführten 0810-Telefonnummern gratis seien. Es sei von Gratiseinführungsangeboten die Rede, was von Internetnutzern nicht in der Weise verstanden werden könne, dass die Anrufe zur Bestell-Hotline gratis seien. Die AGB enthielten keinen generellen Haftungsausschluss, sondern lediglich einen solchen für bestimmte Informationen und Links auf der Homepage. Eine für den Diensteanbieter offensichtliche Verletzung der Bestimmungen des UWG liege nicht vor, weshalb die Zweitbeklagte auch nicht zur Sperre verpflichtet gewesen sei. Überdies habe sie die Homepage zweimal gesperrt und erst nach Übermittlung einer Bestätigung über die Gesetzmäßigkeit wieder zugänglich gemacht. Es könne ihr als Diensteanbieter auch nicht zugemutet werden, auf ihre eigenen Kosten bei jedem Hinweis auf angebliche Rechtswidrigkeit eine rechtliche Prüfung durch einen Rechtsanwalt durchführen zu lassen, ob die Beanstandungen tatsächlich zutreffend seien. Die Kosten für derartige Prüfungen stünden in keinem Verhältnis zu den Einnahmen aus der Datenspeicherung. Die Zweitbeklagte könne auch nicht als "Richter" die Rechtswidrigkeit der Homepage der Erstbeklagten beurteilen. Dies werde nur in Fällen krasser, offensichtlicher Rechtsverletzungen gelten, nicht aber bei einer detaillierten rechtlichen Prüfung der Zulässigkeit von AGBs.
Das Erstgericht wies das gegen die Zweitbeklagte erhobene Klagebegehren ab. Es verwies auf das Haftungsprivileg des Diensteanbieters nach § 16 E-Commerce-Gesetz (ECG). Die Bestimmung des § 19 ECG, wonach die §§ 13 bis 18 ECG gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Gericht oder eine Behörde dem Dienstanbieter die Unterlassung, Beseitigung oder Verhinderung einer Rechtsverletzung auftragen kann, unberührt lassen, schließe die Anwendung des Haftungsprivilegs nach § 16 ECG auf zivilrechtliche Unterlassungsansprüche nicht aus. Die Zweitbeklagte habe den angeblich rechtswidrigen Zustand nicht gekannt und auch nicht gefördert, sondern im Gegenteil gleich nach Erhalt entsprechender Information den Zugang gesperrt.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die Revision mangels Rechtsprechung zur Haftung des Diensteanbieters (Host-Providers) oder zur Anwendung der Haftungsprivilegien des ECG auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche zulässig sei. Verlange ein Dritter ein Einschreiten des Diensteanbieters und die Entfernung der Information oder die Sperre des Zugangs, so werde der Diensteanbieter zur Tätigkeit verpflichtet sein, wenn die Rechtsverletzung auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig sei, wenn die Rechtswidrigkeit für den Anbieter wie für jedermann "leicht erkennbar" sei. Der Ausdruck "tatsächliche Kenntnis" im § 16 ECG sei eng auszulegen und entspreche etwa dem Begriff "Wissentlichkeit" iSd § 5 Abs 3 StGB. Das ECG statuiere keine neuen Haftungsvoraussetzungen für Diensteanbieter, sondern enthalte nur Haftungsbefreiungsvoraussetzungen. § 19 ECG stehe der Anwendung des im § 16 ECG enthaltenen Haftungsprivilegs auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nicht entgegen. Der Gesetzgeber (ErlBem) habe auf die Kriterien verwiesen, die von der Rechtsprechung zu Unterlassungsansprüchen gegen "Gehilfen" bei offenkundiger Rechtsverletzung im Internet entwickelt worden seien. Hier könne die Anwendung des Haftungsprivilegs auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche dahingestellt bleiben, weil die Beurteilung, ob die Bewerbung von bestimmten Telefonnummern als gratis irreführend iSd § 2 UWG sei und ob nach zivilrechtlichen Grundsätzen derartige Freizeichnungserklärungen in AGB zulässig seien, für den "Durchschnittsmenschen" ( § 9 Abs 2 StGB: "wie für jedermann") sicher nicht sofort eindeutig zu bejahen sei. Hier scheide mangels Offenkundigkeit der Rechtsverletzung eine Haftung des Providers aus. Es komme daher auch nicht darauf an, ob die Zweitbeklagte nach der Bemängelung der Homepage unverzüglich tätig geworden sei. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Sperre oder Entfernung der Information setze nämlich die Kenntnis oder das Bewusstsein von der Rechtswidrigkeit voraus. Die Maßnahmen der Zweitbeklagten, sich bei der ersten Freigabe davon zu überzeugen, ob für die Telefonate Preisangaben vorhanden gewesen seien, und vor der zweiten Freigabe der neuerlich gesperrten Homepage eine Bestätigung der Rechtskonformität zum Inhalt der AGB zu verlangen, seien als ausreichend zu beurteilen, um ihre Verantwortung auszuchließen. Die Einholung eines Rechtsgutachtens zur Wettbewerbskonformität einer Homepage sei dem Diensteanbieter bei derartigen Behauptungen über irreführende und sittenwidrige Werbung im Internet nicht zumutbar.
Rechtssatz
Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist mangels Rechtsprechung zur Haftung des Diensteanbieters für Rechtsverletzungen des Gestalters/Betreibers der vermittelten Inhalte zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Regelungen der §§ 13 bis 19 ECG ebenso wie die Art 12 bis 14 der EC-Richtlinie (Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 8. 6. 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt), die im ECG umgesetzt wurde, beschränken die Verantwortlichkeit der Anbieter bestimmter elektronischer Dienstleistungen, berühren aber nicht die Frage der Rechtswidrigkeit der Tätigkeit eines Diensteanbieters. Diese bestimmt sich ausschließlich nach den jeweiligen materiellrechtlichen Bestimmungen, etwa nach ABGB, UrhG oder UWG (6 Ob 190/03i). Das Berufungsgericht hat daher zutreffend unter Berufung auf Zankl (ECG Rz 225) und Kressbach (E-Commerce, 55), festgehalten, dass das ECG keine neuen Haftungsvoraussetzungen für Diensteanbieter festlegt. Die Frage, ob die Haftungsprivilegien des ECG, etwa § 16 Abs 1 ECG, lediglich allfällige Schadenersatzansprüche ausschließen und vor allem im Hinblick auf die Bestimmung des § 19 ECG nicht für Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gelten (so 6 Ob 190/03i; Zankl, ECG § 19 Rz 296 und in ecolex 2004, 361; Burgstaller/Minichmayr, ECG 142; Brenn, ECG 284, 307; ablehnend hingegen Kressbach aaO 56, Schanda in ecolex 2001, 920 f; vgl auch Blume/Hammerl, ECG, 153), braucht im vorliegenden Fall nicht erörtert zu werden, weil die Berechtigung des wider die Zweitbeklagte erhobenen Unterlassungsbegehrens unabhängig von einer allfälligen Haftungsbefreiung nach § 16 ECG fehlt.
Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch richtet sich nicht nur gegen den unmittelbaren Täter (Störer), sondern auch gegen Mittäter, Anstifter und Gehilfen des eigentlichen Störers. Für wettbewerbswidriges Verhalten eines anderen hat jeder einzustehen, der den Wettbewerbsverstoß durch eigenes Verhalten gefördert oder überhaupt erst ermöglicht hat (ÖBl 1999, 229 - Erinasolum; ÖBl 2003, 22 - Das versteckte Mikrofon, je mwN; zuletzt etwa 4 Ob 156/03z = EvBl 2004/66). "Gehilfe" im Sinne dieser Rechtsprechung ist derjenige, der den Täter bewusst fördert (ÖBl 1991, 101 - Einstandsgeschenk uva). Er muss - wie es § 12 StGB und § 7 VStG formulieren - zur Ausführung der Tat beitragen oder diese erleichtern (ÖBl 2003, 22 - Das versteckte Mikrofon mwN; EvBl 2004/66). Die Zweitbeklagte trägt zwar zur Erbringung der von der Erstbeklagten angebotenen Dienstleistungen bei, ja ermöglicht diese erst, hat aber mit den bestandeten Webseiten nichts zu tun, sie war an deren Formulierung und Gestaltung in keiner Weise beteiligt. Die Klägerin macht lediglich geltend, dass die Zweitbeklagte nach Erlangen der Kenntnis von der Bewerbung bestimmter Mehrwerttelefonnummern mit dem Wort "gratis" einerseits sowie dem Inhalt der von der Erstbeklagten ins Netz gestellten AGB ("Enthaftung") nicht (unverzüglich) für die Einstellung der entsprechenden Werbung Sorge getragen habe. In den Entscheidungen SZ 73/140 = MR 2000, 328 - FPO.at I und SZ 74/153 = 4 Ob 176/01p - FPO.at II hat der Oberste Gerichtshof die zur Haftung von Presseunternehmen für die Veröffentlichung wettbewerbswidriger Anzeigen entwickelten Grundsätze auf die Haftung der Domain-Namensverwalterin übertragen, wenn der durch eine Internetdomain Verletzte unter Darlegung des entsprechenden Sachverhalts ein Einschreiten verlangt. Diese Haftung wurde bejaht, wenn die Rechtsverletzung auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist, weil die Weigerung der Vergabestelle, die Domain zu sperren, obwohl sie Kenntnis von einer offenkundigen Rechtsverletzung erlangt hat, nichts anderes bedeutet, als den offenkundigen Verstoß des unmittelbaren Täters bewusst zu fördern und die Rechtsverletzung auch weiterhin zu ermöglichen. Nichts anderes hat im Fall des Diensteanbieters (Host-Providers) zu gelten, der von einem Dritten auf eine Wettbewerbsverletzung hingewiesen wird, die auf einer gespeicherten Website begangen worden ist.
Auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen bedeutet das, dass die Zweitbeklagte als von der Klägerin über (angebliche) Rechtsverletzungen informierter Diensteanbieter nur dann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wenn die beanstandete Bewerbung von Kontakten unter bestimmten Telefonnummern als gratis sowie die Verwendung sehr weit gehender Haftungsfreizeichnungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Erstbeklagte auf deren von der Zweitbeklagten vermittelten Webseiten als Rechtsverletzungen zu qualifizieren sind, die auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig sind, also die Rechtswidrigkeit für den Anbieter für wie jedermann leicht erkennbar ist (vgl § 9 Abs 2 StGB), worauf der Gesetzgeber bei Erlassung des ECG ausdrücklich verwiesen hat (Erl RV 817 BlgNR GP 21).
Zutreffend hat das Berufungsgericht unter Heranziehung des auch vom Gesetzgeber ausdrücklich bezogenen zu SZ 73/140 = MR 2000, 328 - FPO.at I entschiedenen Falls die hier beanstandeten Rechtsverletzungen als für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen nicht offenkundig beurteilt. Die gegenteilige Argumentation der Revisionswerberin vermag nicht zu überzeugen. Die Täuschungseignung der Verwendung des Wortes "gratis" im Zusammenhang mit der Angabe von Telefonnummern zwecks Kontaktaufnahme, Bestellung oder Information im Rahmen des aufgrund des Werbeauftritts der Erstbeklagten hervorgerufenen Gesamteindrucks unter Einbeziehung der mehrfachen Tarifangaben bei verschiedenen genannten Telefonnummern sowie unter Berücksichtigung der bei Mehrwertnummern zwingend vorgeschriebenen, dem eigentlichen gebührenpflichtigen Gespräch vorangehenden Tarifinformation (vgl ÖBl 2003, 22 - Das versteckte Mikrofon) vor dem Hintergrund des den angesprochenen Verkehrskreisen zuzusinnenden Verständnisses (Kenntnis von der Gebührenpflicht bestimmter Telefonnummern bzw der zu erwartenden Telefongebühren abhängig vom Standort und dem anzuwendenden Tarif für den Anrufer) übersteigt zweifellos bei weitem das, was für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig als rechtswidrig (leicht) erkennbar ist. Auch die Berufung der Klägerin auf die Entscheidung MR 2004, 46 - Pornotreffpunkt.at = RdW 2004, 213 ändert daran nichts, weil dort ein Wettbewerbsverstoß des unmittelbaren Täters nach § 2 UWG zu beurteilen war. Die Beurteilung eines Haftungsausschlusses in Allgemeinen Geschäftsbedingungen als sittenwidrig, ist erst recht juristischen Laien nicht ohne Weiteres möglich, mag die hier zu beurteilende Klausel auch von vornherein als sehr weitgehend erkennbar sein. Ob die Grenze des Zulässigen tatsächlich überschritten ist, ist jedenfalls für den juristischen Laien nur schwer zu beurteilen.
Ausgehend davon, dass die Zweitbeklagte in Bezug auf die hier klagegegenständlichen Beanstandungen mangels Offenkundigkeit der Rechtsverletzung keine (objektive) Pflichtverletzung angelastet werden darf, erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, ob die Reaktion der Zweitbeklagten als unverzüglich und ausreichend zu beurteilen ist. Auch der Oberste Gerichtshof vermag sich der von der Klägerin unter Berufung auf Kainz und Trappitsch in ecolex 2002, 737 ff vertretenen Auffassung nicht anzuschließen, wonach die Zweitbeklagte aufgrund der Information durch die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, die Rechtswidrigkeit des beanstandeten Werbeauftritts der Erstbeklagten näher überprüfen zu lassen. Im Hinblick auf die vertragliche Verpflichtung des Diensteanbieters gegenüber demjenigen, dem er seine technischen Dienste zur Verfügung stellt, ist ein Tätigwerden über den hier nicht vorliegenden Fall einer offenkundigen Rechtsverletzung hinaus nicht zumutbar. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.