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Die Angst vor der digitalen Kopie

Gedanken zur Urheberrechtsnovelle 2003

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Ist die Reform des österreichischen Urheberrechtsgesetzes lange Zeit im Stillen vor sich gegangen, so, als sei niemand davon betroffen, hat sich in letzter Zeit die Diskussion vor allem an der digitalen Kopie entzündet. An dieser Diskussion hat sich auch gezeigt, wie wichtig eine eingehendere Aufbereitung dieses Themas gewesen wäre, hätte doch dabei die Möglichkeit bestanden, überhaupt einmal zu vermitteln, worum es beim Urheberrecht geht und was erlaubt und was verboten ist. Schließlich rückt das Urheberrecht immer mehr ins Zentrum der Konflikte in der Informationsgesellschaft, sodass grundsätzliche Kenntnisse immer häufiger von Nutzen sind.

Bei der Diskussion um die digitale Kopie ging es vor allem um das Brennen von CD's und DVD's, um Kopierschutz, MP3's und Tauschbörsen. Es gehen aber nicht nur in der Diskussion die Argumente wild durcheinander, man hat vielmehr den Eindruck, dass ein ganzer Industriezweig, und noch dazu ein sehr mächtiger, in Panik geraten ist. Der rasante Fortschritt der Technik hat zu einer Entwicklung geführt, von der das Urheberrecht  regelrecht überholt worden ist. Das kann man hier durchaus wörtlich nehmen, werden doch Verwertungsrechte millionenfach missachtet. Nachdem angesichts dieses Ausmaßes eine Abwehr mit Hilfe des Rechts aussichtslos erschien (würden alle Rechteverletzer geklagt werden, würden die Justizsysteme zusammenbrechen), hat die Musik und Filmindustrie versucht, das Problem technisch zu lösen. Das Experimentieren mit verschiedenen Kopierschutzeinrichtungen war angesichts der auf dem Fuße folgenden Crack-Programme nicht sehr erfolgreich. Also wandte man sich wieder dem Recht zu und erreichte ein Verbot des Knackens. Und das ist der momentane Stand in Österreich, wenn die Urheberrechtsgesetznovelle wie vorgesehen beschlossen wird und am 1.7.2003 in Kraft tritt. Diese Entwicklung ist natürlich keine spezifisch österreichische, sondern geht von Amerika aus, wo die Großen der Musik- und Filmindustrie sitzen und gelangt über die EU in Form von Richtlinien in das nationale Recht. Der Gestaltungsfreiraum des österreichischen Gesetzgebers ist hier gleich Null - ein Nebenaspekt der Globalisierung.

Insgesamt hat man den Eindruck, dass hier eine Branche schwer mit dem Strukturwandel kämpft. Der momentane Stand ist weder technisch noch rechtlich ausgereift. Das liegt zum Teil auch daran, dass die technische und gesellschaftliche Entwicklung der rechtlichen davonläuft. Die unmittelbare Wurzel der jetzigen Novelle liegt in der EU-Informationsrichtlinie vom 22. Mai 2001, ist also, bezogen auf die technische Entwicklung uralt. Welche Bedeutung hatte 2001 schon Kopierschutz bei Audio-CD's? Berücksichtigt man noch, dass auch die Entstehung der Richtlinie lange gedauert hat, erkennt man, wie eingeschränkt die Möglichkeit ist, mit Hilfe des Rechts auf rasche Veränderungen zu reagieren.

Privatkopie und Umgehungsverbot

Im Zuge der Diskussion wurde immer wieder zur Beruhigung der Konsumenten darauf hingewiesen, dass das "Recht auf Privatkopie" nicht angetastet wird. Das stimmt nur zum Teil. Einerseits wurde generell durch die Novelle das allgemeine "Recht auf Vervielfältigung" (§ 42 UrhG) eingeschränkt. War es bisher zulässig, von einem Werk eine Kopie "zum eigenen Gebrauch" herzustellen, ist dies in Zukunft nur mehr "zum privaten Gebrauch" vorgesehen. Der Unterschied liegt darin, dass "zum eigenen Gebrauch" weiter gefasst war und auch juristische Personen, also beispielsweise Firmen erfasste (firmeninterner Gebrauch). In Zukunft ist letzteres nur mehr auf "analogen" Medien zulässig, also etwa auf Papier.

Die zweite Einschränkung ergibt sich dadurch, dass auch zur Erstellung einer Kopie "zum privaten Gebrauch" die Umgehung eines Kopierschutzes unzulässig ist. Die Regelung dieses Verbotes von Kopierschutzumgehungen ist relativ kompliziert und streng (§ 90c neu). Neben dem Repertoire an zivilrechtlichen Ansprüchen ist auch eine strafrechtliche Sanktion vorgesehen (bis 360 Tagessätze, wobei sich die Höhe des Tagessatzes nach dem Einkommen richtet). Verboten ist insbesondere die Umgehungshandlung, also der Einsatz von "Crack-Programmen", nicht aber deren bloßer Besitz.

Verboten ist nur das Knacken eines "wirksamen Schutzes". Dabei stellt sich die Frage, wo die Grenze ist. Inwieweit kann ein Schutz überhaupt wirksam sein, wenn er geknackt werden kann? Hier ist das Gesetz relativ rigoros. Der Kopierschutz wird bereits dadurch zu einem "wirksamen", dass er im "normalen Betrieb", also "CD einlegen, Start drücken" das Kopieren verhindert. Damit ist praktisch jedes Austricksen strafbar, auch das beliebte Übermalen des Kopierschutzes am Beginn der CD mit Filzstift. Nicht verboten ist das Umgehen des Kopierschutzes jedoch mit Playern, die den Umgehungsmechanismus bereits eingebaut haben.

Zulässige Umgehungen

Entgegen immer wieder geäußerter Meinung schließt das Verbot der Kopierschutzumgehung die Anfertigung einer Kopie aber nicht aus. Man kann nämlich jede Audio-CD ganz einfach analog kopieren, so wie dies früher geschehen ist, indem der Ausgang eines CD-Players mit dem Eingang eines Aufnahmegerätes (Tonband, Minidisc, aber auch PC) verbunden wird. Der Haken dabei ist, dass auf diese Weise, anders als beim Kopieren am PC, nur mit einfacher Geschwindigkeit kopiert werden kann, d.h. man benötigt für eine CD 50 Minuten anstelle von 5. Qualitativ muss die Kopie allerdings nicht schlechter sein, insbesondere wenn über die, bei neueren Geräten meist vorhandenen, digitalen Aus- und Eingänge (SPDIF) kopiert wird. Entgegen weit verbreiteter Meinung zählt beim digitalen Kopieren auch nicht so sehr das Qualitätsargument, sondern vielmehr der Geschwindigkeitsvorteil - und genau den will man den Raubkopierern wegnehmen. Das Kopierschutz-Umgehungsverbot erweist sich daher als bloße Erschwerung des Kopierens.

(Ergänzung vom 21.9.2003) Dass die Umgehung des Kopierschutzes mittels eines handelsüblichen - also nicht selbst umgebauten - CD-Players in Österreich nicht rechtswidrig ist, kann man aus § 90c Abs. 3 schließen, wo definiert ist, was ein Umgehungsmittel ist. Aus Ziffer 2 dieser Bestimmung ("die, abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen, nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben") schließe ich, dass die Verwendung etwa eines Plextor-CD-Laufwerkes, das primär zum Abspielen und legalen Brennen normaler CDs bestimmt ist und das nur nebenbei auch Kopierschutzmaßnahmen missachtet, nicht rechtswidrig ist.

Mehr Probleme als Lösungen

Wie üblich bei solchen Maßnahmen, werden dadurch vor allem die ehrlichen Käufer von Musik-CD's getroffen. Kauft nämlich jemand eine der immer häufigeren kopiergeschützten CD's, so muss er unter Umständen feststellen, dass er sie weder auf der HIFI-Anlage im Wohnzimmer spielen kann, weil dort mittlerweile ein DVD-Player den Platz des alten CD-Spielers eingenommen hat, noch im Auto-CD-Player noch am Computer, der auch zunehmend die Rolle eines Mulitmediacenters übernimmt. Und schnell die CD auf einen MP3-Player (wer hat heute schon noch einen Walkman) übertragen, damit man beim Joggen Musik hören kann, geht auch nicht. Natürlich lassen sich alle diese Probleme auch mit rechtlich zulässigen Mitteln lösen, aber es ist halt zeitaufwändiger und komplizierter.

Ein solchermaßen verärgerter CD-Käufer hat natürlich die Möglichkeit, die CD zurückzubringen und Wandlung zu begehren. Schließlich entspricht sie nicht den gewöhnlich bedungenen Eigenschaften, sie spielt nicht und ist daher mangelhaft. Insoferne ist die österreichische Lösung im Vergleich zur deutschen, wo ein Warnhinweis auf der CD-Hülle verlangt wird, sogar konsumentenfreundlicher, weil der Käufer nicht mit Problemen beim Abspielen rechnen muss. Nur nebenbei sei bemerkt, dass kopiergeschützte CD's auch nicht dem CD-Audio-Standard entsprechen und damit auch das CDDA-Logo nicht tragen dürften. Jemand hat daher schon den Begriff der "UN-CD" geprägt.

Verbleibt die Frage nach dem "Wozu" von Kopierschutz und Umgehungsverbot. Ausgerichtet sind diese Maßnahmen natürlich nicht auf den CD-Käufer, der sich eine Privatkopie fürs Auto herstellen will, sondern auf die Weitergabe von Musikstücken mittels gebrannter CD's und via Tauschbörsen im Internet. Auch das kann natürlich mit diesen Maßnahmen nicht unterbunden, sondern nur erschwert werden, weil, wie oben dargestellt, Kopien auch bei kopiergeschützten Medien mit rechtlich zulässigen Mitteln erzeugt werden können. Der Trugschluss bei diesem Modell liegt aber darin, dass man realistischerweise nicht erwarten kann, dass jemand, der sowieso schon das Urheberrecht verletzt, indem er verbotene Kopien herstellt, sich durch ein Verbot von Umgehungsmaßnahmen abhalten lässt. Die Weitergabe von Kopien, sei es in Form von CDR's, sei es im Internet als MP3 ist nämlich sowieso unzulässig, weil das Kopieren nur zum (eigenen) privaten Gebrauch zulässig ist, aber jedenfalls nicht für einen anderen oder gar zur Veröffentlichung im Internet. Die Konsequenz daraus ist, dass mit diesen Maßnahmen also überhaupt nur der ehrliche CD-Käufer getroffen wird. Der Schuss der Musikindustrie kann also durchaus nach hinten losgehen. Jene, die bisher raubkopiert haben, kopieren weiter, und diejenigen, denen man das Kaufen vermiest, suchen sich die Musik in Zukunft auch im Internet. Man sollte sich daher möglichst schnell ein besseres Modell einfallen lassen. Hinzu kommt, dass auch die EU-Regelung bezüglich des Umgehungsverbotes als Experimentierphase verstanden wurde und man abwarten wollte, wie das Problem von der Industrie gelöst wird.

Verbot des digitalen Pressespiegels

Die Angst vor der digitalen Kopie ist aber nicht nur auf den Musik- und Filmbereich beschränkt. Der beliebte Pressespiegel hat auch längst seinen digitalen Nachfolger bekommen. Artikel werden heute nicht mehr aus der Zeitung ausgeschnitten und fein säuberlich in Mappen geklebt, sondern digital archiviert und im Intranet oder Internet zur Verfügung gestellt. Mit diesen Vervielfältigungen soll jetzt auch Schluss sein. § 42 Abs. 3 UrhG schränkt nämlich das Kopieren von Zeitungsartikeln über Tagesereignisse ein auf "analoge Träger". In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage findet sich zwar die Bemerkung, dass das nicht zu eng gesehen werden dürfe und auch für eingescannte Artikel gelte, insoweit dabei nur ein Abbild der Papiervorlage geschaffen werde *). Das führt bei Online-Artikeln zu einem geradezu skurillen Ergebnis: Der Artikel müsste zur Herstellung einer rechtmäßigen Kopie auf Papier ausgedruckt und dann wieder eingescannt werden oder als Bildschirmkopie (Problem des Scrollens) übernommen werden; eine einfache direkte digitale Kopie des Textes wäre unzulässig. Diese Meinung deckt sich auch mit einer Entscheidung des BGH (Urteil vom 11.7.2002, I ZR 255/00). Begründet wird dies damit, dass bei der Anlage eines Pressespiegel-Textarchives durch die Ermöglichung der Volltext-Recherche eine zusätzliche Nutzungsart entstehen würde, die als neue Verwertungsart dem Urheber vorbehalten sei. Es stellt sich die Frage, ob durch solche Maßnahmen nicht der Urheberrechtsschutz übertrieben wird, schließlich hat der Textautor ja nicht nur ein Interesse an der Abgeltung seiner Leistung, sondern primär einmal daran, dass seine Werke gelesen werden; und wieviele Leser werden schon für alte Presseartikel etwas bezahlen?

Umgangen werden kann die Problematik der digitalen Kopie bei Online-Presseartikeln dadurch, dass der Artikel nicht als Kopie übernommen wird, sondern indem nur auf die Fundstelle gelinkt wird; dies setzt allerdings voraus, dass der Artikel an seiner Veröffentlichungsstelle über längere Zeit verbleibt, was nicht bei allen Online-Medien der Fall ist.

Ausblick

Die vorliegende Urheberrechtsreform ist in vielerlei Hinsicht ein Experiment. Ob sie an den bestehenden Zuständen etwas ändern wird, ist mehr als fragwürdig. Möglicherweise ist durch die Entwicklung in Kürze ohnedies wieder alles überholt. Es stellt sich nur die Frage, ob die Entwicklung in Richtung Urheberrechtsschutz (Stichworte DRM und Palladium) gehen wird oder in Richtung Informationsfreiheit. 

28.4.2003

Nachtrag vom 27.11.2003:

Tatsächlich ist gerade in diesem Punkt im Nationalrat noch eine Abänderung erfolgt; abgestellt wird jetzt darauf, dass nur eine analoge Nutzung möglich ist; d.h. es kommt auf die Nutzungsmöglichkeit und nicht auf das Verfahren an. Damit ist das Abspeichern als Image-Datei zulässig, weil dadurch keine weitergehende Nutzungsart (Datenbank mit Suchfunktion, oder leichte Text-Entnahmemöglichkeit) geschaffen wird.

Franz Schmidbauer

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