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Das Urheberrecht als Sargnagel der Informationsgesellschaft? 

Gedanken zu einer weitergehenden Urheberrechtsnovelle

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Der Rechtsstaat ist eine nette Fiktion, setzt er doch voraus, dass sich alle an die Gesetze halten. Dazu müssen diese Gesetze aber zunächst einmal allen bekannt sein. Bei der seit Jahrzehnten beklagten Gesetzesflut ist das allerdings sogar für Juristen unmöglich. So hat man sich darauf verständigt, dass jeder zumindest die grundsätzlichen Regelungen jener Gesetze kennen muss, mit denen er konkret zu tun hat. Die wichtigsten sind wohl das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Strafgesetzbuch; wenn man Verkehrsteilnehmer ist, die StVO, usw. In diesen Fällen schützt Gesetzesunkenntnis auch nicht vor Strafe.

Daneben gibt es unzählige Sondermaterien für mehr oder minder Spezialisten. Diese sehen häufig strengere Haftungsmaßstäbe vor. Das ist gerechtfertigt, weil man von Fachleuten mehr Fachwissen verlangen kann. Jetzt kann es dazu kommen, dass durch Änderungen in unserer Umwelt das Gefüge dieser Rechtsnormen durcheinander gerät. Dies ist etwa beim Urheberrecht geschehen. Lange Zeit war dies eine Materie, mit der sich nur wenige Juristen befasst haben, die im Bereich der Medien oder der Verwertungsgesellschaften tätig waren. Auch bei den Gerichten waren Fälle mit Urheberrechtsbezug ganz seltene Ausnahmen.

Es waren im wesentlichen zwei technische Neuerungen, die dazu geführt haben, dass alles anders geworden ist: das Internet und die digitale Kopie. Beide sind innerhalb weniger Jahre zu Massenerscheinungen geworden, die die Urheberrechtsindustrie das Fürchten gelehrt haben. Von entgangenen Beträgen in Milliardenhöhe war die Rede. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis der Druck auf den Gesetzgeber zu gesetzlichen Anpassungen führen würde. Mit dem Inkrafttreten der Urheberrechtsgesetznovelle 2003 ist Österreich der Vorgabe der EU-Richtlinie gefolgt. Es soll hier nicht Sinn oder Unsinn der neuen Regelungen behandelt werden, sondern nur der Frage nachgegangen werden, ob die Anpassung an die geänderten Umstände wirklich umfassend erfolgt ist. Und hier stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber nicht etwas einäugig an seine Aufgabe herangegangen ist. Aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass er sich nur auf das Allernotwendigste beschränkt hat, und das war eben der Auftrag der EU, deren zeitliche Vorgaben für die Umsetzung ohnedies schon abgelaufen sind. Die Einseitigkeit der Interessenverfolgung nimmt also möglicherweise bereits dort ihren Anfang, was aber Österreich nicht gehindert hätte, weitergehende Adaptionen des UrhG vorzunehmen, solange sie nicht im Widerspruch mit der Richtlinie stehen.

Internet und digitale Kopie haben dazu geführt, dass das Urheberrecht in unserer Gesellschaft allgegenwärtig geworden ist. Nur: Niemand merkt es und es gibt daher auch kaum ein Unrechtsbewusstsein. Die freie und kostenlose Zugänglichkeit im Internet führt dazu, dass es als Selbstbedienungsladen gebraucht wird und die Möglichkeiten der digitalen Kopie lassen die Brenner heißlaufen. Ich muss im Rahmen meines Forums auf Internet4jurists immer wieder feststellen, dass sich nicht einmal professionell tätige Web-Dienstleister bewusst sind, wo das Urheberrecht beginnt und wo es endet. Wie soll man das aber dann von den Hunderttausenden privaten Website-Betreibern verlangen? Und wie von unseren Kindern, die schnell das neue PC-Game oder den neuen Hit von Madonna für den Freund oder die Freundin kopieren oder ihre MP3-Sammlung bei der Tauschbörse XY anbieten?

Urheberrechtsverletzungen sind ein Massensport geworden, so scheint es. Der Begriff des "geistigen Diebstahles" dürfte die meisten überfordern. Ein bedauerlicher Zustand - den man ändern sollte. Aber rechtfertigt das, Studenten mit Milliarden-Dollar-Klagen einzudecken (ORF-Artikel vom23.4.2003) oder Schüler an den Pranger zu stellen (ORF-Artikel vom 25.4.2003)? Sie meinen, das ist alles weit weg und in Österreich ganz anders? Dann sollten Sie einmal einen Blick in das österreichische Urheberrechtsgesetz werfen. Nehmen Sie ruhig das alte, die Bestimmungen, um die es hier geht, haben sich durch die Novelle nicht geändert.

Ich möchte hier nur die wichtigsten Punkte anführen:

Die Strenge dieser Regelungen stammt aus der Zeit, in der auch die urheberrechtsrelevanten Berufe noch fest in der Hand von Fachleuten waren. Der private Webdesigner ist damit völlig überfordert. Er verfügt weder über das Wissen, noch über das Kapital, einen Prozess finanzieren zu können. Der Staat, der einerseits zu Recht - die Verbreitung des Internet mit allen Mitteln fördert, sollte daher auch den Haftungsrahmen auf ein erträgliches Maß heruntersetzen. Er fördert schließlich auch schon seit langem die Wirtschaft, indem er die Haftung im Rahmen von Gesellschaften begrenzt. Die wichtigste Anpassungsmaßnahme im Urheberrecht wäre, dass der unwissende Urheberrechtsverletzer durch eine Aufforderung die Möglichkeit der Beseitigung bekommt, bevor er geklagt werden kann. Ein kleiner Aufwand für den Gesetzgeber und gleichzeitig eine große Erleichterung für den Bürger im Internet. Ein solcher Schritt würde dem Rechtsverständnis der Bevölkerung entgegenkommen und die Urheber nicht mit Kosten belasten. Eine E-Mail ist wohl jedermann zumutbar.

Neben diesen zivilrechtlichen Vorschriften gibt es im Urheberrechtsgesetz auch Straftatbestände, etwa für Raubkopieren. Hier besteht aber weniger Anpassungsbedarf, weil die Tatbestände keine Strafuntergrenze aufweisen und das Gericht im Rahmen der Verschuldensabwägung ohnedies bei der Strafbemessung alle Umstände für und wider den Beschuldigten zu berücksichtigen hat. 

Die Urhebergesetznovelle 2003 wäre eine gute Gelegenheit gewesen, nicht nur die neuen Interessen der Urheberrechtsindustrie zu berücksichtigen, sondern auch den Schutz des Konsumenten den geänderten Verhältnissen anzupassen. Man kann nur hoffen, dass die derzeitigen Möglichkeiten des Urheberrechts im Internet nicht ausgeschöpft werden. Einige spektakuläre Klagen gegen kleine Anbieter könnten genügen, um das Gefühl entstehen zu lassen, dass ein Webauftritt mit unabsehbaren Risiken verbunden ist (die, nebenbei bemerkt, auch von den meisten Versicherungen nicht abgedeckt werden). Das könnte der Sargnagel für die Weiterentwicklung des österreichischen Internets sein.

27.4.2003

Franz Schmidbauer

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