Entscheidungen Urheberrecht
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Prospekte und Anzeigen (Werbefotos im Internet): Beschluss des OGH vom 24.6.2003, 4 Ob 70/03b
Der Kläger fertigte als Berufsfotograph aufgrund eines 1993 geschlossenen Rahmenvertrages von 1993 bis 2000 für die Beklagte Fotos für Prospekte, Einladungen und Anzeigenkampagnen, die von dieser und von Dritten dann auch im Internet verwendet wurden, ohne dass dies explizit vereinbart worden wäre.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt, das Rekursgericht bestätigte.
Der OGH hebt auf und verweist zurück zur Klärung der Frage, bei welchen konkreten Lichtbildern die Beklagte für die Vervielfältigung und Verbreitung einzustehen habe. Kann sich die Beklagte für die Verwendung der Aufnahmen im Internet weder auf ein Werknutzungsrecht noch auf eine Werknutzungsbewilligung berufen, so ist sie gemäß § 81 Abs 1 erster Satz UrhG zur Unterlassung verpflichtet. Die Werke sind aber genau zu bezeichnen.
Beschluss
gefasst:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache
wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das
Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der Kläger ist Berufsfotograf und Inhaber eines Fotostudios. Die Beklagte erzeugt und vertreibt Maschinen. Die Streitteile standen vom Sommer 1993 bis Jahresanfang 2000 in ständiger Geschäftsbeziehung. Mit Schreiben vom 30. 9. 1993 erteilte die Beklagte dem Kläger den Rahmenauftrag Nr 16288/3. Dem Rahmenauftrag lag eine Vereinbarung über rund 15 Studiotage zu 9.000 S zugrunde. Allfällige Preisänderungen sollten mit der Beklagten abgestimmt werden; das Material sollte nach Verbrauch verrechnet werden. Mit Schreiben vom 5. 10. 1993 bestätigte die Beklagte ein Gespräch vom selben Tag, wonach aufgrund der derzeitigen Marktsituation die nächsten Preisgespräche im Jänner 1994 geführt werden sollten. Das zunächst vereinbarte Honorar von 9.000 S pro Tag ist äußerst niedrig. Der Kläger war damit einverstanden, weil er davon ausgegangen war, die rund 15 Studiotage in einem Block absolvieren zu können. Die einzelnen Aufträge wurden aber nacheinander erteilt und der Kläger hatte jeweils für bestimmte Anlässe bestimmte Geräte der Beklagten zu fotografieren. Die vom Kläger hergestellten Aufnahmen sollten ausschließlich für die Anfertigung von Prospekten, Einladungen und für Anzeigenkampagnen verwendet werden. Der Kläger stellte Diapositive her, die als Druckvorlagen dienten. Er übergab die Diapositive der Beklagten. Wenn die Beklagte Fotos benötigte, so stellte der Kläger Negative her, von denen er die benötigten Abzüge machte. Es steht nicht fest, "dass der Beklagten das Recht zur beliebigen Verwendung von Aufnahmen des Klägers eingeräumt wurde, insbesondere auch nicht die Verwendung solcher Aufnahmen im Internet, sei es auf der Homepage der Beklagten selbst oder infolge Weitergabe solcher Aufnahmen durch die Beklagte an Dritte". Ebenso wenig steht fest, dass der Kläger selbst derartige Aufnahmen an Dritte weitergegeben hat.
Der Kläger hat sämtliche Aufnahmen hergestellt, die den im Ordner ./A zusammengefassten Internetausdrucken zugrunde liegen. Die Aufnahmen waren jedoch nicht dazu bestimmt, von der Beklagten oder von Dritten im Internet verwendet zu werden.
Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu verbieten, die in Beilage ./A, welche einen integrierenden Bestandteil der einstweiligen Verfügung bildet, abgebildeten Lichtbilder via Internet zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten. Die Beklagte habe die vom Kläger hergestellten Lichtbilder ohne dessen Zustimmung auf zahlreichen Internetseiten verwendet. Sie habe Lichtbilder oder "Digitalisierungen" dieser Lichtbilder unbefugterweise an Dritte weitergegeben, die diese Lichtbilder in das Internet gestellt hätten. Soweit Lichtbilder auf Internetseiten gefunden worden seien, die offenbar nicht unmittelbar der Beklagten zuzurechnen seien, handle es sich um Unternehmen, die entweder in Geschäftsbeziehung mit der Beklagten stünden oder mit ihr wirtschaftlich und rechtlich verflochten seien. Diesen Unternehmen sei die Nutzung der Lichtbilder im Internet ausschließlich durch eine rechtswidrige Verbreitung und Vervielfältigung durch die Beklagte ermöglicht worden.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Bei Auftragserteilung sei völlig klar gewesen, dass die Fotos für jede Art von Werbung und damit auch im Internet verwendet würden. Sämtliche Werknutzungsrechte seien der Beklagten übertragen worden.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag im zweiten Rechtsgang statt. Die Lichtbilder seien Werke der bildenden Künste. Die Beklagte habe die von ihr behauptete umfassende Rechteeinräumung nicht bescheinigt. Die Nutzung im Internet wäre davon aber ohnehin nicht umfasst, weil diese neue Nutzungsart im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses jedenfalls in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung noch nicht bekannt gewesen sei.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ob der Kläger ab 1995 gewusst habe, dass es das Internet gibt und die Beklagte auf einer Homepage für ihre Maschinen wirbt, sei für die Entscheidung unerheblich. Es stehe nicht fest, dass der Kläger der Beklagten das Recht eingeräumt habe, seine Aufnahmen im Internet zu verwenden. Selbst umfassende Rechteeinräumungen reichten nicht aus, wenn die neue Nutzungsart zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht bekannt gewesen sei. Die einstweilige Verfügung sei nicht zu weit gefasst.
Rechtssatz
Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt. Die Beklagte macht geltend, dass das Erstgericht zum Umfang des ihr eingeräumten Werknutzungsrechts eine Negativfeststellung getroffen habe. Die gegenteilige Auffassung des Rekursgerichts sei aktenwidrig. Die Aktenwidrigkeit sei für die Entscheidung erheblich, weil sich das Gericht mit dem Zweck jedes der zwischen 1993 und 2000 geschlossenen Verträge hätte auseinandersetzen müssen.
Dem ist nicht zu folgen. Nicht nur die Formulierung der "Negativfeststellung", es habe nicht festgestellt werden können, "dass der Beklagten das Recht zur Verwendung von Aufnahmen ... im Internet" eingeräumt wurde, auch die Ausführungen zur Beweiswürdigung zeigen, dass das Erstgericht keine Negativfeststellung treffen, sondern festgestellt hat, dass der Kläger der Beklagten nicht das Recht eingeräumt hat, seine Aufnahmen im Internet zu verwenden. Der Beklagten wäre aber auch nicht geholfen, wenn die Feststellung als Negativfeststellung aufzufassen wäre. Auch eine vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung bezöge sich auf den gesamten Zeitraum, in dem die Streitteile in Geschäftsbeziehung standen.
Damit steht, unabhängig davon, ob die Feststellung als Negativfeststellung oder als Feststellung einer negativen Tatsache gewertet wird, weder für den 1993 erteilten Rahmenauftrag noch für die in den Jahren danach erteilten Einzelaufträge fest, dass der Beklagten das Recht eingeräumt wurde, die Aufnahmen im Internet zu verwenden. Nur die Einräumung einer sich auch auf die Verwendung der Fotos im Internet beziehenden Werknutzungsrechts oder einer sich darauf beziehenden Werknutzungsbewilligung könnte die Beklagte aber berechtigen, die Fotos im Internet zu verwenden. Im vorliegenden Fall steht auch fest, dass bei Erteilung des Rahmenauftrags im Jahre 1993 "ausschließlich von der Verwendung der vom Kläger angefertigten Aufnahmen für die Anfertigung von Prospekten, Einladungen und Anzeigenkampagnen in verschiedenen Zeitungen die Rede" war. Die Verwendung der Aufnahmen für die genannten Zwecke ist damit Vertragsinhalt geworden.
Der vorliegende Fall entspricht damit dem der Entscheidung 4 Ob 77/00b (= ÖBl-LS 2000/86) zugrunde liegenden Sachverhalt. Auch in diesem Fall hatte der Lichtbildhersteller die Werknutzungsrechte nur für bestimmte Verwendungsarten (Katalog und Folder) und nicht ganz allgemein für Werbung" eingeräumt, so dass es für die Entscheidung unerheblich war, ob die Einräumung von Werknutzungsrechten auch die Nutzung im Internet umfasst, wenn als Verwendungszweck "Werbung" vereinbart wird. Steht fest, dass und welche Verwendungsarten die Streitteile vereinbart haben, so bedarf es keines Rückgriffs auf den Zweck der Auftragserteilung. Es ist daher zwar richtig, dass, wie die Beklagte geltend macht, der Auftraggeber nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls schlüssig das Recht eingeräumt erhält, das Werk zu dem Zweck zu verwenden, zu dem es in Auftrag gegeben wurde (4 Ob 53/93 = ÖBl 1993, 184 - Kostümentwürfe; 4 Ob 88/00w, jeweils mwN). Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies aber nur, dass die Beklagte die Lichtbilder für Prospekte, Einladungen und Anzeigenkampagnen in verschiedenen Zeitungen verwenden durfte. Es folgt daraus nicht, dass die Beklagte berechtigt gewesen wäre, die Aufnahmen im Internet zu verwenden.
Kann sich die Beklagte für die Verwendung der Aufnahmen im Internet weder auf ein Werknutzungsrecht noch auf eine Werknutzungsbewilligung berufen, so ist sie gemäß § 81 Abs 1 erster Satz UrhG zur Unterlassung verpflichtet. Für die Verwendung der Aufnahmen durch Dritte hat sie aber nur einzustehen, wenn eine solche Verletzung im Betrieb ihres Unternehmens von einem Bediensteten oder Beauftragten begangen worden ist oder droht (§ 81 Abs 1 zweiter Satz UrhG). Beauftragter in diesem Sinn ist jeder, der ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, auf Grund eines anderen Rechtsverhältnisses dauernd oder vorübergehend für ein Unternehmen tätig ist (3 Ob 602/55 = SZ 28/68; 4 Ob 76/94 = SZ 67/115 = ÖBl 1995, 87 - Wir brauchen Männer II; 4 Ob 279/01k = MR 2002, 156 [Walter] - Aufzugsanlagen).
Die Beklagte rügt zu Recht, dass das Erstgericht keine Feststellungen über das Rechtsverhältnis zwischen ihr und jenen Unternehmen getroffen hat, die in der Beilage ./A enthaltene Aufnahmen in das Internet gestellt haben. Sie hat dazu vorgebracht, dass es von ihr völlig unabhängige Unternehmen gibt, welche im Rahmen ihrer Werbung und Selbstdarstellung die Marke E***** verwenden dürfen. Dies ist beispielsweise bei Vertragshändlern der Fall, die mit der erstbeklagten Partei in keiner gesellschaftsrechtlichen Verbindung stehen. Konkret sind nicht einmal alle aus der Anlage ./A erschließbaren Inhaber der Internetadressen noch Vertragspartner der beklagten Partei" (AS 14).
Der Kläger hat dem entgegnet, dass sich Lichtbilder zwar auch auf Internetseiten befänden, die offenbar nicht unmittelbar der Beklagten zugerechnet werden könnten. Es handle sich dabei aber durchwegs um Unternehmen, die entweder in Geschäftsbeziehung oder in wirtschaftlicher und rechtlicher Verflechtung mit der Beklagten stünden. Diesen Unternehmen sei die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit der vom Kläger hergestellten Lichtbilder im Internet ausschließlich durch eine rechtswidrige Verbreitung und Vervielfältigung der Lichtbilder durch die Beklagte ermöglicht worden (AS 45). Das Erstgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen, das Unterlassungsgebot aber dennoch antragsgemäß für alle in der Beilage ./A zusammengefassten Lichtbilder erlassen. Die Feststellung, wonach der Beklagten nicht das Recht zur beliebigen Verwendung von Aufnahmen des Klägers eingeräumt wurde, vermag entgegen der Auffassung des Rekursgerichts die fehlenden Feststellungen nicht zu ersetzen. Der Beklagten kann die Vervielfältigung und Verbreitung von Aufnahmen des Klägers im Internet nur untersagt werden, wenn sie selbst die Vervielfältigung oder Verbreitung veranlasst hat oder wenn sie für die Vervielfältigung und Verbreitung durch Dritte einzustehen hat, weil es sich um Bedienstete oder Beauftragte im Betrieb ihres Unternehmens handelt, denen gegenüber sie die rechtliche Möglichkeit besitzt, einem Eingriff in die Rechte des Klägers durch entsprechende Vereinbarungen vorzubeugen.
Das Erstgericht wird das Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen haben. Soweit es der Beklagten die Vervielfältigung und Verbreitung von Aufnahmen des Klägers im Internet untersagt, wird es die entsprechenden Aufnahmen der einstweiligen Verfügung auch körperlich anzuschließen haben. Die Beklagte weist nämlich zu Recht darauf hin, dass der Umfang der geschuldeten Leistung dem Titel andernfalls nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist.
Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.