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Aufforderung zur Zensur?
Gästebuch- und Forenbetreiber haften zwar nicht von vorneherein für fremde Untaten, aber geklagt werden können sie nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes trotzdem. Eine neue Entscheidung bringt mehr Fragen als Antworten.
Die Worte "Warnung vor dem Haus Marsalla" (Name geändert) im Thread einer Gästebucheintragung wurden einem Websitebetreiber zum Verhängnis. Wohl gemerkt: Nicht dem Verfasser des Beitrages, sondern dem Betreiber des Gästebuches. Ich will hier nicht erörtern, ob die Ansicht des Höchstgerichtes, dass es sich dabei um eine unzulässige, weil potentiell kreditschädigende Äußerung handelt, mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung kompatibel ist (der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte - EGMR - ist bei der österreichischen Rechtsprechung des öfteren nicht dieser Meinung, ich möchte aber dieses Thema einem eigenen Artikel vorbehalten), sondern der Frage nachgehen, welche Schlussfolgerungen man als Betreiber eines beliebigen Forums in Österreich aus dieser Entscheidung ziehen muss. Es stellt sich die Frage, ob das ständige Risiko einer Klage überhaupt noch den Betrieb eines Meinungsforums zulässt.
Dazu muss man sich zunächst einmal den Sachverhalt näher anschauen, über den der OGH zu entscheiden hatte, dann wie er diesen Fall entschieden hat und zuletzt, welche allgemeinen Aussagen er zu dieser Fallkonstellation gemacht hat.
Den inkriminierten Worten im Thread vorausgegangen war eine derbe Kritik eines Leserbriefschreibers am Inhaber des Gästehauses Marsalla, die von "der schlechteste Wirt von Österreich" über "unfreundlich, teuer, Null Service, Null Bock", "Barbetrieb ohne Konzession" bis zu "verbreitet Lügen über seinen Bruder" reichten und in der Aufforderung "Jagt diesen Mann mit Schimpf und Schande vom Berg" gipfelten. Der auf diese Weise beschimpfte Gastwirt forderte den Tourismusverband, der das Gästebuch im Rahmen seiner Website betrieb, daraufhin auf, den Leserbrief binnen zwei Stunden zu entfernen. Der Tourismusverband löschte die Eintragung. Stehen blieb aber eine Antwort auf den Leserbrief, der diesen inhaltlich, ohne die Äußerungen zu wiederholen, als wahr bestätigte und in dem noch der Titel des ursprünglichen Beitrages "Warnung vor dem Haus Marsalla" aufschien, sowie weitere auf den Leserbrief Bezug nehmende (harmlose) Beiträge. Diese löschte die Gästebuchbetreiberin erst 13 Tage später, nachdem vom Gastwirt 6 Tage später bereits die Unterlassungsklage samt Antrag auf einstweilige Verfügung eingebracht worden war. Der Kläger vertrat die Meinung, dass die Beklagte dafür Sorge tragen hätte müssen, dass ehrenrührige und verleumderische Beiträge gar nicht ins Gästebuch gelangen. Da die Beklagte die weiteren Einträge nicht unverzüglich gelöscht habe, sei auch die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen.
Das Erstgericht wies den Antrag auf einstweilige Verfügung ab. Der Betreiber der Website sei nicht für die Beiträge Dritter verantwortlich. Er habe die inkriminierten Texte ohnedies unverzüglich entfernt, die weiteren Einträge seien nicht tatbildlich im Sinne des § 1330 ABGB. Es bestehe daher keine Wiederholungsgefahr.
Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Durch die Zurverfügungstellung ihrer Website für Gästebucheintragungen habe die Beklagte die beanstandeten Äußerungen iSd § 1330 ABGB verbreitet. Die Forumsanbieterin treffe eine Prüfpflicht im Sinne einer regelmäßigen Beobachtung der Foren und Löschung inkriminierender Textstellen. Dieser Prüfpflicht habe die Beklagte nicht entsprochen, weil der beanstandete Text erst über Aufforderung des Klägers 9 Tage nach seiner Veröffentlichung entfernt worden sei. Da der Beklagte auch noch im Verfahren eine Prüfpflicht bestritten habe, sei auch weiter vom Vorliegen einer Wiederholungsgefahr auszugehen.
Diese Entscheidung wurde vom OGH bestätigt, allerdings weicht die Begründung von der der zweiten Instanz ab.
7.3.2007 (in Bearbeitung)