Arbeitnehmerfoto im Internet
OGH, Urteil vom 5.10.2000, 8 Ob A 136/00h
***** Zusammenfassung *****
Die Klägerin stand bei der Beklagten in einem befristeten Dienstverhältnis und wehrte sich dagagen, dass ihr Foto auf die Firmenwebsite gestellt wurde, worüber die Parteien in Streit gerieten. Im Zuge dieses Streits beschimpfte die Klägerin den Beklagten, in der Folge beriet sich der Beklagte mit seinem Anwalt und entließ nach einigen Tagen die Klägerin.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Verfristung der Entlassung ab, das Berufungsgericht bestätigte.
Der OGH gibt der Revision keine Folge. Nur nebenbei ging es dabei noch um das Foto. Stellt ein Dienstgeber das Foto eines Arbeitnehmers ohne Rückfrage ins Internet und weigert er sich dieses zu entfernen, bildet dieses Verhalten einen Verstoß gegen den Bildnisschutz (§ 78 UrhG), der nicht mit der Treuepflicht des Dienstnehmers gerechtfertigt werden kann, da daraus eine Duldungspflicht des Arbeitnehmers nicht abgeleitet werden kann.
- Anmerkung: Die Aussage des OGH zur Bildveröffentlichung erfolgte nur nebenbei und deckt sich auch nicht mit seiner sonstigen Rechtsprechung (zu 4 Ob), wonach bei der Abwägung des Für und Wider einer Bildnisveröffentlichung ein objektiver Maßstab anzulegen ist, es auf eine Zustimmung somit nicht ankommt.
***** Entscheidung *****
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen
Laienrichter Karl Lewisch und MR Dr. Edith Söllner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Simone-Ella-Gertrud W*****, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, wider die beklagte Partei I***** Management, *****, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Dr. Michael Bauer und Dr. Günter Secklehner, Rechtsanwälte in Liezen, wegen S 187.984,87 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Februar 2000, GZ 11 Ra 297/99x-24, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. September 1999, GZ 20 Cga 384/98t-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der
klagenden Partei die mit S 9.900,-- (darin S 1.650,-- USt) bestimmten Kosten des
Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Auszugehen ist von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen, dass die Klägerin, eine ausgebildete Kulturwissenschaftlerin, die bei der beklagten Partei, die die akademische Ausbildung in Kultur- und Medienmanagement organisiert, in einem befristeten Dienstverhältnis als Angestellte stand, sich gegen die Verwendung ihres Fotos auf einer Internetseite der beklagten Partei verwahrte und dessen Entfernung begehrte. Darüber entbrannte ein Streit, im Zuge dessen sie am 2. 6. 1998 abends dem Obmann der beklagten Partei, mit dem sie trotz zeitweisen heftigen sachlichen Diskussionen in einem persönlich freundschaftlichen Verhältnis stand, erklärte: "Du bist für alles zu blöd. Du verstehst wirklich nur das Arbeitsgericht". Dieser war hierüber gekränkt. Er erklärte der Klägerin, dass er nicht mehr mit ihr arbeiten werde.
Anlässlich einer Teamsitzung aller Mitarbeiter am Folgetag teilte er mit, dass er sich von der Klägerin trennen werde, die Art und Weise der Trennung aber mit seinem Anwalt besprechen werde. Er ließ die Klägerin aber am 3. und 4. 6. 1998 weiterarbeiten, kontaktierte am 4.6. 1998 seinen Anwalt, traf sich mit diesem am Abend persönlich und entließ die Klägerin, wozu er allein entscheidungsbefugt war, am 5.6. 1998, als diese um einen Termin zur Bereinigung der Angelegenheit bat, um sich für ein von ihr zwar nicht so verstandenes, aber vom Obmann empfundenes Fehlverhalten zu entschuldigen.
Die Vorinstanzen hielten zwar die Entlassung aufgrund der oben wiedergegebenen Äußerungen der Klägerin berechtigt, die Entlassung aber für verfristet. Im Revisionsverfahren bekämpft die beklagte Partei die Verfristung der Entlassung und die Ansicht der Vorinstanzen, dass es die Klägerin nicht absichtlich verabsäumt habe, eine andere Beschäftigung anzunehmen.
Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Revisionswerberin geht nämlich nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wenn sie vorbringt, sie habe behauptet und bewiesen, dass das Motiv der Klägerin für die Nichtannahme von Beschäftigungen im Anrechnungszeitraum war, dass sie ihre Dissertation fertig schreiben wollte. Festgestellt wurde lediglich, dass die Klägerin die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit nützte, um an ihrer Dissertation weiterzuarbeiten. Zur Frage der von der Klägerin eingewandten Verspätung der Entlassung, wurden detaillierte Feststellungen über die Ereignisse zwischen der beleidigenden Äußerung der Klägerin, die Anlass zur Entlassung gab, und dem Entlassungszeitpunkt getroffen. Anlass zu einer "gründlichen Erörterung" - gemeint offenbar in rechtlicher Hinsicht – bestand nicht, zumal die beklagte Partei qualifiziert vertreten war.
Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass die Entlassung verspätet erfolgte, zutreffend ist, genügt es an sich, auf diese zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Zusammenfassend ist den diesbezüglichen Revisionsausführungen zu erwidern, dass im vorliegenden Fall der Sachverhalt von vornherein vollständig geklärt war und der Obmann der beklagten Partei, dem gegenüber die beleidigende Äußerung erfolgte, allein in Personalangelegenheiten entscheidungsbefugt war, sodass ihm lediglich zuzubilligen war, neben einer - bei dem vorliegenden unkomplizierten und offenkundigen Sachverhalt nur kurzen - Überlegungsfrist (dazu Kuderna, Entlassungsrecht2, 16 mwN) vor Ausspruch der Entlassung eine Rechtsauskunft einzuholen. Auch diese muss aber unverzüglich eingeholt werden. Dies war nicht der Fall, weil die beleidigende Äußerung am 2. 6. 1998 abends erfolgte, der Obmann der beklagten Partei erst am 4. 6. 1998 mit seinem Rechtsanwalt Kontakt aufnahm, ihn persönlich traf und hierauf am 5. 6. 1998 die Entlassung aussprach. Im Hinblick auf den völlig geklärten Sachverhalt und die keineswegs diffizile Rechtsfrage hätte auch eine telefonische Kontaktaufnahme genügt; es kann daher außer Betracht bleiben, dass der Sitz des beigezogenen Rechtsanwalts mehr als 100 km vom Sitz der beklagten Partei entfernt und somit ein persönliches Treffen möglicherweise nicht sofort zu bewerkstelligen war. Überdies ist die Inanspruchnahme eines auswärtigen Anwaltes ausschließlich in der Sphäre der beklagten Partei gelegen; es wäre ihr bei dem vorliegenden Sachverhalt durchaus zumutbar gewesen, Rat bei einem ortsansässigen Rechtsanwalt oder ihrer Interessenvertretung zu suchen. Hinzu kommt noch, dass die Klägerin nicht vom Dienst suspendiert wurde, sondern man sie am 3.und 4. 6. 1998 ohne Vorbehalte weiter arbeiten ließ (vgl Arb 9.563 uva). Eine solche Suspendierung hätte der Klägerin weitaus deutlicher als die Mitteilung, dass man sich "trennen" werde, die Art und Weise der Trennung aber noch mit dem Rechtsanwalt besprochen werden solle, vor Augen geführt, dass sie nicht auf einen Verzicht auf die Ausübung des Entlassungsrechts vertrauen dürfe.
Die Vorinstanzen sind daher bei dem zu beurteilenden Sachverhalt zutreffend von der Verfristung der Entlassung ausgegangen. Unter diesen Umständen erübrigt es sich auf die Frage einzugehen, ob unter den gegebenen Umständen die einmalige, an sich beleidigende Äußerung überhaupt den Entlassungsgrund des § 27 Z 6 AngG verwirklicht und nicht mit der gerechtfertigten Entrüstung der Klägerin zu entschuldigen wäre (vgl Kuderna, aaO 123 f).
Es darf nicht übersehen werden, dass das Verhalten des Dienstgebers, ohne Rückfrage das Bild der Klägerin ins Internet zu geben und die Weigerung, dieses zu entfernen, einen Verstoß gegen den Bildnisschutz (§ 78 UrhG) darstellt, der nicht mit der Treuepflicht des Dienstnehmers gerechtfertigt werden kann, da daraus eine Verpflichtung der Klägerin, dies zu dulden, nicht abgeleitet werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.