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Pfeilgraphik

OGH, Beschluss vom 11.7.1995, 4 Ob 58/95

UrhG § 1, § 3

*****   Zusammenfassung   *****

Der Kläger erstellte ein neues Firmenlogo, bestehend aus einem ausgefransten Pfeil, der die Schnelligkeit des Unternehmens symbolisieren soll und übergab dieses der Erstbeklagten zur Anfertigung von Klebefolien. Einige Jahre später beauftragte die Zweitbeklagte die Erstbeklagte eine Beschriftung für eine LKW-Plane zu entwerfen. Dabei verwendete diese irrtümlich die Computerschablone des Klägers. Der fertige Entwurf unterscheidet sich nur geringfügig vom Logo des Klägers.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab indem es die Werkqualität verneinte, das Rekursgericht bestätigte.

Der OGH erließ die EV. Keinen Urheberrechtsschutz genießen Darstellungen, die sich weder durch einen neuen Gedanken noch durch eine originelle Ausgestaltung auszeichnen. Kommt aber in der Gestaltung eine gedankliche Bearbeitung zum Ausdruck, welche ihr eine persönliche, unverwechselbare Note gibt und die sie daher von anderen Erzeugnissen ähnlicher Art abhebt, so liegt ein Werk der bildenden Künste im Sinne der § 1, § 3 Abs 1 UrhG vor. Das Firmensymbol der Klägerin beschränkt sich nicht darauf, Schnelligkeit durch einen Pfeil auszudrücken, sondern bezieht durch die einem Kometenschweif ähnliche Gestaltung des Pfeilschaftes den Fahrtwind mit ein. Striche an der Rückseite der Pfeilspitze verstärken diesen Effekt. Dieser Gedanke ist neu.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers M*****dienst ***** vertreten durch Dr.Wilfried Raffaseder und Mag.Michael Raffaseder, Rechtsanwälte in Freistadt, wider die Beklagten 1. H***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** 2. A***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** beide vertreten durch Dr.Alexander Hasch und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung, Beseitigung und Entgelt (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000,-), infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 6.April 1995, 1 R 78/95-8, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 10.Februar 1995, 32 Cg 98/95w-4, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie wie folgt zu lauten haben:

"Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Unterlassungsanspruches des Klägers wird den Beklagten bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits untersagt, die im Firmensymbol des Klägers verwendete Pfeildarstellung laut Beilage ./A zu verwerten und zu verwenden.
Die Beklagten haben ihre Äußerungskosten endgültig selbst zu tragen."
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Begründung:

Der Kläger betreibt in Freistadt den "M*****dienst". 1989 ersuchte der Kläger seinen Schwager Helmut H*****, ein neues Firmenlogogramm zu entwerfen. Helmut H***** erstellte mehrere Entwürfe, welche die in dieser Branche notwendige Schnelligkeit und Zielstrebigkeit symbolisieren sollten. Der Kläger entschied sich für die folgende Darstellung in den Farben grau (Pfeil) und rot (Schriftzug):

Pfeilgraphik

In der Folge übergab der Kläger den Entwurf der Erstbeklagten und beauftragte sie, Klebefolien zur Beschriftung der Firmenfahrzeuge herzustellen. Der Kläger räumte der Erstbeklagten kein darüber hinausgehendes Verwertungsrecht ein. Die Erstbeklagte speicherte den Entwurf in ihrem Computersystem.

Einige Jahre danach beauftragte die Zweitbeklagte die Erstbeklagte, die Beschriftung der Plane eines Sattelzuges zu entwerfen. Bei der Erstellung des Entwurfes wurde irrtümlich die Computerschablone des Pfeiles des Klägers als Vorlage verwendet. Der fertige Entwurf für die Zweitbeklagte unterscheidet sich vom Firmensymbol der Klägerin nur dadurch (unwesentlich), daß die Pfeilspitze etwas abgerundet und der "Schweif" des Pfeils "umgedreht" wurde:

Bei der Pfeildarstellung der Zweitbeklagten sind Schriftzug und Pfeil in rot gehalten; bei der Darstellung der Klägerin ist, wie bereits erwähnt, der Pfeil grau und der Schriftzug rot. Auch die Spedition R. ***** hat einen Pfeil in ihrem Firmensymbol.

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten die Verwertung und Verwendung der im Firmenlogo der Klägerin enthaltenen Pfeildarstellung laut Beilage ./A zu untersagen.
Die Pfeildarstellung sei als Werk der Gebrauchsgraphik urheberrechtlich geschützt. Der Pfeil sei durch eine individuelle gedankliche Leistung geschaffen worden. Er weiche in unverwechselbarer Weise von "gewöhnlichen" Pfeildarstellungen ab.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen.
Das Firmensymbol des Klägers setze sich aus allgemein gebräuchlichen Zeichen zusammen. Es sei nicht urheberrechtlich geschützt. Der von der Zweitbeklagten verwendete Pfeil unterscheide sich wesentlich von dem der Klägerin.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab.
Das Firmensymbol des Klägers bestehe aus nichts anderem als aus einem grauen Pfeil, dessen Schaft in verschiedenen Längen verwischt auslaufe und auf den mit roter Farbe "Bauer" geschrieben sei. Die Verwendung von Pfeildarstellungen im Transport- und Spediteurbereich sei nichts Neues. Auch in der graphischen Gestaltung sei keine individuelle eigenartige Leistung zu erkennen. Da kein Werk der bildenden Künste vorliege, könne der Sicherungsantrag nicht auf das Urheberrecht gestützt werden. Andere Anspruchsgrundlagen seien weder behauptet noch sonst zu erkennen.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache und änderte sie im Kostenpunkt ab. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.

In der Rechtsprechung sei keine klare Linie zu erkennen, wieviel an Individualität (Eigentümlichkeit) gefordert werde, um ein Werk iS des § 3 UrhG annehmen zu können. Die Verwendung von stilisierten Pfeilen sei im Transportbereich nichts Neues. Der Pfeil sei als Symbol für Schnelligkeit und Zielstrebigkeit bekannt, wie der Ausdruck "pfeilschnell" zeige. Auch durch die in die Pfeildarstellung integrierte "stilisierte Fahrtwinddarstellung" werde das geforderte Maß an Eigentümlichkeit nicht erreicht. Sie sei nur eine (neue) Variante von vielen. Die besondere Ausschmückung oder Abänderung bekannter Symbole im hier vorliegenden Umfang reiche nicht aus, um von eigenständig schutzfähigen Werken der bildenden Kunst sprechen zu können. Andere Anspruchsgrundlagen seien nicht zu prüfen, weil die Klägerin ihren Anspruch ausschließlich auf das Urheberrecht gestützt habe.

Rechtssatz

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist berechtigt.

Die Klägerin verweist auf die neuere Rechtsprechung, wonach die individuelle Leistung des Schöpfers entweder in einer besonderen gedanklichen Leistung oder aber in einer besonderen graphischen Ausgestaltung des Werkes liegen könne. Individuell eigentümlich seien bei der Pfeildarstellung der Klägerin die gedankliche Verarbeitung des Fahrtwindes und die graphische Ausgestaltung.

Gemäß § 1, § 3 Abs 1 UrhG genießen auch eigentümliche geistige Schöpfungen auf dem Gebiet des Kunstgewerbes Urheberrechtsschutz. Eine bestimmte Werkhöhe ist nicht erforderlich; die Leistung muß aber individuell eigenartig sein: Sie muß sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben; beim Werkschaffenden müssen persönliche Züge - insbesondere durch die visuelle Gestaltung und durch die gedankliche Bearbeitung - zur Geltung kommen (MR 1992, 199 - Bundesheer-Formular [M. Walter] mwN; MR 1993, 186 [M. Walter] = ecolex 1993, 688 - Hermes (Flügel)Symbol mit Anm von Kucsko ua).

Keinen Urheberrechtsschutz genießen daher Darstellungen, die sich weder durch einen neuen Gedanken noch durch eine originelle Ausgestaltung auszeichnen. Kommt aber in der Gestaltung eine gedankliche Bearbeitung zum Ausdruck, welche ihr eine persönliche, unverwechselbare Note gibt und die sie daher von anderen Erzeugnissen ähnlicher Art abhebt, so liegt ein Werk der bildenden Künste iS der § 1, § 3 Abs 1 UrhG vor (MR 1992, 201 - Kalian-Lindwurm).

Das Firmensymbol der Klägerin beschränkt sich nicht darauf, Schnelligkeit durch einen Pfeil auszudrücken, sondern bezieht durch die einem Kometenschweif ähnliche Gestaltung des Pfeilschaftes den Fahrtwind mit ein. Striche an der Rückseite der Pfeilspitze verstärken diesen Effekt. Dieser Gedanke ist neu; das Erstgericht hat zwar aus Beilage 1 festgestellt, daß die Erstbeklagte über eine Vielzahl von verschiedenen Pfeilskizzen verfügt, in denen die stilisierte Fahrtwinddarstellung zum Ausdruck kommt, doch trifft dies für die meisten Skizzen aus dem Archiv der Erstbeklagten nicht oder nur in geringem Maße zu. Keine der von der Beklagten vorgelegten Pfeilskizzen zeigt eine auch nur annähernd ähnliche Gestaltung. Das Firmensymbol des Klägers gestaltet den Gedanken der Dynamik mit besonderer Ausdruckskraft und großer Eigentümlichkeit und unterscheidet sich daher sowohl in seinem Symbolgehalt als auch in seiner Ausgestaltung wesentlich von den üblichen Pfeildarstellungen. Die Individualität dieser Gebrauchsgraphik ist damit höher als jene des "Flügelsymbols" (MR 1993, 186 [M. Walter]), dem der Oberste Gerichtshof den Werkcharakter nicht zuerkannt hat.

Als individuell eigenartige Leistung ist das Firmensymbol der Klägerin urheberrechtlich geschützt. In diese Schutzrechte greift die Pfeildarstellung der Zweitbeklagten ein. Die Abweichungen sind minimal; alle die Eigenart des Firmensymbols der Klägerin prägenden Gestaltungsmerkmale wurden übernommen.

Der Sicherungsantrag der Klägerin ist daher berechtigt; dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf § 78, § 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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