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e-weihnacht
Rechtliche Probleme des E-Commerce, weihnachtlich beleuchtet
erschienen in Zak 4/05
Haben Sie schon über das Internet eingekauft? Die meisten werden diese Frage wohl mit Ja beantworten, sonst wären die Erfolge von Geizhals oder Amazon nicht erklärbar. Rund 18 Milliarden Euro beträgt das Einkaufsvolumen der Deutschen heuer im Versandhandel, davon bereits mehr als die Hälfte online; dies bei 25prozentigen Zuwachsraten jährlich (heise online, http://www.heise.de/newsticker/meldung/66453). Besonders boomt der Handel in der Vorweihnachtszeit. Bücher, Multimedia in jeder Form, PC und Elektronik sind dabei die großen Renner. In der Hitze der e-Shoppingcenter vergessen aber viele jede Vorsicht. Kein Wunder, wenn man ständig vorgehalten bekommt, was XY, der offenbar denselben Geschmack hat wie man selbst, alles gekauft hat und wenn alle bisherigen Käufer die Ware über den grünen Klee loben. Wenn sich dann das Hightech-Glanzstück als klapprige Blechdose entpuppt oder das Schnäppchen nach kurzer Zeit den Geist aufgibt, beginnen die Fragen an den Rechtsexperten.
1. Die Identität des Vertragspartners
Zunächst stellt sich im Falle von Vertragsstörungen die Frage, wer überhaupt der Vertragspartner ist und wo er seinen Sitz hat. Ist beim Einkauf im realen Geschäft relativ klar, wer Partner des Rechtsgeschäftes ist, kann sich die Erforschung des Vertragspartners im Onlinebereich als kompliziert erweisen. Wer etwa im Internet Amazon.at aufsucht, wird vielleicht noch anhand der Adresszeile des Browsers feststellen, dass die eingegebene Adresse auf Amazon.de weiterleitet. Wer aber jetzt vermutet, dass er dort auf eine deutsche Tochterfirma von Amazon USA trifft, täuscht sich. Die notwendigen Informationen findet man üblicherweise im Impressum, das eigentlich kein medienrechtliches Impressum (in Österreich § 24 MedienG), sondern eine Anbieterkennzeichnung nach § 5 ECG ist - wiederum in Österreich. Nachdem wir uns aber auf einer Website unter einer .de-Domain befinden, wird vermutlich österreichisches Recht gar nicht anwendbar sein. Aus der Domain zu schließen, dass deutsches Recht anwendbar ist, ist jedenfalls verfrüht.
Noch wissen wir nicht, wer hinter Amazon.de steht. Ein relativ unübersichtliches „Impressum“ klärt auf: Die Verkaufs-Website wird teilweise von der amerikanischen Amazon Inc. und teilweise von der luxemburgischen Amazon Services Europe S.a.r.l. betrieben; in Deutschland gibt es nur Rechtsabteilung, Kundencenter und Korrespondenzadresse. Hinzu kommt, dass Amazon bei bestimmten Geschäften (Marketplace) nur als Vermittler auftritt, etwa bei Elektroartikeln und Spielen, was aufgrund der einheitlichen Shop-Gestaltung nicht auffällt.
Praxishinweis: Aufgrund dieser Gegebenheiten empfiehlt sich bei der Überprüfung von Onlineeinkäufen der Feststellung des Vertragspartners besonderes Augenmerk zu widmen. Die Domain, unter der der Shop betrieben wird, ist rechtlich ohne Belang. So kann etwa eine .at-Domain von jedermann weltweit registriert werden und auch ein Österreicher kann, je nach Vergaberichtlinien für die verschiedenen Länder- und generischen Domains Websites unter beliebigen Domains betreiben. Maßgeblich ist auch nicht der Serverstandort, sondern der Sitz des Betreibers, der sich in der Regel aus dem Impressum ergibt oder jedenfalls ergeben sollte.
Im Falle von Reklamationen empfiehlt es sich neben den meist dürftigen Papier-Unterlagen, das Online-Konto des Käufers einer näheren Untersuchung zu unterziehen. Die Hinweise darauf finden sich meist in der Mailbox. Aus den gekauften Artikeln lässt sich dann am ehesten nachvollziehen, von welchem Teil der Verkaufs-Plattform diese stammen und wer daher der eigentliche Lieferant und Vertragspartner ist. Die Beantwortung dieser Frage ist Voraussetzung für die Beurteilung der weiteren Fragen.
2. Das anzuwendende Recht
Nehmen wir an, unser Vertragspartner hat seinen Sitz innerhalb der EU, was die Sache bedeutend vereinfacht. Im Falle unserer luxemburgischen S.a.r.l. unterliegt etwa die Website nach dem Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie luxemburgischen Recht. Für den Vertrag hingegen kommt es zunächst darauf an, ob der Käufer Verbraucher ist oder nicht. Diese Frage ist nach dem schon in die Jahre gekommenen (die Nachfolgenorm ist in Arbeit) EVÜ zu beurteilen, das im Bereich des Schuldvertragsrechtes das österreichische IPRG (§§ 36 bis 45) ersetzt hat.
2.1. Verbraucherschutz nach EVÜ
Bei Verbraucherverträgen (Art.5) gilt im Zweifel das Recht des Aufenthaltsstaates des Verbrauchers, soferne ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers vorausgegangen ist und der Verbraucher die Handlungen zum Vertragsabschluss in diesem Staat vorgenommen hat. Davon kann man bei einer Bestellung über eine Website ausgehen. Außerdem darf der Verbraucher im Fall einer Rechtswahl nicht dem Schutz von zwingenden Bestimmungen entzogen werden. Das Gericht muss in einem solchen Falle einen Günstigkeitsvergleich zwischen den Bestimmungen des Verbraucherstaates und denen des Unternehmerstaates vornehmen, sodass eine (meist vom Unternehmer in den AGB) getroffene Rechtswahl unter Umständen dem Verbraucher mehr Vorteile bringt als dem Unternehmer.
2.2. Verbrauchergeschäft
Was ein Verbrauchergeschäft ist, ist in Art.5 EVÜ leicht abweichend vom österreichischen KSchG definiert. Der Zweck der Lieferung der Ware oder Erbringung der Dienstleistung darf nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Verbrauchers zugerechnet werden. Was ist aber, wenn etwa ein gekaufter PC sowohl privat als auch beruflich verwendet wird? Diesbezüglich hat der EuGH in einem kürzlich über ein österreichisches Ersuchen um Vorabentscheidung ergangenen Urteil entschieden, dass die maßgebenden Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ wie folgt auszulegen sind:
„Eine Person, die einen Vertrag abgeschlossen hat, der sich auf einen Gegenstand bezieht, der für einen teils beruflich-gewerblichen, teils nicht ihrer beruflich gewerblichen Tätigkeit zuzurechnenden Zweck bestimmt ist, kann sich nicht auf die speziellen Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ berufen, es sei denn, der beruflich-gewerbliche Zweck ist derart nebensächlich, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, wobei die Tatsache, dass der nicht beruflich-gewerbliche Zweck überwiegt, ohne Bedeutung ist.“ (20.1.2005, Rs C-464/01).
Im Vorlagefall ging es um den Kauf von Dachschindeln für einen Bauernhof (OGH, 19.5.2005, 6 Ob 19/05w). Obwohl die EuGH-Entscheidung nicht das IPR, sondern die Zuständigkeit betraf, kann man sie auch dafür heranziehen, weil auch Art 13 EuGVÜ und Art. 15 EuGVVO vom europäischen Verbraucherbegriff ausgehen.
3. Die gerichtliche Zuständigkeit
Unabhängig von der Frage des anzuwendenden Rechts stellt sich bei Störungen in der Vertragsabwicklung die Frage, wo ein allfälliger Anspruch - nach welchem Recht immer - durchgesetzt werden kann. Diese Frage wird nunmehr innerhalb der EU einheitlich durch die direkt anwendbare EuGVVO geregelt. Neben der allgemeinen Bestimmung für Schuldverträge (Art. 5) ist auch hier wieder die Bestimmung über Verbraucherverträge von wesentlicher Bedeutung für die weitere Vorgangsweise. Der Verbrauchergerichtsstand nach Art 15 steht neben den Fällen des Ratengeschäftes und der Kreditfinanzierung vor allem dann zur Verfügung, wenn der Vertragspartner des Konsumenten im Wohnsitzland des Konsumenten eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt (Art 15 lit c). Ein Angebot auf einer Website ist jedenfalls eine solche Ausrichtung, wenn der Vertragsabschluss hinsichtlich dieses Landes nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird (LG Salzburg, 28.1.2004, 53 R 13/04z, LG Feldkirch, 20.10.2003, 3 R 259/03s). Abweichende Vereinbarungen sind nach Art. 17 nur sehr eingeschränkt möglich.
4. Problemlösung durch Widerruf
Bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden, sollte auf jeden Fall geprüft werden, ob das Problem nicht auf einfache Weise aus der Welt geschafft werden kann. Insbesondere kommt hier das Widerrufsrecht in Frage, das in Umsetzung der Fernabsatz-RL in allen EU-Staaten gelten müsste. Dem österreichischen Verbraucher steht hier zwar grundsätzlich der in Umsetzung der Fernabsatz-RL in das KSchG eingefügte § 5e zur Verfügung, im Falle einer Rechtswahl könnte es sich aber als zweckmäßig erweisen, sich nicht auf das österreichische Recht zu berufen, etwa wenn die 7-tägigeWiderufsfrist schon abgelaufen ist; immerhin beträgt die Frist etwa in Deutschland 14 Tage. Daneben ist auch noch die Verlängerung der Frist in den Fällen des § 5e Abs. 3 öKSchG oder entsprechender Bestimmungen anderer Länder zu prüfen.
Praxishinweis: Im Falle des Widerrufes ist auf die, meist in den AGB enthaltenen, Bestimmungen über die Rückabwicklung zu achten und zu prüfen, ob diese den zwingenden Vorschriften des § 5g öKSchG oder den diesen entsprechenden Vorschriften der anzuwendenden ausländischen Norm entsprechen. Zum angemessenen Nutzungsentgelt siehe HG Wien, 2.12.2004, 50 R 95/04h, http://www.jurpc.de/rechtspr/20050053.htm.
5. Alternative Streitschlichtung
Die alternative Streitschlichtung wird von der EU sehr gefördert. In Österreich wurde zu diesem Zweck der Internet-Ombudsmann (www.ombudsmann.at) ins Leben gerufen, der im Falle von Internetstreitigkeiten jeglicher Art vermittelt. Dort finden sich auch Hinweise auf weitere europäische Streitschlichtungseinrichtungen. Oft kann mit Unterstützung solcher Einrichtungen im Kulanzweg mehr erreicht werden als im Rechtsweg. Und auf jeden Fall ist dieser Weg billiger. Es soll ja auch noch Geld übrigbleiben für die Weihnachtsgeschenke ....
2.12.2005