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Spam-Verbot mit Augenzwinkern?
Über die neue TKG-Novelle und deren widersprüchliche Erläuterungen
Am 19.10.2005 wurde im Parlament eine weitere TKG-Novelle beschlossen, die am 1.3.2006 in Kraft treten wird. Mit dieser Novelle hat Österreich nicht nur dem Druck der Kommission nachgegeben, sondern sich wieder einmal als Musterschüler betätigt und gleich alle Ausnahmen gekappt. Im Zuge der der Umsetzung der EU Datenschutz Richtlinie durch die TKG-Novelle 2003 hatte der österreichische Gesetzgeber die Unternehmer ausgenommen, obwohl die Richtlinie nur für juristische Personen eine Ausnahme vorsah. Diese Ausnahme hat Österreich in der Folge ein Vertragsverletzungsverfahren beschert; dies obwohl diese Frage im europäischen Recht gar nicht so eindeutig zu beantworten ist, wie es nach der österreichischen Rechtslage scheint. Die Begriffe "Unternehmen" und "juristische Person" werden nämlich bei weitem nicht in allen europäischen Staaten einheitlich ausgelegt. Wenn etwa in einem Land alle Unternehmen automatisch als juristische Personen gelten, so führt dies erst recht zur Wettbewerbsverzerrung, die die Richtlinie verhindern soll.
Künftig sind jedenfalls Werbe-E-Mails ohne Zustimmung an alle Adressaten (Konsumenten und Unternehmer) verboten.
Zur Verdeutlichung hier die
Gegenüberstellung § 107 TKG
(1) Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien - zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers sind unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. Die erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; der Widerruf der Einwilligung hat auf ein Vertragsverhältnis mit dem Adressaten der Einwilligung keinen Einfluss. | bleibt |
(2) Die Zusendung einer elektronischen Post -
einschließlich SMS - an Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2
KSchG ohne vorherige
Einwilligung des Empfängers ist unzulässig, wenn 1. die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt oder 2. an mehr als 50 Empfänger gerichtet ist. |
(2) Die Zusendung einer elektronischen Post –
einschließlich SMS – ist ohne vorherige Einwilligung des Empfängers
unzulässig, wenn 1. die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt oder 2. an mehr als 50 Empfänger gerichtet ist. |
(3) Eine vorherige Zustimmung für elektronische
Post gemäß Abs. 2 ist dann nicht notwendig, wenn 1. der Absender die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kunden erhalten hat und 2. diese Nachricht zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen erfolgt und 3. der Kunde klar und deutlich die Möglichkeit erhalten hat, eine solche Nutzung der elektronischen Kontaktinformation von vornherein bei deren Erhebung und zusätzlich bei jeder Übertragung kostenfrei und problemlos abzulehnen. |
(3) Eine vorherige Zustimmung für die Zusendung
elektronischer Post gemäß Abs. 2 ist dann nicht notwendig, wenn 1. der Absender die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kunden erhalten hat und 2. diese Nachricht zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen erfolgt und 3. der Empfänger klar und deutlich die Möglichkeit erhalten hat, eine solche Nutzung der elektronischen Kontaktinformation bei deren Erhebung und zusätzlich bei jeder Übertragung kostenfrei und problemlos abzulehnen und 4. der Empfänger die Zusendung nicht von vornherein, insbesondere nicht durch Eintragung in die in § 7 Abs. 2 E-Commerce-Gesetz genannte Liste, abgelehnt hat. |
(4) Die Zusendung einer elektronischen Post - einschließlich SMS - an andere als die in Abs. 2 genannten Empfänger ist ohne vorherige Einwilligung des Empfängers zulässig, wenn der Versender dem Empfänger in der elektronischen Post oder in der SMS ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, den Empfang weiterer Nachrichten abzulehnen. | entfällt |
(5) Die Zusendung elektronischer Nachrichten zu Zwecken der Direktwerbung ist auch bei Vorliegen der Voraussetzungen der Abs. 2, 3 und 4 unzulässig, wenn die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine authentische Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann. | (5) Die Zusendung elektronischer Post zu Zwecken der Direktwerbung ist jedenfalls unzulässig, wenn die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine authentische Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann. |
(6) Wurden Verwaltungsübertretungen nach Abs. 1 nicht im Inland begangen, gelten sie als an jenem Ort begangen, an dem der Anruf den Anschluss des Teilnehmers erreicht. | (6) Wurden Verwaltungsübertretungen nach Absatz 1, 2 oder 5 nicht im Inland begangen, gelten sie als an jenem Ort begangen, an dem die unerbetene Nachricht den Anschluss des Teilnehmers erreicht. |
Erläuterungen widersprechen Gesetzestext
Wie schon 2003 dürfte auch bei dieser Novelle die politische Willensbildung nicht ganz einheitlich gewesen sein. Für Wirtschaftstreibende interessant sind die Erläuterungen im Bericht des Verkehrsausschusses, die von einer sehr weitgehenden Zustimmungsfiktion ausgehen:
"Daher ist sicherzustellen, dass der Erstkontakt zwischen Unternehmen im Wege des elektronischen Geschäftsverkehrs im jeweiligen Geschäftsbereich nicht verunmöglicht oder unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Das Interesse eines Unternehmens, im jeweiligen Geschäftsbereich in verhältnismäßiger Art und Weise kontaktiert zu werden, wird insbesondere durch die willentliche Veröffentlichung eigener Kontaktinformationen auf Websites oder in anderer öffentlich zugänglicher Form bekundet. Daher ist anzunehmen, dass ein Unternehmen, welches seine eigenen Kontaktinformationen willentlich auf seiner Website oder in anderer öffentlich zugänglicher Form veröffentlicht, durch diese Veröffentlichung eine Einwilligung im Sinne des § 107 Abs. 2 TKG 2003 zur Zusendung elektronischer Post in seinem jeweiligen Geschäftsbereich erteilt.
Ebenso kann die Einwilligung im Sinne des § 107 Abs. 2 TKG 2003 durch die Mitgliedschaft in einem Verein oder einer politischen Partei als gegeben angesehen werden."
Verkehrsausschuss contra Plenum?
Wenn der Gesetzgeber derart weitgehende Ausnahmen vom Spam-Verbot will, ist allerdings nicht einzusehen, warum er das nicht in das Gesetz selbst schreibt. Man könnte zwar diese Ausführungen grundsätzlich als authentische Auslegung des Begriffes "Einwilligung" sehen, dagegen bestehen aber große Bedenken. Da der Gesetzestext relativ eindeutig formuliert ist, ist zu befürchten, dass die Gesetzesanwender den Begriff "Einwilligung" wörtlich nehmen, wenn die einschränkende Auslegung aus den angeführten Gründen auch durchaus Sinn machen würde. Eine Gesetzesauslegung ist nämlich nur dann möglich, wenn eine Gesetzeslücke vorliegt, die mit dem juristischen Instrumentarium der Gesetzesauslegung geschlossen werden muss. Eine Lücke liegt aber hier nur vor, wenn man sie unbedingt sehen will.
Offenbar war dem Verkehrsausschuss selbst nicht ganz wohl bei seiner Kompetenzanmaßung, weil er zuletzt noch folgende Feststellung beschloss:
„Der Ausschuss geht davon aus, dass eine Veröffentlichung der Kontaktinformationen auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung, z.B. im Impressum einer Website, nicht als Zustimmung angesehen werden kann, da sie in diesem Zusammenhang offensichtlich nicht als Einwilligung zum Empfang von Nachrichten im jeweiligen Geschäftsbereich gewertet werden kann...."
Mit dieser Feststellung wurden die Ausführungen zur Zustimmungsfiktion nicht nur eingeschränkt, sondern praktisch aufgehoben. Es ist nämlich kaum ein Fall denkbar, bei dem die E-Mail-Adresse eines Unternehmens auf dessen Website steht, ohne dass dies (zugleich auch) in Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung (§ 5 ECG) erfolgte. Oder meinen die Mitglieder des Verkehrsausschusses allen Ernstes, dass die E-Mail-Adresse im Impressum keine Zustimmung zum Empfang von Werbe-E-Mail darstellt, die Angabe einer E-Mail-Adresse auf einer anderen Seite, etwa bei der Support-Abteilung, aber schon? Richtigerweise bedeutet die Angabe einer E-Mail-Adresse, gleich auf welchen Geschäftspapieren oder Webseiten, dass man bereit ist, auf diesem Weg Korrespondenz entgegenzunehmen. Dass sich die Zustimmung auch auf den Erhalt von Werbung bezöge, ist eine mehr als gewagte Unterstellung.
Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei den Erläuterungen um das Ergebnis politischer Ränkespiele von Interessensgruppen handelt und man es auf diese Weise allen Recht machen wollte. Im Parlament befriedigte man die Forderungen der EU und der Spamhasser, im Ausschuss die Wirtschaft. Die Beteiligten waschen ihre Hände in Unschuld und wenn es dann die ersten Verurteilungen gibt, sind die Gerichte und Verwaltungsbehörden schuld.
Siehe auch
- Aus für E-Mail-Werbung, Artikel auf Internet4jurists
- Guter Spam - böser Spam, Artikel auf Internet4jurists
17.1.2006 (Ergänzungen 14.2.2006)