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Beleidigung in Chat- oder Diskussionsforen

Kann aggressive Wortwahl im Chat strafrechtliche Folgen haben?

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Die Anonymität eines Chat-Forums verleitet manche dazu, Dinge zu tun, die sie von Angesicht zu Angesicht niemals tun würden (ein Umstand, den man im übrigen auch bei Autofahrern manchmal beobachten kann). Dass in derartigen Foren manchmal ein lockerer Ton herrscht, berechtigt noch niemanden verletzend zu werden. Der Verletzte muss Beleidigungen nicht hinnehmen, sondern kann gegen den Täter vorgehen, wobei es allerdings gewisse Hindernisse gibt.

Welche Delikte kommen in Betracht und worum geht es dabei? Vor allem sind es die sogenannten Ehrenbeleidigungsdelikte nach dem österreichischen Strafgesetzbuch (StGB):

1. Üble Nachrede (§ 111 StGB):

Tat: Unterstellen verächtlicher Eigenschaften, Gesinnung oder Verhaltens
Öffentlichkeit: in einer für (zumindest) einen Dritten wahrnehmbaren Weise
Strafe: Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen
(bei Öffentlichkeit (z.B. Internet) 1 Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen)
Strafausschluss: keine Strafe, wenn Behauptung wahr oder vermeintlich wahr

2. Beleidigung (§ 115 StGB): 

Tat: Beschimpfung, Verspottung oder Misshandlung (z.B. Ohrfeige)
Öffentlichkeit: öffentlich oder vor mehreren Leuten (mehr als 2 Unbeteiligte)
Strafe: Freiheitsstrafe bis zu 3 Monaten oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen
Strafausschluss: bei allgemein begreiflicher Entrüstung.

3. Verleumdung (§ 297 StGB):

Tat: wissentliches einer strafbaren Handlung Verdächtigen und dadurch Gefahr einer behördlichen Verfolgung Aussetzen
Öffentlichkeit: es genügt eine Person
Strafe: Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr, bei Vorwurf schwerer Delikte 6 Monate bis 5 Jahre
Strafausschluss: freiwillige Beseitigung der Gefahr vor einer tatsächlichen behördlichen Verfolgung

Näheres zu diesen Delikten

Die Abgrenzung zwischen Übler Nachrede und Beleidigung ist manchmal schwierig. Es kann dabei auf den Zusammenhang ankommen.

Beispiel: Der Ausdruck "Nazi" geht prinzipiell eher in die Richtung der Unterstellung einer Gesinnung, während der Ausdruck "Sau" eher in die Richtung Beschimpfung geht. Aus dem Zusammenhang kann sich aber auch ergeben, dass ersteres nur als Schimpfwort gemeint ist und zweiteres als Unterstellung einer Eigenschaft. Es ist also der Vorsatz maßgebend, dieser kann aber seinerseits nur aus den Begleitumständen erschlossen werden.

Üble Nachrede und Beleidigung sind sogenannte Privatanklagedelikte, d.h. sie werden nicht vom Staatsanwalt verfolgt, sondern der Beleidigte muss selbst als "Privatankläger" bei Gericht auftreten.

Neben strafrechtlicher Verfolgung droht im Falle einer öffentlichen Ehrenbeleidigung auch eine zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadenersatzklage nach § 1330 ABGB, die sehr teuer werden kann. Voraussetzung: Durch die Ehrenbeleidigung muss ein finanzieller Schaden entstanden sein oder drohen (Kreditschädigungsklage).

 

Kann jemand beleidigt werden, dessen Identität nicht bekannt ist?

Unter Umständen kommt es hier darauf an, ob der Beleidigte unter seinem wahren Namen auftritt oder unter einem regelmäßig verwendeten Pseudonym, unter dem er im Forum bereits bekannt ist, also eine gewisse Identität aufgebaut hat, sodass er von den regelmäßigen Chat-Teilnehmern unter diesem Namen identifiziert wird. Auch wenn seine wahre Identität dem Publikum nicht bekannt ist, wird ihm doch die Verwendung des Nick-Namens durch die Beleidigung verleidet. Handelt es sich dagegen um einen spontanen Nicknamen, der nur das eine Mal verwendet wurde, ist eine Zuordnung auch zu einer virtuellen Person nicht möglich und damit diese "Person" mangels Identifizierbarkeit nicht beleidigungsfähig.

 

Wirkt das lockerere Chat-Klima mildernd?

Dass in einem Chat an sich ein rüder Ton herrscht, kann bei diesen Delikten ausnahmsweise schon Berücksichtigung finden; man spricht in diesem Zusammenhang oft von "milieubedingter Unmutsäußerung"; d.h. die Worte "du Tr....." können in einem guten Milieu strafbar sein und in einem schlechten nicht.

Daneben kann eine Beleidigung, zu der man sich aus Entrüstung über das Verhalten des anderen hinreißen hat lassen, überhaupt straflos sein.

 

Haftung des Forum-Betreibers

Den Betreiber eines Chatforums trifft keine Verhinderungspflicht. Er muss also nicht ständig die Diskussion überwachen und darauf achten, ob sich eine Diskussion zuspitzt. Wenn einmal strafrechtlich relevante Inhalte im Forum stehen, kommt es darauf an:
Wird der Chatinhalt nach kurzer Zeit gelöscht, kann der Betreiber nicht mehr belangt werden; wird allerdings der Inhalt gespeichert und ist er längere Zeit frei zugänglich (vor allem bei Diskussionsforen von Belang), stellt sich die Frage, ob der Betreiber regelmäßig die Inhalte kontrollieren muss. Analog der Haftung von Providern wird man davon ausgehen müssen, dass der Betreiber erst tätig werden muss, wenn er von dritter Seite auf die bedenklichen Inhalte hingewiesen wird. Die Pflichten des Host-Providers (das ist jeder Dienste-Anbieter, der fremde Inhalte auf seinem Webspace speichern lässt) sind in § 16 ECG geregelt.

 

Probleme der strafrechtlichen Verfolgung

Wie kann jemand, der nur unter einem "Nick-Namen" auftritt, überhaupt strafrechtlich verfolgt werden? Hier sind grundsätzlich konventionelle Ausforschungsmöglichkeiten (Befragen des Betreibers und der Chat-Teilnehmer, soweit sie bekannt sind oder ermittelt werden können) als auch technische (Ermitteln der IP-Adresse des Anschlusses über die Server-Logs). Letzteres ist aber meist nur kurze Zeit möglich.
Den Betreiber des Chat- oder Diskussionsforums trifft gem. § 18 Abs. 4 ECG eine Auskunftspflicht.

 

Frist für die Verfolgung

Bei Privatanklagedelikten betrug die Frist für den Strafantrag bis 31.12.2007 6 Wochen ab Kenntnis, seither gilt nur mehr die allgemeine Verjährungsfrist nach den §§ 57 f StGB
Siehe dazu Näheres unter

Weitere Fragen können im Diskussionsforum erörtert werden.

24.11.2001 (letzte Ergänzungen 2008)

Franz Schmidbauer