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Auszählreime

Zur Problematik der Auskunft über die Inhaber von IP-Adressen durch die Access-Provider

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In letzter Zeit lassen immer häufiger Gerichtsentscheidungen zur Auskunftspflicht der Internetprovider aufhorchen. Das Frappante an dieser Thematik ist die Gegensätzlichkeit der Beurteilung. Die einen sehen darin überhaupt kein Problem, als handle es sich dabei um nichts anderes, als ein Nachschlagen im amtlichen Telefonbuch. Die anderen sehen Grundrechte wie Datenschutz, Schutz der Privatsphäre und Fernmeldegeheimnis bedroht. Auch die Gerichtsentscheidungen spiegeln diesen Meinungsstreit wider.

In dieser allgemeinen Rechtsunsicherheit lastet die Verantwortung auf dem Provider. Und ihm kann nicht einmal ein Rechtsanwalt helfen. Wenn er sich schützend vor seine Kunden stellt, ist er dem Lotteriespiel der Gerichtsentscheidung ausgesetzt. Einmal darf er, einmal darf er nicht, einmal muss er und dann darf er wiederum auf gar keinen Fall. Was also tun? Auszählreim, würfeln oder den teuren Weg durch die Instanzen?

Worum geht es? Wer einen "Täter" im Internet ausforschen will, kommt zunächst, wenn dieser nicht unter seinem natürlichen Namen und seiner Adresse kommuniziert, nur an die die IP-Adresse des Computers des Täters. Die Zuordnung dieser IP-Adresse zu einem bestimmten Internetanschlussinhaber kann nur der Accessprovider anhand seiner Datenaufzeichnungen treffen. Diese Daten unterliegen aber, da sie durch diese Zuordnung zu personenbezogenen Daten werden, dem Datenschutz. Nebenbei sei bemerkt, dass wohl nirgendwo so viele hochsensible Daten lagern wie bei den Internetprovidern. Das Missbrauchspotential ist daher unendlich groß.

Die Befürworter einer Auskunftspflicht gehen nun von einer sehr vordergründigen Einteilung der Telekommunikationsdaten aus. Auf den ersten Blick scheint die Zuordnung eines Namens zu einem Anschluss tatsächlich nur eine Bekanntgabe von Stammdaten zu sein. Das hängt auch damit zusammen, dass das TKG bei seinen diversen Regelungen immer von der Situation bei der Sprachtelefonie ausgeht. Dort ist die Frage, wer Inhaber eines bestimmten Anschlusses ist, aber tatsächlich relativ unverfänglich, wird doch dadurch kein Inhalt einer Kommunikation bekannt.

Auch bei der Beauskunftung der IP-Nummer werden per se keine Inhaltsdaten bekanntgegeben. Anders als bei der Sprachtelefonie sind aber die Inhalte der Kommunikation bekannt, weil diese internetöffentlich abgewickelt wird. Das Besondere an der Internetkommunikation - etwa in Tauschbörsensystemen oder Chatforen - ist, dass der Kommunikationsvorgang offen erfolgt. Geschützt ist die Kommunikation durch die Anonymität der Teilnehmer. Gerade diese Anonymität wird aber durch die Bekanntgabe des Inhabers einer IP-Nummer aufgehoben. Durch die Verknüpfung der bekannten Kommunikationsinhalte mit der bisher anonymen Person des Teilnehmers wird ein Kommunikationsvorgang in seiner Gesamtheit offengelegt. Damit ist aber das Kommunikationsgeheimnis sehr wohl betroffen.

Bei dieser Beurteilung ist auch zu berücksichtigen, dass das Kommunikationsgeheimnis des § 93 TKG auf dem Art. 10a Staatsgrundgesetz (Fernmeldegeheimnis) beruht und somit Verfassungsrang genießt. Eine Durchbrechung dieses Grundrechtes ist nur in gesetzlich genau geregelten Fällen und über richterliche Anordnung zulässig. Die einzige darauf anwendbare Bestimmung ist § 149a StPO und diese Bestimmung sieht - gerade wegen der Schwere des Eingriffes - relativ hohe Anforderungen an die Strafbarkeit des durch den Eingriff aufzuklärenden Deliktes vor.

Hinzu kommt, dass den Gerichten, wenn es um Ausnahmen vom Grundrechtsschutz geht, eine extensive Auslegung der Ausnahmebestimmung verwehrt ist; diese sind vielmehr einschränkend auszulegen, jeder Zweifel geht zu Lasten desjenigen, der die Durchbrechung des Grundrechtsschutzes verlangt. Die Gerichte lassen leider gelegentlich im Bereich der Grundrechte eine gewisse Sensibilität vermissen, was auch immer wieder zur Forderung nach einem der ordentlichen Gerichtsbarkeit übergeordneten Grundrechtsschutz, etwa durch den Verfassungsgerichtshof, führt (zuletzt erörtert im Verfassungskonvent).

Nicht unschuldig an der unbefriedigenden Situation ist auch der Gesetzgeber. Sein Interesse galt bei der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes primär wirtschaftlichen Interessen wie der Entbündelung und nicht dem in Internetzeiten immer dringlicher werdenden Schutz der Privatsphäre. Auch der Rechtsschutz im Strafverfahren ist im sensiblen Grundrechtsbereich äußerst schütter ausgestaltet. So gibt es bei Grundrechtseingriffen - ausgenommen bei der Freiheitsentziehung - nur äußerst dürftige Rechtsmittelmöglichkeiten. Zum Obersten Gerichtshof, der an sich die Grundrechtsproblematik regelmäßig sehr ernst nimmt, gelangt man mit "banalen" Auskunftsstreitigkeiten nicht (siehe Anmerkung unten). Wenn nicht bereits die Ratskammer, dieses seltsame Konstrukt einer Instanz innerhalb der ersten Instanz, Schluss ist, so jedenfalls beim Oberlandesgericht. Eine österreichweit einhellige Judikatur kann sich daher kaum herausbilden.

Und so werden die Interessenverbände der Musikindustrie weiterhin für ihre banalen finanziellen Interessen die Grundrechte mit Füßen treten dürfen. Jedenfalls dort, wo sie einen auskunftsfreudigen Richter finden. Wenn nicht überhaupt der Provider die Sache abkürzt und bereits auf das Anwaltsschreiben aus den Logdateien "plaudert". Schöne neue Welt!

7.3.2005

Siehe auch:

Franz Schmidbauer

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