Kitzbüheler Gams - Verjährung und Ersitzung von urheberrechtlichen Ansprüchen
OGH, Beschluss vom 24.5.2005, 4 Ob 63/05a
***** Zusammenfassung *****
Der beklagte Tourismusverband wendet gegen die urheberrechtlichen Ansprüche der Verwertungsgesellschaft Ersitzung und Verjährung ein.
Erstgericht und Rekursgericht haben diese verneint.
Der OGH gibt dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten keine Folge. Eine Ersitzung von - alleine hiezu in Frage kommenden - Werknutzungsbewilligungen komme nicht in Frage, da es sich dabei um kein Besitzrecht handle, sondern um ein bloß obligatorisches Recht. Eine während der gesetzlichen Dauer des Urheberrechtes begangene Rechtsverletzung kann innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Verjährungsfristen (§ 90 UrhG: 3 Jahre für Entgelt- und Auskunftsansprüche; § 1478 ABGB: 30 Jahre für Unterlassungsansprüche) verfolgt werden. Bei Dauerdelikten kommt eine Verjährung ohnedies nicht in Frage.
***** Entscheidung *****
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verwertungsgesellschaft *****, vertreten durch Hon. Prof. Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Tourismusverband K*****, vertreten durch Dr. Klaus Reisch und Dr. Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Unterlassung, Markenrechtsübertragung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 25.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 21. Jänner 2005, GZ 2 R 288/04a-18, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtssatz
1. Der Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Immaterialgüterrechte ersessen werden können. Der Wortlaut des § 1455 ABGB und Teile der Lehre ließen eine Ersitzung zu.
Nach § 1455 Satz 1 ABGB kann alles ersessen werden, was sich erwerben lässt. Diese Anordnung ist jedoch zu weit gefasst; ersessen können nur (private) Rechte werden, die Gegenstand des Besitzes sein können (M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1455 Rz 1 mwN). Für obligatorische Rechte, wie die hier allein in Frage kommende Werknutzungsbewilligung, trifft dies von vornherein nicht zu (M. Bydlinski aaO § 1455 Rz 7 mwN). Im Übrigen setzt jede Ersitzung Gutgläubigkeit voraus, an dem es dem Beklagten (= seinem Rechtsvorgänger) schon nach dessen eigenem Vorbringen fehlt. Dem Geschäftsführer des Rechtsvorgängers des Beklagten muss dessen mangelnde Berechtigung bekannt gewesen sein, weil er gleichzeitig Sekretär des Ski Clubs war, für den der Künstler das Zeichen entworfen hatte. Von der ganz allgemein formulierten Frage, ob Immaterialgüterrechte ersessen werden können, hängt die Entscheidung demnach nicht ab.
2. Als weitere erhebliche Rechtsfrage macht der Beklagte geltend, dass sich „die Frage der Verjährung des Rechts auf urheberrechtliche Unterlassungsansprüche an sich" stelle. Durch die Verjährung erlösche zwar nicht das Recht an sich, es verliere aber seine Klagbarkeit. Der Berechtigte verliere sein durchsetzbares Recht, wenn er es eine bestimmte Zeit hindurch nicht mehr ausübe.
Der Beklagte hat den Verjährungseinwand im vorbereitenden Schriftsatz ON 11 erhoben. Ob dieser Schriftsatz – wovon das Rekursgericht offenbar ausgegangen ist (s AS 175) – dem Provisorialverfahren zuzuordnen ist, kann offen bleiben, weil die Frage der Verjährung auch unabhängig davon keine erhebliche Rechtsfrage bildet:
Der Beklagte meint offenbar, dass das Urheberrecht an sich verjähre und nicht bloß die daraus abgeleiteten Ansprüche, wie Unterlassungs- und Entgeltansprüche, ihre Durchsetzbarkeit verlören. Er verkennt dabei, dass das Urheberrechtsgesetz die Dauer des Urheberrechts mit 70 Jahren (§§ 60, 61 UrhG) festsetzt. Eine während dieses Zeitraums begangene Rechtsverletzung kann innerhalb der vom Gesetz festgesetzten Verjährungsfrist (§ 90 UrhG: 3 Jahre für Entgelt- und Auskunftsansprüche; § 1478 ABGB: 30 Jahre für Unterlassungsansprüche) verfolgt werden; bei – wie hier – Dauerdelikten kann der Unterlassungsanspruch von vornherein nicht verjährt sein. Dass das Urheberrecht durch längere Untätigkeit auch nicht verwirkt wird, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (4 Ob 229/02h = ÖBl 2003/37 – Hundertwasserhaus II).
3. Der Oberste Gerichtshof hat auch schon ausgesprochen, dass ein Schriftzug, der individuell eigenartig und individuell ist, als Werk der bildenden Kunst iSd §§ 1 und 3 UrhG Schutz genießt (4 Ob 2385/96f = MR 1997, 41 - Für Sie gelesen). Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall zutreffen, berührt keine erhebliche Rechtsfrage.
Dem Urheber ist auch die Nutzung seines Werks in veränderter Form vorbehalten (vgl § 14 Abs 2 und § 21 Abs 1 UrhG). Die Beurteilung des Rekursgerichts, der von der Beklagten verwendete Schriftzug sei eine dem Urheber vorbehaltene Bearbeitung des Originals, hält sich im Rahmen des in dieser Frage bestehenden Ermessensspielraums und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
4. Die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung auf Grund des UrhG setzt weder eine Bescheinigung der Gefährdung (§ 81 Abs 2 UrhG; RIS-Justiz RS0077273) noch eine besondere Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit (RIS-Justiz RS0054556[T4]) voraus. An diesen Grundsätzen ändert auch die bisherige lange Nutzungsdauer des strittigen Zeichens durch die Beklagte nichts.