Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten, BGBl I 151/2005
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Bearbeitung Franz Schmidbauer
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen Verbände für Straftaten verantwortlich sind und wie sie sanktioniert werden, sowie das Verfahren, nach dem die Verantwortlichkeit festgestellt und Sanktionen auferlegt werden. Straftat im Sinne dieses Gesetzes ist eine nach einem Bundes- oder Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung; auf Finanzvergehen ist dieses Bundesgesetz jedoch nur insoweit anzuwenden, als dies im Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958, vorgesehen ist.
(2) Verbände im Sinne dieses Gesetzes sind juristische Personen sowie Personenhandelsgesellschaften, Eingetragene Erwerbsgesellschaften und Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen.
(3) Keine Verbände im Sinne dieses Gesetzes sind
§ 2. (1) Entscheidungsträger im Sinne dieses Gesetzes ist, wer
(2) Mitarbeiter im Sinne dieses Gesetzes ist, wer
Arbeitsleistungen für den Verband erbringt.
§ 3. (1) Ein Verband ist unter den weiteren Voraussetzungen des Abs. 2 oder des Abs. 3 für eine Straftat verantwortlich, wenn
(2) Für Straftaten eines Entscheidungsträgers ist der Verband verantwortlich, wenn der Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat.
(3) Für Straftaten von Mitarbeitern ist der Verband verantwortlich, wenn
(4) Die Verantwortlichkeit eines Verbandes für eine Tat und die Strafbarkeit von Entscheidungsträgern oder Mitarbeitern wegen derselben Tat schließen einander nicht aus.
§ 4. (1) Ist ein Verband für eine Straftat verantwortlich, so ist über ihn eine Verbandsgeldbuße zu verhängen.
(2) Die Verbandsgeldbuße ist in Tagessätzen zu bemessen. Sie beträgt mindestens einen Tagessatz.
(3) Die Anzahl der Tagessätze beträgt bis zu
180, – wenn die Tat mit lebenslanger oder Freiheitsstrafe bis zu zwanzig Jahren bedroht ist,
155, – wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu fünfzehn Jahren bedroht ist,
130, – wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bedroht ist,
100, – wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht ist,
85, – wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist,
70, – wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht ist,
55, – wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht ist,
40 – in allen übrigen Fällen.
(4) Der Tagessatz ist nach der Ertragslage des Verbandes unter Berücksichtigung von dessen sonstiger wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu bemessen. Er ist mit einem Betrag festzusetzen, der dem 360. Teil des Jahresertrages entspricht oder diesen um höchstens ein Drittel über- oder unterschreitet, mindestens jedoch mit 50 und höchstens mit 10.000 Euro. Dient der Verband gemeinnützigen, humanitären oder kirchlichen Zwecken (§§ 34 bis 47 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961) oder ist er sonst nicht auf Gewinn gerichtet, so ist der Tagessatz mit mindestens 2 und höchstens 500 Euro festzusetzen.
§ 5. (1). Bei der Bemessung der Anzahl der Tagessätze hat das Gericht Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Höhe der angedrohten Geldbuße bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
(2) Die Anzahl ist insbesondere umso höher zu bemessen,
(3) Die Anzahl ist insbesondere geringer zu bemessen, wenn
§ 6. (1) Wird ein Verband zu einer Verbandsgeldbuße von nicht mehr als 70 Tagessätzen verurteilt, so ist die Buße unter Bestimmung einer Probezeit von mindestens einem und höchstens drei Jahren, gegebenenfalls unter Erteilung von Weisungen (§ 8), bedingt nachzusehen, wenn anzunehmen ist, dass dies genügen werde, um von der Begehung weiterer Taten, für die der Verband verantwortlich ist (§ 3), abzuhalten, und es nicht der Vollstreckung der Geldbuße bedarf, um der Begehung von Taten im Rahmen der Tätigkeit anderer Verbände entgegenzuwirken. Dabei sind insbesondere die Art der Tat, das Gewicht der Pflichtverletzung oder des Sorgfaltsverstoßes, frühere Verurteilungen des Verbandes, die Verlässlichkeit der Entscheidungsträger und die nach der Tat von dem Verband gesetzten Maßnahmen zu berücksichtigen.
(2) Wird die Nachsicht nicht widerrufen, so ist die Geldbuße endgültig nachzusehen. Fristen, deren Lauf beginnt, sobald die Geldbuße vollstreckt ist, sind in einem solchen Fall ab Rechtskraft des Urteils zu berechnen.
§ 7. Wird ein Verband zu einer Verbandsgeldbuße verurteilt und treffen die Voraussetzungen des § 6 auf einen Teil der Buße zu, so ist dieser Teil, mindestens aber ein Drittel und höchstens fünf Sechstel, unter Bestimmung einer Probezeit von mindestens einem und höchstens drei Jahren, gegebenenfalls unter Erteilung von Weisungen (§ 8), bedingt nachzusehen.
§ 8. (1) Wird einem Verband die Verbandsgeldbuße ganz oder zum Teil bedingt nachgesehen, so kann ihm das Gericht Weisungen erteilen.
(2) Dem Verband ist als Weisung aufzutragen, den aus der Tat entstandenen Schaden nach Kräften gutzumachen, soweit dies noch nicht erfolgt ist.
(3) Im Übrigen können dem Verband mit dessen Zustimmung als Weisungen technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen aufgetragen werden, um der Begehung weiterer Taten, für die der Verband verantwortlich ist (§ 3), entgegenzuwirken.
§ 9. (1) Wird der Verband wegen der Verantwortlichkeit für eine während der Probezeit begangene Tat verurteilt, so hat das Gericht die bedingte Nachsicht der Buße zu widerrufen und die Buße oder den Teil der Buße vollziehen zu lassen, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um die Begehung weiterer Taten, für die der Verband verantwortlich ist (§ 3), zu verhindern. Eine Tat, die in der Zeit zwischen der Entscheidung erster Instanz und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gewährung der bedingten Nachsicht begangen worden ist, steht einer in der Probezeit begangenen Tat gleich.
(2) Befolgt der Verband eine Weisung trotz förmlicher Mahnung nicht, so hat das Gericht die bedingte Nachsicht zu widerrufen und die Buße oder den Teil der Buße vollziehen zu lassen, wenn dies nach den Umständen geboten erscheint, um die Begehung weiterer Taten, für die der Verband verantwortlich ist (§ 3), zu verhindern.
(3) Wird in den Fällen der Abs. 1 und 2 die bedingte Nachsicht nicht widerrufen, so kann das Gericht die Probezeit bis auf höchstens fünf Jahre verlängern und neue Weisungen erteilen.
(4) Wird der Verband in Anwendung von § 31 StGB nachträglich zu einer Zusatzgeldbuße verurteilt, so kann das Gericht die bedingte Nachsicht der Buße zur Gänze oder zum Teil widerrufen und die Buße oder den Teil der Buße vollziehen lassen, soweit die Geldbußen bei gemeinsamer Aburteilung nicht bedingt nachgesehen worden wären. Wird die bedingte Nachsicht nicht widerrufen, so dauert jede der zusammentreffenden Probezeiten bis zum Ablauf der Probezeit, die zuletzt endet, jedoch nicht länger als fünf Jahre.
§ 10. (1) Wird der Verband wegen der Verantwortlichkeit für eine während der Probezeit begangene Tat verurteilt, so hat das Gericht die bedingte Nachsicht der Buße zu widerrufen und die Buße oder den Teil der Buße vollziehen zu lassen, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um die Begehung weiterer Taten, für die der Verband verantwortlich ist (§ 3), zu verhindern. Eine Tat, die in der Zeit zwischen der Entscheidung erster Instanz und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gewährung der bedingten Nachsicht begangen worden ist, steht einer in der Probezeit begangenen Tat gleich.
(2) Befolgt der Verband eine Weisung trotz förmlicher Mahnung nicht, so hat das Gericht die bedingte Nachsicht zu widerrufen und die Buße oder den Teil der Buße vollziehen zu lassen, wenn dies nach den Umständen geboten erscheint, um die Begehung weiterer Taten, für die der Verband verantwortlich ist (§ 3), zu verhindern.
(3) Wird in den Fällen der Abs. 1 und 2 die bedingte Nachsicht nicht widerrufen, so kann das Gericht die Probezeit bis auf höchstens fünf Jahre verlängern und neue Weisungen erteilen.
(4) Wird der Verband in Anwendung von § 31 StGB nachträglich zu einer Zusatzgeldbuße verurteilt, so kann das Gericht die bedingte Nachsicht der Buße zur Gänze oder zum Teil widerrufen und die Buße oder den Teil der Buße vollziehen lassen, soweit die Geldbußen bei gemeinsamer Aburteilung nicht bedingt nachgesehen worden wären. Wird die bedingte Nachsicht nicht widerrufen, so dauert jede der zusammentreffenden Probezeiten bis zum Ablauf der Probezeit, die zuletzt endet, jedoch nicht länger als fünf Jahre.
§ 11. Für Sanktionen und Rechtsfolgen, die den Verband auf Grund dieses Bundesgesetzes treffen, ist ein Rückgriff auf Entscheidungsträger oder Mitarbeiter ausgeschlossen.
§ 12. (1) Im Übrigen gelten die allgemeinen Strafgesetze auch für Verbände, soweit sie nicht ausschließlich auf natürliche Personen anwendbar sind.
(2) Macht das Gesetz die Geltung österreichischer Strafgesetze für im Ausland begangene Taten vom Wohnsitz oder Aufenthalt des Täters im Inland oder von dessen österreichischer Staatsbürgerschaft abhängig, so ist für Verbände der Sitz des Verbandes oder der Ort des Betriebes oder der Niederlassung maßgebend.
(3) Die Frist für die Verjährung der Vollstreckbarkeit beträgt
fünfzehn Jahre, – wenn auf Geldbuße von mehr als 100 Tagessätzen erkannt worden ist,
zehn Jahre, – wenn auf Geldbuße von mehr als 50, aber nicht mehr als 100 Tagessätzen erkannt worden ist,
fünf Jahre – in allen übrigen Fällen.
§ 13. (1) Sobald sich auf Grund bestimmter Tatsachen der Verdacht ergibt, dass ein Verband für eine von Amts wegen zu verfolgende Straftat verantwortlich sein könnte (§ 3), hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen zur Feststellung dieser Verantwortlichkeit einzuleiten oder einen Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße bei Gericht einzubringen. Der Verband hat im Verfahren die Rechte des Beschuldigten (belangter Verband).
(2) Ist eine Straftat nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen, so gilt § 46 der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 164/2004, mit der Maßgabe, dass die Frist von sechs Wochen mit dem Tag beginnt, an dem der zur Privatanklage berechtigten Person ein hinlänglicher Verdacht bekannt geworden ist, dass ein Verband für die von ihm zu verfolgende Straftat verantwortlich sein könnte (§ 3).
§ 14. (1) Für Verfahren auf Grund dieses Bundesgesetzes gelten die allgemeinen Vorschriften über das Strafverfahren, soweit sie nicht ausschließlich auf natürliche Personen anwendbar sind und sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt.
(2) Verfahren gegen Verbände gelten im Sinne der Bestimmungen des Gerichtsorganisationsgesetzes, des Staatsanwaltschaftsgesetzes und der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz als Strafsachen.
(3) Die Begriffe „strafbare Handlung“, „Vergehen“ und „Verbrechen“ in den in Abs. 1 und 2 genannten Bestimmungen sind als Bezugnahme auf Straftaten zu verstehen, für die der Verband verantwortlich sein könnte (§ 3); die Begriffe „Verdächtiger“, „Beschuldigter“ und „Angeklagter“ als Bezugnahme auf den belangten Verband (§ 13); der Begriff „Strafe“ als Bezugnahme auf die Verbandsgeldbuße.
§ 15. (1) Die Zuständigkeit des Gerichtes für die der Straftat verdächtige oder beschuldigte natürliche Person begründet auch die Zuständigkeit für das Verfahren gegen den belangten Verband. Die Verfahren sind in der Regel gemeinsam zu führen (§§ 56, 57 StPO). Dem Verband kommen auch im Verfahren gegen die natürliche Person die Rechte des Beschuldigten zu.
(2) Wird das Verfahren gegen den belangten Verband nicht gemeinsam mit jenem gegen die natürliche Person geführt, so sind die §§ 52 und 54 StPO mit der Maßgabe anzuwenden, dass sich die Zuständigkeit nach dem Sitz des belangten Verbandes, besteht ein solcher im Inland nicht, nach dem Ort des Betriebes oder der Niederlassung richtet. Kann auf diese Weise die Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes nicht begründet werden, so ist das Landesgericht für Strafsachen Wien oder das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuständig.
§ 16. (1) Die Verständigung von der Einleitung des Verfahrens, der Antrag auf Verhängung einer Geldbuße, die Ladung zur Hauptverhandlung und das Abwesenheitsurteil sind in jedem Fall dem belangten Verband selbst zu eigenen Handen eines Mitglieds des zur Vertretung nach außen berufenen Organs zuzustellen.
(2) Stehen sämtliche Mitglieder des zur Vertretung nach außen befugten Organs selbst im Verdacht, die Straftat begangen zu haben, so hat das Gericht dem belangten Verband von Amts wegen einen Verteidiger beizugeben. Dieser hat auch die nach der Art des Verbandes erforderlichen Schritte zur Bewirkung einer ordnungsgemäßen Vertretung des Verbandes zu setzen, wie die Verständigung oder Einberufung von geeigneten Organen, Eigentümern oder Mitgliedern. Die Bestellung endet mit dem Einschreiten eines Vertreters oder eines gewählten Verteidigers.
(3) Wurde einem belangten Verband wirksam zugestellt, so gilt im Anwendungsbereich von § 10 auch die Bekanntgabe an den Rechtsnachfolger als erfolgt.
§ 17. (1) Die Entscheidungsträger des Verbandes sowie jene Mitarbeiter, die im Verdacht stehen, die Straftat begangen zu haben, oder wegen der Straftat bereits verurteilt sind, sind als Beschuldigte zu laden und zu vernehmen. § 455 Abs. 2 StPO ist anzuwenden.
(2) Dem Entscheidungsträger oder Mitarbeiter ist vor Beginn der Vernehmung mitzuteilen, welche Straftat dem Verband zur Last gelegt wird. Sodann ist er darüber zu belehren, dass er berechtigt sei, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen und sich zuvor mit einem Verteidiger zu beraten. Er ist auch darauf aufmerksam zu machen, dass seine Aussage seiner Verteidigung und jener des belangten Verbandes dienen, aber auch als Beweis gegen ihn und gegen den Verband Verwendung finden könne.
§ 18. (1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung eines Verbandes absehen oder zurücktreten, wenn in Abwägung der Schwere der Tat, des Gewichts der Pflichtverletzung oder des Sorgfaltsverstoßes, der Folgen der Tat, des Verhaltens des Verbandes nach der Tat, der zu erwartenden Höhe einer über den Verband zu verhängenden Geldbuße sowie allfälliger bereits eingetretener oder unmittelbar absehbarer rechtlicher Nachteile des Verbandes oder seiner Eigentümer aus der Tat eine Verfolgung und Sanktionierung verzichtbar erscheint. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Ermittlungen oder Verfolgungsanträge mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden wären, der offenkundig außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache oder zu den im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Sanktionen stünde.
(2) Von der Verfolgung darf jedoch nicht abgesehen oder zurückgetreten werden, wenn diese
geboten erscheint.
§ 19. (1) Steht auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts fest, dass ein Zurücklegen der Anzeige oder ein Vorgehen nach § 18 nicht in Betracht kommt, und liegen die in § 90a Abs. 2 Z 1 und 3 StPO genannten Voraussetzungen vor, so hat der Staatsanwalt von der Verfolgung eines belangten Verbandes wegen der Verantwortlichkeit für eine Straftat zurückzutreten, wenn der Verband den aus der Tat entstandenen Schaden gut macht sowie andere Tatfolgen beseitigt und dies unverzüglich nachweist und wenn die Verhängung einer Verbandsgeldbuße im Hinblick auf
nicht geboten erscheint, um der Begehung von Straftaten, für die der Verband verantwortlich gemacht werden kann (§ 3), und der Begehung von Straftaten im Rahmen der Tätigkeit anderer Verbände entgegenzuwirken. § 90e Abs. 1 StPO ist nicht anzuwenden.
(2) Das Gericht hat Abs. 1 unter den dort genannten Voraussetzungen sinngemäß anzuwenden und nach Einleitung der Voruntersuchung oder Einbringung des Antrags auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße das Verfahren gegen den Verband bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen (§ 90b StPO).
§ 20. Ist ein belangter Verband dringend verdächtig, für eine bestimmte Straftat verantwortlich zu sein, und ist anzunehmen, dass über ihn eine Verbandsgeldbuße verhängt werden wird, so hat der Untersuchungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft zur Sicherung der Geldbuße eine einstweilige Verfügung zu erlassen, wenn und soweit auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, dass andernfalls die Einbringung gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Im Übrigen ist § 144a Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 bis 7 StPO anzuwenden.
§ 21. (1) Das Hauptverfahren wird durch den Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße eingeleitet, auf den im Verfahren vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht die Bestimmungen über die Anklageschrift, im Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter oder dem Bezirksgericht jedoch die Bestimmungen über den Strafantrag anzuwenden sind. In jedem Fall ist jedoch der Sachverhalt zusammenzufassen und zu beurteilen, aus dem sich die Verantwortlichkeit des Verbandes (§ 3) ergibt.
(2) Der Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße ist mit der Anklage oder dem Strafantrag gegen natürliche Personen zu verbinden, wenn die Verfahren gemeinsam geführt werden können (§ 15 Abs. 1).
(3) Kann das Verfahren gegen den belangten Verband nicht gemeinsam mit jenem gegen die natürliche Person geführt werden, so hat der Ankläger einen selbstständigen Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße zu stellen. Über einen solchen Antrag hat das Gericht in einem selbstständigen Verfahren nach öffentlicher mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden.
§ 22. (1) Wird die Hauptverhandlung gegen den belangten Verband und eine natürliche Person gemeinsam geführt (§ 15 Abs. 1), so hat das Gericht im Anschluss an das Beweisverfahren, das für beide Verfahren gemeinsam durchgeführt wird, zunächst nur die Schlussvorträge betreffend die natürliche Person zuzulassen und dann das Urteil über die natürliche Person zu verkünden.
(2) Im Fall eines Schuldspruches sind in fortgesetzter Hauptverhandlung Schlussvorträge zu den Voraussetzungen einer Verantwortlichkeit des Verbandes sowie den für die Bemessung einer Geldbuße und die Festsetzung anderer Sanktionen maßgeblichen Umstände zu halten. Danach verkündet das Gericht das Urteil über den Verband.
(3) Im Fall des Freispruchs muss der Ankläger binnen drei Tagen bei Verlust des Verfolgungsrechts erklären, ob in einem selbstständigen Verfahren über die Verhängung einer Verbandsgeldbuße entschieden werden soll. Stellt der Ankläger diesen Antrag, so hat das Gericht nach Abs. 2 vorzugehen.
(4) Das Urteil über den Verband hat im Fall einer Verurteilung bei sonstiger Nichtigkeit auszusprechen, für welche Straftat der Verband auf Grund welcher Umstände für verantwortlich befunden wird; im Übrigen ist § 260 Abs. 1 Z 3 bis 5 StPO anzuwenden.
(5) Die Urteilsausfertigung muss die in § 270 Abs. 2 StPO sowie in Abs. 4 angeführten Inhalte haben.
§ 23. Ist der belangte Verband in der Hauptverhandlung nicht vertreten, so kann das Gericht die Hauptverhandlung durchführen, die Beweise aufnehmen und das Urteil verkünden, jedoch bei sonstiger Nichtigkeit nur dann, wenn die Vorladung zur Hauptverhandlung wirksam zugestellt wurde und in der Vorladung diese Rechtsfolgen angedroht wurden. Das Urteil ist in diesem Fall dem Verband durch Zustellung einer Ausfertigung bekannt zu machen.
§ 24. Gegen Urteile, die über einen Verband ergangen sind, stehen – auch im Falle des selbstständigen Verfahrens – die in der StPO gegen Urteile vorgesehenen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe offen.
§ 25. Für einen Widerruf der bedingten Nachsicht nach § 9 Abs. 1 ist § 494a StPO mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bezirksgericht als erkennendes Gericht nur zuständig ist, wenn die Buße oder deren Teil 55 Tagessätze nicht übersteigt; der Einzelrichter beim Gerichtshof erster Instanz nur, wenn die Buße oder deren Teil 100 Tagessätze nicht übersteigt.
§ 26. (1) Von der Einleitung und der Beendigung eines Verfahrens gegen einen Verband hat das Gericht die für den betroffenen Tätigkeitsbereich zuständige Verwaltungs- oder Aufsichtsbehörde zu verständigen und ihr eine Ausfertigung des Beschlusses, mit dem das Verfahren eingestellt wird, oder des Urteils zu übermitteln.
(2) Das Gericht kann die Behörde (Abs. 1) ersuchen, an der Überwachung der Einhaltung einer Weisung oder einer Maßnahme nach § 19 Abs. 1 Z 2 mitzuwirken.
(3) Beabsichtigt die Staatsanwaltschaft, von der Verfolgung nach § 19 Abs. 1 Z 2 zurückzutreten, so sind Abs. 1 und 2 sinngemäß anzuwenden.
§ 27. (1) Nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung hat das Gericht den Verband schriftlich aufzufordern, die Verbandsgeldbuße binnen 14 Tagen zu zahlen, widrigenfalls sie zwangsweise eingetrieben würde. Kommt der Verband dieser Aufforderung nicht nach, so ist die gerichtliche Einbringung nach dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz 1962 zu veranlassen.
(2) Ist absehbar, dass der Verband die Folgen der Tat gutmachen werde und dass dadurch die Voraussetzungen einer nachträglichen Milderung der Geldbuße erfüllt sein werden, so kann der Vorsitzende auf Antrag die Zahlung der Geldbuße zur Gänze oder zum Teil für höchstens sechs Monate aufschieben.
(3) Träfe die unverzügliche Zahlung der Verbandsgeldbuße den Verband unbillig hart, so kann der Vorsitzende auf Antrag mit Beschluss angemessenen Aufschub durch Raten gewähren, wobei die letzte Rate spätestens nach zwei Jahren zu zahlen ist und alle noch offenen Teilbeträge fällig werden, wenn der Verband mit zwei Raten im Verzug ist.
§ 28. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2006 in Kraft.
§ 29. (1) Verweisungen in diesem Gesetz auf andere Rechtsvorschriften des Bundes sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen.
(2) Soweit in diesem Gesetz personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.
§ 30. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Justiz betraut.