Friendfinder - Ausbeutung von Mobilfunkdaten
OGH, Beschluss vom 15.9.2005, 4 Ob 113/05d
UWG § 1
***** Zusammenfassung *****
Ein Detektiv zeichnete landesweit alle Cell-IDs eines Mobilfunkanbieters auf und bot damit einen Überwachungsdienst an, der darauf basierte, dass er an Fahrzeugen oder Gegenständen Mobilfunktelefone anbrachte, über die er jederzeit feststellen konnte in welchem Gebiet sich der Überwachte befand. Der Mobilfunkanbieter klagte auf Unterlassung, weil der Beklagte die enormen Investitionen der Klägerin in ihr Netz ausbeute und sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffe.
Das Erstgericht wies den Antrag auf EV ab; das Rekursgericht erließ die EV.
Der OGH gibt dem Revisionsrekurs keine Folge. Wer ohne jede eigene Leistung, ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang das ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ganz oder in erheblichen Teilen glatt übernimmt, um so dem Geschädigten mit dessen eigener mühevoller und kostspieliger Leistung Konkurrenz zu machen, handelt sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Die kommerzielle Nutzung der von Mobilfunknetzen ausgesendeten Kennzeichnungen der einzelnen Zellen (Cell-ID) durch Dritte ist eine derartige Ausbeutung. Der Beklagte verwendet nicht eine ihm unentgeltlich zukommende oder von ihm abgegoltene Leistung für weitere Zwecke, sondern er verschafft sich durch technische Hilfsmittel Zugang zu Daten, die zwar der Leistung zu Grunde liegen, aber nicht für den Leistungsempfänger bestimmt sind. Er konkurriere dabei auch mit eigenen "Location Based Services" der Klägerin. (Das Verfahren wurde in der Hauptsache mit Vergleich beendet).
- Anmerkung: Das Aussenden der Cell-ID ist Teil des Mobilfunkstandards GSM und keine Erfindung der Klägerin. Die Cell-ID ist mit dem Standort der Zelle verknüpft und wird von allen Mobilfunktelefonen im Senderbereich zum Zweck der Bestimmung der besten Empfangsmöglichkeiten benutzt; die Klägerin hat nur das Netz errichtet. Der Beklagte nutzt dieses technische Feature des GSM-Standards - und nicht einen speziellen Service der Klägerin - für seine Zwecke. Dabei bezahlt er auch für das jeweilige Handy (Sim-Card) an die Klägerin Grundgebühr und SMS-Gebühr. Für das Empfangen der Cell-ID wird keine Leitungskapazität beansprucht; dies geschieht passiv wie bei einem Rundfunkempfänger. Es ist daher höchst zweifelhaft, worin hier ein Ausbeuten liegen soll. Der Grat zwischen Nutzung und Ausbeutung ist jedenfalls ziemlich schmal. Wenn sich diese Judikatur durchsetzt, könnte auch die ASFINAG auf die Idee kommen, dass ein Autofahrer, der ihre Einrichtungen nicht nur zum Fahren nutzt, sondern von einem Autobahnparkplatz aus die Landschaft fotographiert, ihre Leistungen ausbeutet. Welch Perversion juristischen Denkens!
***** Entscheidung *****
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T-***** GmbH, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei DI Markus S*****, Schönbrunnerstraße 50, vertreten durch Dr. Martin Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Leistung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR; Revisionsrekursinteresse 24.000 EUR), über den Revisionsrekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 23. März 2005, GZ 5 R 177/04t-13, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. August 2004, GZ 18 Cg 71/04m-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge geben.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig, die Klägerin die
Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Begründung:
Die Klägerin betreibt ein österreichweites Mobiltelefonnetz und bietet neben der „klassischen" Telefoniedienstleistung (Sprachtelefonie und SMS) auch Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ortung von Mobiltelefonen (Location Based Services) an. Zu letzteren gehören unter anderem die Produkte „Friendfinder" für Privat- und „Fleet-Manager" für Geschäftskunden.
„Friendfinder" ist ein Mehrwertdienst, mit dem der Kunde abfragen kann, wo sich speziell registrierte „Freunde" des Nutzers im Moment befinden. Lokalisiert werden können nur jene „Freunde", die sich selbst für den „Friendfinder" registriert haben und ihre Zustimmung dazu geben. Bevor ein „Freund" von einem anderen „Freund" positioniert werden kann, erhält er zunächst eine SMS. Möchte er nicht gefunden werden, kann er die Ortung mittels Knopfdruck verweigern. Die Ortsinformationen werden durch die vom jeweiligen Mobiltelefon gerade verwendeten Funkzellen ermittelt. „Friendfinder" wendet sich an Private („Freunde oder Familienmitglieder"). „Fleet-Manager" ist ein auf dem Internet basierendes Service für die Online-Ortung von Fahrzeugen, Personen oder anderen mobilen Objekten. Damit lässt sich die aktuelle Position der Objekte, Fahrzeuge oder Personen, die ein Mobiltelefon mit sich führen, anzeigen. Die Ortung kann dabei entweder über GPS (Satellitenortung) oder auf Netzbasis (Location Based Service) über ein Mobiltelefon erfolgen.
„Fleet-Manager" ist somit in der Lage, den Benutzer ständig über die genauen Standorte einer Fahrzeugflotte, bestimmter Personen oder Pakete zu informieren. Die jeweiligen Standortinformationen des Mobiltelefons werden auf Straßenkarten und als Textinformation dargestellt. „Fleet-Manager" wendet sich an Speditionen und Frächter ebenso wie an Taxi- und Botendienste sowie an alle Unternehmen, die den Einsatz mobiler Mitarbeiter steuern. Zielrichtung sind also Unternehmen mit Flottenbetrieb, die zu Logistikzwecken Soll- und Istpositionen vergleichen wollen.
Der Beklagte betreibt ein konzessioniertes Detektivunternehmen. Über die Internet-Seite www.e*****.at bietet er öffentlich und gewerblich Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ortung von Mobiltelefonen an. Sein Produkt trägt den Namen „e*****" und ist geeignet, die geografische Position eines bestimmten (vorher entsprechend konfigurierten) Mobiltelefons im Internet darzustellen. Als weitere Funktion können einzelne Standortbestimmungen zu einem Bewegungsprofil zusammengefasst werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, das Produkt als Bewegungsmelder und Abhörgerät einzusetzen. Auf diese Weise können sowohl der Standort einer Person, die das jeweilige Mobiltelefon mit sich führt, als auch der Standort diverser Gegenstände, in denen sich das Mobiltelefon befindet, festgestellt werden. Es handelt sich um eine Dienstleistung aus dem Bereich der „Location Based Services". Die Steuerung und Auswertung erfolgt jeweils über das Internet. „e*****" soll im `Bereich des Diebstahlschutzes und der Überwachung Anwendung finden. Zu diesem Zweck werden zusätzlich auch Alarmfunktionen angeboten.
Technische Grundlagen: Im Mobiltelefonnetz der Klägerin kommunizieren die Mobiltelefone ständig mit einer Funkstation, der Basisstation. Solche Basisstationen befinden sich in der Regel auf Sendemasten, aufgestellt an erhöhten Punkten wie auf Hausdächern, Kirchtürmen oder Bergen. Von dort aus wird das Gespräch zu einer übergeordneten Vermittlungsstelle per Festnetzleitung oder Richtfunkstrecke und von dort aus zu den Hauptverbindungscomputern des jeweiligen Netzbetreibers weitergeleitet und zum Telefonanschluss des Gesprächsempfängers vermittelt. Der Hauptverbindungscomputer ist ständig über den Aufenthaltsraum aller eingeschalteten Mobiltelefone seines Netzes informiert. Das Versorgungsgebiet eines Mobiltelefonnetzes ist in viele Funkzellen aufgeteilt, deren Ausdehnung stark variieren kann. Eine Funkzelle ist der geografische Bereich, der von einem bestimmten Sendemast, an dem sich die Basisstation befindet, mit Funksignalen versorgt wird. Um stets den bestmöglichen Empfang zu gewährleisten, verbindet sich ein Mobiltelefon immer mit derjenigen Basisstation, deren Signal am besten zu empfangen ist. Bewegt sich der Besitzer eines Mobiltelefons in eine benachbarte Funkzelle, so bewirkt dies den (vom Benutzer des Mobiltelefons unbemerkten) Wechsel der Funkverbindung in die benachbarte Funkzelle. Eine Basisstation sendet über einen Broadcast-Kanal ständig Daten, welche unter anderem eine eindeutige Nummer der Basisstation („Cell-ID") sowie des Netzbetreibers und eine Landeskennzahl enthalten. Ein eingeschaltetes und in ein Mobiltelefonnetz eingebuchtes Mobiltelefon empfängt ständig die „Cell-ID" einer Basisstation. Dadurch lässt sich jederzeit sein geografischer Standort ermitteln.
„Cell-ID", Landeskennzahl und eindeutige Nummer des Betreibers sind technische Informationen, deren technische Erfassung, also das „Auslesen", von den jeweiligen Basisstationen mit handelsüblichen Mobiltelefonen unter Verwendung einer zusätzlichen Spezialsoftware grundsätzlich möglich ist, obwohl diese Daten für die Kunden der Klägerin nicht direkt bestimmt sind, sondern erst indirekt durch Zusatzleistungen („Location Based Services") nutzbar gemacht werden. Diese Daten werden stets automatisch durch das Mobiltelefon erfasst und den Kunden der Klägerin nicht angezeigt.
Beim Produkt des Beklagten konfiguriert der Benutzer sein Mobiltelefon mit einem speziellen Stecker. Er stellt über seinen Computer mittels Internet eine Verbindung zum Server des Beklagten her und veranlasst den Server zur Absendung einer SMS über ein am Server angeschlossenes Mobiltelefon an das zu ortende Mobiltelefon. Diese SMS enthält bestimmte Befehle an das empfangende Mobiltelefon, das die SMS nach Empfang weiterverarbeitet. Es liest dabei mit Hilfe des Steckers die „Cell-ID" der gerade benutzten Basisstation aus und sendet diese Daten - wiederum per SMS - zurück an den Server des Beklagten, der die Daten, darunter die „Cell-ID", nach Empfang ausgewertet. Die übermittelte „Cell-ID" der gerade verwendeten Basisstation wird dabei mit Standortdaten zu dieser Funkzelle und dem entsprechenden Kartenmaterial verknüpft. Auf diese Weise gelingt es dem Server, den Standort des Mobiltelefons sowohl in Textform als auch grafisch auf einer Karte darzustellen. Dabei kann etwa im städtischen Bereich aufgrund der hohen Funkzellendichte eine Ortungsgenauigkeit von 100 bis 200 Metern erzielt werden.
Um die vom zu ortenden Mobiltelefon übermittelten „Cell-IDs" der Basisstationen in diesem Sinn auswerten zu können, benötigt man die Information darüber, an welchem Standort sich welche Basisstation mit welcher „Cell-ID" befindet. Der Beklagte hat dazu eine Lokalisierung der jeweiligen Masten vorgenommen, indem er über einen längeren Zeitraum mehrere Mitarbeiter ausgesandt hat, die nahezu das gesamte Straßennetz mehrfach abfuhren und mittels Messungen Standortbestimmungen der jeweiligen Sendemasten mit den jeweiligen individuellen „Cell-IDs" vornahmen.
Die Klägerin begehrt - soweit dies noch Gegenstand des Provisorialverfahrens ist - zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, dem Beklagten zu verbieten, zu Zwecken des Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr Funksignale und Daten aus dem gesamten Mobiltelefonnetz der Klägerin zum Zweck der Standortbestimmung von Mobiltelefonen im Rahmen des Betriebs des Systems „e*****" oder vergleichbarer Systeme zur Standordbestimmung von Mobiltelefonen zu ermitteln, zu verarbeiten, zu übermitteln und zu verwerten sowie das System „e*****" und sämtliche bestehende und zukünftige, in Funktionsweise und Anwendung vergleichbare Systeme unter Hinweis auf die Verwendbarkeit im Mobiltelefonnetz der Klägerin zu bewerben und zu vertreiben. Der Beklagte verstoße gegen § 1 UWG. Er beute einerseits die Funktionalität des Mobiltelefonnetzes der Klägerin aus, indem er unter Verwendung der „Cell-IDs" der Basisstationen deren geografische Standorte ermittle. Während die Klägerin mit hohem technischen, administrativen und finanziellen Aufwand ihr österreichweites Mobiltelefonnetz aufgebaut habe, beute der Beklagte mit geschätzten Hardware-Kosten von rund 3.000 EUR diese Investitionen aus und verschaffe sich damit gegenüber der Klägerin einen Wettbewerbsvorteil. Andererseits verhalte sich der Beklagte auch gegenüber der Klägerin vertragswidrig. Er habe mit ihr einen Vertrag über die Erbringung von Telefoniedienstleistungen zu einer bestimmten Mobiltelefonnummer geschlossen. Durch Verwendung der dazugehörigen SIM-Karte für „e*****" verstoße er gegen § 5 Abs 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, der unter anderem die gewerbsmäßige Nutzung der SIM-Karte insbesondere beim Angebot von Diensten für oder von Dritten untersage. Zwischen den Parteien bestehe ein Wettbewerbsverhältnis, weil sich beide mit ihren Produkten an Personen und Unternehmen wendeten, die Interesse an der Ortung von Personen, Fahrzeugen oder anderen mobilen Objekten hätten.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Zwischen den Parteien bestehe im Hinblick auf die unterschiedliche technische Funktionsweise ihrer Produkte kein Wettbewerbsverhältnis; es würden völlig andere Kundenschichten angesprochen. Im Übrigen komme eine Beeinträchtigung der Geschäfte der Klägerin durch den Beklagten gar nicht in Betracht. Während die Klägerin - neben wenigen Mitbewerbern - auf dem „boomenden Markt Mobiltelefonie im weitesten Sinn" tätig sei, stehe „e*****" des Beklagten gegenwärtig lediglich bei einem halben Dutzend Kunden in Verwendung. Der Beklagte beute auch nicht Leistungen der Klägerin aus. Fast alle handelsüblichen Mobiltelefone könnten „Cell-IDs" der Basisstationen anzeigen, eine besondere Software sei dazu nicht nötig. Dass eine Basisstation eine „Cell-ID" aussende, sei keine Errungenschaft der Klägerin, sondern dem System technisch immanent und daher technisch notwendiges „Abfallprodukt", das im Verhältnis zum Hauptgeschäft der Klägerin, nämlich dem Anbieten von Telefoniedienstleistungen, völlig in den Hintergrund trete. Dafür bestehe keinerlei Sonderschutz. Dem Beklagten sei für den Aufbau von „e*****", insbesondere bei der Zuordnung der „Cell-IDs" zu den einzelnen Basisstationen, ein Aufwand von rund 100.000 EUR entstanden. Auch eine Vertragsverletzung sei nicht erfolgt, weil kein Dritter die SIM-Karte der Klägerin missbräuchlich verwende.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es bestehe kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, weil ihre Produkte nicht substituierbar seien. Das Nachahmen fremder Erzeugnisse, die keinen Sonderrechtsschutz genießen, und das darin liegende Ausnützen fremder Leistungen und Kenntnisse seien grundsätzlich erlaubt. Da das Aussenden von „Cell-IDs" durch Basisstationen technisch bedingt und keine eigentümliche geistige Schöpfung der Klägerin sei, könne sich diese nicht auf Ausschließlichkeitsrechte etwa im Sinne des UrheberrechtsG berufen. Der Beklagte handle auch nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, weil er die Daten der Klägerin nicht übernehme, um ihr im eigenen Segment der Mobiltelefonie Konkurrenz zu machen. Er biete vielmehr ein Zusatzprodukt an.
Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag im noch verfahrensgegenständlichen Umfang statt und verbot dem Beklagten Ermittlung, Verarbeitung, Übermittlung und Verwertung von Funksignalen und Daten aus dem gesamten Mobiltelefonnetz der Klägerin zum Zweck der Standortbestimmung von Mobiltelefonen im Rahmen des Betriebs des Systems „e*****" oder vergleichbarer Systeme sowie die Bewerbung und den Vertrieb des Systems „e*****" und ähnlicher vergleichbarer System unter Hinweis auf die Verwendbarkeit im Mobilfunknetz der Klägerin. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei; Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob das Auslesen von von Mobilfunkstationen ausgesendeten, nicht für die Allgemeinheit bzw den Nutzer von Mobiltelefonen bestimmten Funksignalen mittels speziell dafür entwickelter Hardware zum Zwecke des Betriebs eines Mobiltelefonortungssystems sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG sei, liege nicht vor. Zwischen den Parteien bestehe ein Wettbewerbsverhältnis jedenfalls hinsichtlich der Produkte „Fleet-Manager" der Klägerin und „e*****" des Beklagten. Beide dienten der Ortung eines von einer Person mitgeführten oder in einem Fahrzeug oder sonstigem Objekt befindlichen Mobiltelefons, ohne dass dieses Mobiltelefon besonders registriert sein müsste. Sie sprächen somit einen im Wesentlichen gleichartigen Abnehmerkreis an, nämlich Personen, die daran interessiert seien, ein bestimmtes Mobiltelefon innerhalb des Mobiltelefonnetzes der Klägerin orten zu können. Der Beklagte handle sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Er nutze von den Basisstationen der Klägerin ausgesendete, individuelle Daten, deren Inhalt weder für die Allgemeinheit noch den Mobiltelefonbenützer, bestimmt sei, zur Ortung von Mobiltelefonen, und zwar unter Anbringung einer speziellen Hardware („e*****"-Stecker). Darüber hinaus kommuniziere das am Server des Beklagten angebrachte mit dem zu ortenden Mobiltelefon mittels SMS. Ein Entgelt entrichte der Beklagte dabei nur für das Senden der SMS, nicht jedoch auch für das Lesbarmachen der „Cell-IDs" mittels eigener Hardware. Er handle daher ohne vertragliche Grundlage. Ebenso nutze er die SIM-Karte der Klägerin (indirekt) für sein Dienstleistungsangebot an Dritte. Da sich der Beklagte eigenmächtig Zugang zu nicht für die Allgemeinheit oder Mobiltelefonbenützer bestimmte Daten verschaffe, verstoße er auch durch diese Vertragsverletzungen gegen § 1 UWG.
Rechtssatz
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Der Beklagte vertritt im Revisionsrekurs weiterhin die Auffassung, es fehle an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien. Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei „das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnis auch nach der wettbewerblichen Relevanz und der Spürbarkeitsschwelle zu beurteilen". Sein System „e*****" werde lediglich von einem halben Dutzend Kunden verwendet; eine relevante Nachfrageverlagerung zu Lasten der Klägerin sei durch sein Verhalten daher gar nicht eingetreten und werde auch in Zukunft nicht eintreten, weil sein System im Verhältnis zu jenem der Klägerin zu teuer sei.
Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof zu § 1 UWG ausgesprochen hat, von einem sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung durch eine Gesetzesverletzung könne nur gesprochen werden, wenn das gesetzwidrige Handeln geeignet sei, eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung zu bewirken (4 Ob 99/03t = SZ 2003/56 - VERANSTALTUNGSHINWEISE; RIS-Justiz RS0117605); dies gelte auch für einen Verstoß gegen § 2 UWG oder im Bereich der Wertreklame (RIS-Justiz RS0113000; vgl auch 4 Ob 72/00t = ÖBl-LS 2000/72). Daraus folgt aber nicht, dass auch die Frage eines Wettbewerbsverhältnisses danach zu beurteilen wäre, welche (konkreten) Auswirkungen die als wettbewerbswidrig beanstandete Handlung haben kann. Auch die vom Beklagten dazu zitierte Entscheidung „4 Ob 59/03t" (richtig: 4 Ob 59/03k = ÖBl 2004/7 - ORGANISATIONSBEITRAG II) behandelt die Frage der Spürbarkeit der beanstandeten Handlung im Zusammenhang mit ihrer Wettbewerbswidrigkeit und nicht im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Klägerin dieses Verfahrens war im Übrigen die Bundesarbeitskammer und nicht ein Mitbewerber. Ein Wettbewerbsverhältnis kann nach ständiger Rechtsprechung (4 Ob 130/93 = ÖBl 1994, 22 - SYSTEM DER BESTEN; RIS-Justiz RS0077715) auch erst durch die beanstandete Handlung selbst begründet werden („ad-hoc-Wettbewerbsverhältnis"). Dafür genügt es, dass sich der Verletzer in irgendeiner Weise zum Betroffenen in Wettbewerb stellt, so etwa wenn durch die Übernahme eines fremden Zeichens für branchenfremde Waren der Ruf des Zeichens ausgebeutet wurde (etwa 4 Ob 20/02y = ÖBl-LS 2002/79 - CHIPCARD II). Gleiches gilt, wenn - wie hier - eine fremde Leistung übernommen wird.
2. Der Beklagte kann sich auf die Rechtsprechung zum Erfordernis einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung auch nicht im Zusammenhang mit der Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens berufen. Dabei kommt es nämlich nicht darauf an, wie viele Kunden der Beklagte bisher gewonnen hat, sondern maßgebend ist, ob sein Verhalten geeignet ist, zu einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung zu führen. Dass aber das vom Beklagten entwickelte Ortungssystem dazu geeignet ist, in einem nicht bloß unerheblichen Maß verwendet zu werden und damit auch zu einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung zu führen, ist offenkundig.
3. Wer ohne jede eigene Leistung, ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang das ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ganz oder in erheblichen Teilen glatt übernimmt, um so dem Geschädigten mit dessen eigener mühevoller und kostspieliger Leistung Konkurrenz zu machen, handelt sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG (stRsp ua 4 Ob 415/79 = SZ 53/35 – Österreichisches Lebensmittelbuch; RIS-Justiz RS0078341). Glatt übernommen wird ein Arbeitsergebnis insbesondere, wenn Vervielfältigungsmethoden, wie Kopieren, Abschreiben oder Einscannen, eingesetzt werden (ua 4 Ob 62/93 = ÖBl 1993, 156 – Loctite; 4 Ob 274/00y = ÖBl 2001, 164 – jobmonitor.com) oder wenn, wie im Fall der Entscheidung 4 Ob 237/98a (= ÖBl 1999, 176 – Zahlungsservice), Daten mit Hilfe eines Lesegeräts abgelesen werden. Auch im vorliegenden Fall setzt der Beklagte technische Hilfsmittel ein, um die von den Basisstationen des Mobiltelefonnetzes der Klägerin ausgesandten „Cell-IDs" auszulesen und zu verwenden. Er nutzt damit die von der Klägerin für ihre Mobiltelefonleistungen errichtete Struktur, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen und – soweit es um das Auslesen der „Cell-IDs" geht - ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang. Dass der Beklagte – wie er behauptet – erhebliche Aufwendungen tätigen musste, um ein marktfähiges Ortungssystem zu entwickeln, spielt dabei keine Rolle. Dem Beklagten wird nicht vorgeworfen, ein Ortungssystem der Klägerin übernommen zu haben, sondern sein wettbewerbswidriges Verhalten besteht darin, dass er die Voraussetzung seines Ortungssystems - die Verknüpfung jeweils eines bestimmten Ortes (Basisstation) mit jeweils einer bestimmten Kennzahl („Cell-ID") - von der Klägerin insoweit glatt übernimmt, als er die „Cell-IDs" der Basisstationen durch technische Hilfsmittel ausliest. Der Beklagte erspart sich damit erhebliche Aufwendungen. Es liegt nämlich auf der Hand, dass die Aufwendungen des Beklagten für die Entwicklung eines Ortungssystems noch wesentlich höher (wenn nicht sogar unerschwinglich und unwirtschaftlich) gewesen wären, hätte der Beklagte sämtliche Bezugspunkte erst einrichten müssen.
Dass sich der Beklagte Zugang zu Daten verschafft, die nicht für die Kunden der Klägerin bestimmt sind, unterscheidet den vorliegenden Fall grundlegend von den vom Beklagten als Beispiel gebrachten Fällen. Anders als derjenige, der auf dem von den Lampen des Nachbarn ausgeleuchteten Grundstück arbeitet oder der elektrischen Strom für die Kalibrierung technischer Geräte nutzt oder der GPS Systeme für die Zeitmessung nutzt, verwendet der Beklagte nicht eine ihm unentgeltlich zukommende oder von ihm abgegoltene Leistung für weitere Zwecke, sondern er verschafft sich durch technische Hilfsmittel Zugang zu Daten, die zwar der Leistung zugrunde liegen, aber nicht für den Leistungsempfänger bestimmt sind. Damit verwendet er diese Informationen aber nicht einfach wie Elektrosmog oder Licht, sondern wird aktiv tätig, um an sie herankommen, sie auswerten und schließlich verwerten zu können.
4. Schließlich beruft sich der Beklagte noch darauf, er habe vor Klagseinbringung versucht, mit der Klägerin „eine Kooperation zu erreichen"; sein Ansinnen sei jedoch ohne Reaktion geblieben. Damit übersieht er aber, dass jeder Anhaltspunkt für einen Kontrahierungszwang der Klägerin fehlt und sein Kooperationsversuch nach eigenem Vorbringen darin bestanden hat, von der Klägerin die Daten der Sendemasten zu erhalten. Soweit er auf die „kartellrechtliche Relevanz" des Verhaltens der Klägerin hinweist und ihr „Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung" vorwirft, übersieht er, dass auch ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht verpflichtet ist, die Übernahme seiner Leistung zu dulden.
Damit hat der Beklagte aber durch glatte Übernahme einer fremden Leistung gegen § 1 UWG verstoßen. Auf die vom Rekursgericht ergänzend geprüfte Frage einer Vertragsverletzung im Zusammenhang mit der Verwendung einer SIM-Karte der Klägerin durch den Beklagten kommt es nicht mehr an.
Dem Revisionsrekurs war somit keine Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten des Beklagten auf §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO.