Amtshaftungsgesetz |
Bundesgesetz vom 18. Dezember 1948, womit die Haftung des Bundes, der Länder, der Bezirke, der Gemeinden und der sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für den in Vollziehung der Gesetze zugefügten Schaden geregelt wird - StF: BGBl. Nr. 20/1949 idF BGBl. I Nr. 194/1999
§§ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
I. Abschnitt.
Haftpflicht.
§ 1. (1) Der Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung - im folgenden Rechtsträger genannt - haften nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben; dem Geschädigten haftet das Organ nicht. Der Schaden ist nur in Geld zu ersetzen.
(2) Organe im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle physischen Personen, wenn sie in Vollziehung der Gesetze (Gerichtsbarkeit oder Verwaltung) handeln, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt sind, ob sie gewählte, ernannte oder sonstwie bestellte Organe sind und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist.
(3) Mit dem im Abs. 1 genannten Rechtsträger haftet zur ungeteilten Hand auch derjenige, als dessen Organ die handelnde Person gewählt, ernannt oder sonstwie bestellt worden ist. Hat dieser Rechtsträger auf Grund dieser Haftung Zahlungen geleistet, so hat er an den im Abs. 1 genannten Rechtsträger einen Anspruch auf Rückersatz.
§ 2. (1) Bei Geltendmachung des Ersatzanspruches muß ein bestimmtes Organ nicht genannt werden; es genügt der Beweis, daß der Schaden nur durch die Rechtsverletzung eines Organes des beklagten Rechtsträgers entstanden sein konnte.
(2) Der Ersatzanspruch besteht nicht, wenn der Geschädigte den Schaden durch Rechtsmittel oder durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hätte abwenden können.
(3) Aus einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Ersatzanspruch nicht abgeleitet werden.
§ 3. (1) Hat der Rechtsträger dem Geschädigten auf Grund dieses Bundesgesetzes den Schaden ersetzt, so kann er von den Personen, die als seine Organe gehandelt und die Rechtsverletzung vorsätzlich oder grobfahrlässig verübt oder verursacht haben, Rückersatz begehren.
(2) Hat das Organ die Rechtsverletzung grobfahrlässig verübt oder verursacht, so kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit den Rückersatz mäßigen. Dabei hat das Gericht insbesondere auf die in § 2 Abs. 2 des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes, BGBl. Nr. 80/1965, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 169/1983, angeführten Umstände sinngemäß Bedacht zu nehmen.
(3) Für die von einem Kollegialorgan beschlossenen Entscheidungen und Verfügungen haften nur die Stimmführer, die für sie gestimmt haben. Beruht jedoch die Entscheidung oder Verfügung auf einer unvollständigen oder unrichtigen Darstellung des Sachverhaltes durch den Berichterstatter, so haften auch die Stimmführer, die dafür gestimmt haben, nicht, es sei denn, daß sie die pflichtmäßige Sorgfalt grobfahrlässig außer acht gelassen haben.
§ 4. Von einem Organ kann kein Rückersatz wegen einer Handlung begehrt werden, die auf Weisung (Auftrag, Befehl) eines Vorgesetzten erfolgt ist, es sei denn, das Organ hätte die Weisung eines offenbar unzuständigen Vorgesetzten befolgt oder in Befolgung der Weisung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen.
§ 5. Das Organ kann dem Anspruch auf Rückersatz alle Einwendungen entgegensetzen, die der Rechtsträger nicht ausgeführt hat, und sich dadurch von dem Rückersatz in dem Maße befreien, als diese Einwendungen, wenn von ihnen gehörig Gebrauch gemacht worden wäre, eine andere Entscheidung über das Schadenersatzbegehren veranlaßt haben würden.
§ 6. (1) Ersatzansprüche nach § 1 Abs. 1 verjähren in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekanntgeworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekanntgeworden oder ist der Schaden aus einem Verbrechen entstanden, so verjährt der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach der Entstehung des Schadens. Die Verjährung wird durch die Aufforderung gemäß § 8 für die dort bestimmte Frist oder, wenn die Aufforderung innerhalb dieser Frist beantwortet wird, bis zur Zustellung dieser Antwort an den Geschädigten gehemmt.
(2) Rückersatzansprüche nach § 1 Abs. 3 und § 3 verjähren in sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem der Rechtsträger den Ersatzanspruch dem Geschädigten gegenüber anerkannt hat oder rechtskräftig zum Ersatz verurteilt worden ist.
§ 7. Wenn österreichische Staatsangehörige in einem fremden Staat Ersatzansprüche im Sinne dieses Bundesgesetzes überhaupt nicht oder nicht unter den gleichen Bedingungen geltend machen können wie Angehörige des betreffenden Staates, und wenn ihren Interessen auch nicht in anderer Weise durch den betreffenden Staat Rechnung getragen wird, kann die Bundesregierung durch Verordnung festlegen, daß den Angehörigen des betreffenden Staates Ansprüche auf Grund dieses Bundesgesetzes nicht zustehen.
II. Abschnitt
Verfahren.
§ 8. (1) Der Geschädigte soll den Rechtsträger, gegen den er den Ersatzanspruch geltend machen will, zunächst schriftlich auffordern, ihm binnen einer Frist von drei Monaten eine Erklärung zukommen zu lassen, ob er den Ersatzanspruch anerkennt oder den Ersatz ganz oder zum Teil ablehnt. Das im § 9 genannte Gericht kann dem Ersatzwerber für dieses Aufforderungsverfahren nach den Bestimmungen der ZPO über die Verfahrenshilfe einen Rechtsanwalt beigeben.
(2) Hat der Geschädigte den Rechtsträger zur Anerkennung eines Anspruches nicht oder nicht hinreichend deutlich aufgefordert oder die Klage vor Ablauf der Frist von drei Monaten erhoben oder den Anspruch erst im Laufe des Rechtsstreites geltend gemacht, so steht dem Rechtsträger, soweit er den Ersatzanspruch anerkennt oder erfüllt, für die Dauer von drei Monaten ab Geltendmachung, längstens jedoch bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung, Kostenersatz nach § 45 ZPO zu.
§ 9. (1) Zur Entscheidung über die Klage des Geschädigten gegen den Rechtsträger auf Ersatz ist in erster Instanz das mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Landesgericht, in dessen Sprengel die Rechtsverletzung begangen wurde, ausschließlich zuständig.
(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. Nr. 91/1993)
(3) Vorbehaltlich des Abs. 4 ist auf Klagen des Rechtsträgers gegen das schuldtragende Organ auf Rückersatz das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz anzuwenden.
(4) Wird der Ersatzanspruch aus einer Verfügung des Präsidenten eines Gerichtshofes erster Instanz oder eines Oberlandesgerichts oder aus einem kollegialen Beschluß eines dieser Gerichtshöfe abgeleitet, die nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unmittelbar oder im Instanzenzuge zuständig wären, so ist ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache vom übergeordneten Gericht zu bestimmen.
(5) Der Geschädigte kann den Ersatz des Schadens, den ihm ein Organ eines im § 1 dieses Bundesgesetzes genannten Rechtsträgers in Vollziehung des Gesetzes zugefügt hat, gegen das Organ im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen.
§ 10. (1) Der beklagte Rechtsträger hat
- den Rechtsträgern, die er nach § 1 Abs. 1 und
- den Organen, die er für den Rückersatzanspruch für haftbar erachtet,
den Streit zu verkünden (§ 21 ZPO). Diese können dem Rechtsstreit als Nebenintervenienten beitreten (§ 17 ZPO).
(2) Hat der Rechtsträger einem Organ den Streit verkündet, so hat der Vorsitzende des Senates die für das Organ zuständige Dienstbehörde von der Klage zu benachrichtigen. Diese Behörde hat dem Gericht in angemessener Frist mitzuteilen, ob ein Disziplinarverfahren bereits eingeleitet wurde oder nunmehr eingeleitet wird.
(3) In der Klage gegen das schuldtragende Organ auf Rückersatz kann der Rechtsträger beantragen, daß gegen den Beklagten ein Zahlungsauftrag (Mandat) erlassen werde. Über diesen Antrag ist in sinngemäßer Anwendung der §§ 550 bis 554 ZPO. zu verfahren.
§ 11. (1) Ist die Entscheidung des Rechtsstreites von der Frage der Rechtswidrigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde abhängig, über die noch kein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, und hält das Gericht den Bescheid für rechtswidrig, so hat es, sofern die Klage nicht gemäß § 2 Abs. 2 abzuweisen ist, das Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerde (Antrag) nach Artikel 131 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides zu begehren. Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und den Rechtsstreit unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden.
(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 gelten nicht, wenn der Bescheid in einer Angelegenheit erlassen wurde, die nach Artikel 133 des Bundes-Verfassungsgesetzes von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist.
(3) Die im Artikel 89 Abs. 2 bis 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes festgelegten Verpflichtungen der Gerichte bleiben unberührt.
§ 12. (1) Wenn das Ergebnis eines eingeleiteten Disziplinarverfahrens für die Entscheidung des Rechtsstreites voraussichtlich von Einfluß ist, kann das Gericht selbst vor der für die mündliche Verhandlung bestimmten Tagsatzung auf Antrag oder von Amts wegen das Verfahren über die Klage bis zur Beendigung des Disziplinarverfahrens unterbrechen.
(2) Wenn die Klage auf Ersatz des Schadens gegen den Bund oder ein Land wegen einer Rechtsverletzung erhoben wird, die bereits Gegenstand einer Anklage gemäß Artikel 142 und 143 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 vor dem Verfassungsgerichtshof ist, kann das Gericht sein Verfahren über die Schadenersatzklage bis zur Fällung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes unterbrechen. Das Gericht ist an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ebenso wie an ein sonstiges rechtskräftiges gerichtliches Straferkenntnis über das Verschulden eines Organes gebunden.
§ 13. (1) Im Verfahren nach diesem Bundesgesetz sind weder das Organ noch die als Zeugen oder Sachverständigen zu vernehmenden Personen zur Wahrung des Amtsgeheimnisses verpflichtet.
(2) Die Öffentlichkeit der Verhandlung ist auf Antrag einer Partei auch dann auszuschließen (§ 172 ZPO.), wenn Tatsachen erörtert oder bewiesen werden müssen, die sonst durch das Amtsgeheimnis gedeckt wären.
(3) Das Gericht hat überdies den anwesenden Personen auf Antrag einer Partei die Geheimhaltung von Tatsachen, die sonst durch das Amtsgeheimnis gedeckt wären, zur Pflicht zu machen. Dieser Beschluß ist im Verhandlungsprotokoll zu beurkunden. Die Verletzung der Pflicht zur Geheimhaltung ist ebenso zu bestrafen wie eine gesetzwidrige Verlautbarung (§ 309 StG.).
§ 14. Die Bestimmungen dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn der Rückersatzanspruch des Rechtsträgers gegen den Nachlaß oder die Erben eines Organes geltend gemacht wird.
III. Abschnitt.
Schluß- und übergangsbestimmungen.
§ 15. Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes verlieren die folgenden Vorschriften, soweit sie noch in Geltung stehen, ihre Wirksamkeit:
das Hofdekret vom 14. März 1806, JGS. 758,
das Gesetz vom 12. Juli 1872, R. G. Bl. Nr. 112, womit zur Durchführung des Artikels 9 StGG. vom 21. Dezember 1867, R. G. Bl. Nr. 144, über die richterliche Gewalt das Klagerecht der Parteien wegen der von richterlichen Beamten in Ausübung ihrer amtlichen Wirksamkeit zugefügten Rechtsverletzungen geregelt wird, in der geltenden Fassung,
Artikel VI, Z. 4, und Artikel XII, Abs. (1), des Gesetzes vom 1. August 1895, R. G. Bl. Nr. 110, betreffend die Einführung des Gesetzes über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm),
§ 80 des Gesetzes vom 1. August 1895, R. G. Bl. Nr. 111, über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm),
Artikel XI, Z. 5, des Gesetzes vom 1. August 1895, R. G. Bl. Nr. 112, betreffend die Einführung des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozeßordnung),
die §§ 600, 601 und 602 des Gesetzes vom 1. August 1895, R. G. Bl. Nr. 113, über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozeßordnung),
die Verordnung des Justizministers und des Finanzministers vom 6. Juni 1918, R. G. Bl. Nr. 206, über die administrative Behandlung von Syndikatsansprüchen gegen den Staat, in der geltenden Fassung,
§ 2, Z. 5, des Gesetzes vom 12. September 1945, St. G. Bl. Nr. 172, über die Finanzprokuratur in Wien (Prokuraturgesetz).
§ 16. (1) Die wegen Rechtsverletzungen nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 12. Juli 1872, R. G. Bl. Nr. 112, bereits anhängigen Verfahren sind nach seinen Vorschriften zu Ende zu führen.
(2) Auf Rechtsverletzungen nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 12. Juli 1872, R. G. Bl. Nr. 112, die vor dem Wirksamkeitsbeginn dieses Gesetzes begangen wurden, wegen deren aber ein Verfahren noch nicht anhängig ist, finden die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Anwendung.
(3) An Stelle der in anderen Gesetzen enthaltenen Hinweise auf das Gesetz vom 12. Juli 1872, R. G. Bl. Nr. 112, treten die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.
§ 17. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesregierung betraut.