Geschenkte Website
OGH, Beschluss vom 30.3.2004, 4 Ob 53/04d
ABGB § 938
***** Zusammenfassung *****
Der Rechtsvorgänger der Klägerin Gerhard O*** erstellte eine kleine Website für den Beklagten und schenkte ihm diese "als offizielle Homepage". Später wurde diese, ebenfalls gratis, beträchtlich erweitert. Weiters wurde ein entgeltlicher Webhosting-Vertrag abgeschlossen. Schließlich vergab der Beklagte aber den Relaunch der Website an einen Konkurrenten, während ein Teil der Wartungsarbeiten bei O*** verblieb. Die vom Konkurrenten neu gestaltete Website enthielt eine Vielzahl von Seiten, die von O*** erstellt worden waren. Die Rechtsnachfolger (Unternehmensübergabe) klagten auf Unterlassung.
Das Erstgericht wies das Unterlassungsbegehren ab, das Berufungsgericht bestätigte.
Der OGH wies die außerordentliche Revision zurück. Werknutzungsrechte und Werknutzungsbewilligungen können auch schenkungsweise eingeräumt werden. Der Umfang ist im Zweifel nach dem praktischen Zweck der ins Auge gefassten Werknutzung zu bestimmen.
***** Entscheidung *****
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa O*****, vertreten durch Dr. Peter Burgstaller und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Serge F*****, vertreten durch Dr. Markus Kroner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 28.340 EUR), Beseitigung (Streitwert 1.000 EUR), Zahlung eines angemessenen Entgelts von 6.000 EUR und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2004, GZ 5 R 171/03h-12, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Nach dem festgestellten Sachverhalt hat Gerhard O***** (dessen Einzelrechtsnachfolgerin die Klägerin infolge einer Unternehmensübergabe ist) 1999 zusammen mit der Kulturmanagerin Eva H***** einen Internetauftritt im Umfang von ca. fünf bis zehn Webseiten, die den als Theater- und Fernsehschauspieler im deutschsprachigen Raum bekannten Beklagten präsentiert, entworfen, realisiert, unter einer aus dem Namen des Beklagten gebildeten Domain ins Netz gestellt und ihm - als Überraschung - geschenkt. Zwischen den Beteiligten herrschte Einvernehmen, dass dieser Internetauftritt die "offizielle Homepage" des Beklagten sein sollte. Die Geschenkgeber forderten den Beklagten in der Folge auf, ihnen weiteres Material zu übergeben, damit die Homepage erweitert werden könne. Obwohl O***** einschlägig gewerblich tätig war, gingen sowohl er als auch der Beklagte davon aus, dass der Beklagte kein Entgelt an O***** zu leisten habe, der Beklagte jedoch auf Grund seiner Popularität die Leistungen von O***** auf dem Gebiet von Internetauftritten in der Öffentlichkeit bekannt machen werde.
Infolge laufender Einarbeitung neuen Bild- und Textmaterials durch O***** wurde der Inhalt der Homepage auf ein Vielfaches ihres ursprünglichen Umfangs erweitert und ständig aktualisiert. Da der Beklagte die Mühewaltung von O***** später doch entgelten wollte, vereinbarte er mit ihm einen Webhosting-Vertrag (betreffend Speicherung, Verwaltung und Wartung der Homepage) um ein monatliches Entgelt von 500 S. 2001 wollte der Beklagte das Design seiner Homepage zeitgemäßer gestalten sowie ein Aktualisierungs-System installieren und bat O***** sowie einen Mitbewerber um Kostenvoranschläge für diese Leistungen. Der Beklagte vergab diesen Auftrag schließlich an den (billigeren) Mitbewerber. Mit O***** wurde besprochen, dass er Provider bleiben und auch das Gästebuch weiter betreuen sollte; er erhielt auch Einblick in die geplante neue Gestaltung der Seiten und übergab dem Mitbewerber das Passwort, welches eine Änderung der Homepage technisch erst ermöglichte, ohne irgendwelche Vorbehalte zu erheben oder Rechte an der Homepage zu behaupten. Die vom Mitbewerber teilweise neu gestaltete Homepage wurde im August 2002 ins Netz gestellt; sie enthält eine Vielzahl von Dateien, die O***** erstellt hat.
Die Vorinstanzen haben das Begehren auf Unterlassung der Vervielfältigung und/oder Verbreitung der zu Gunsten der Klägerin urheberrechtlich geschützten Website als Ganzes oder in Teilen, auf Beseitigung des Internetauftritts, auf Zahlung eines angemessenen Entgelts und auf Urteilsveröffentlichung im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, O***** habe dem Beklagten konkludent das Recht eingeräumt, über die von ihm für die Homepage erbrachten Leistungen frei und unbeschränkt (auch im Weg einer Bearbeitung) zu verfügen.
Rechtssatz
Die für die Revisionszulässigkeit maßgebende Erheblichkeit der Rechtsfragen bestimmt sich nach objektiven Umständen. Der Rechtsmittelwerber wird daher immer zu überlegen haben, ob sein Rechtsproblem potentiell auch andere Personen und vergleichbare Fälle berührt (ImmZ 1991, 143; 4 Ob 553/90 ua). Die Kasuistik des Einzelfalls schließt in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (ZVR 1989/131; VersRdSch 1989,188; 4 Ob 553/90; 4 Ob 124/98h uva).
Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung oder der Schlüssigkeit eines Verhaltens bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0043253 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen), es sei denn, es läge eine krasse Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (vgl RIS-Justiz RS0042776), oder die Rechtssicherheit erforderte es, eine unrichtige, mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Bedeutung eines Verhaltens im Widerspruch stehende rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht auch im Rahmen einer außerordentlichen Revision zu korrigieren (vgl RIS-Justiz RS0016489). Keinen dieser Fälle zeigt die Revision jedoch auf. Insbesondere kann von einer rechtsgrundlosen Verwendung fremder Leistungen keine Rede sein.
Werknutzungsrechte und Werknutzungsbewilligungen können auch schenkungsweise eingeräumt werden (Stanzl in Klang² IV/1, 585; Schubert in Rummel, ABGB³ § 938 Rz 2; SZ 67/172 = ÖBl 1995, 131 - Oskar Werner). Welche Befugnisse einem Schenkungsnehmer übertragen worden sind, ist - ebenso wie in Fällen der Schaffung eines Werks im Auftrag eines anderen oder der ausdrücklichen Einräumung eines Werknutzungsrechts (MR 2000, 315 [M. Walter] - Katalogbilder mwN) - im Zweifel nach dem praktischen Zweck der ins Auge gefassten Werknutzung zu bestimmen. Wenn die Vorinstanzen vor allem aus dem Zweck der Internetpräsentation eines lebenden Schauspielers und der bedingungslosen Bekanntgabe des Zugangscodes durch Obermayr in Kenntnis des geplanten Redesigns der Homepage den Schluss gezogen haben, dem Beklagten seien unentgeltliche und unbeschränkte Nutzungsrechte an sämtlichen von O***** erstellten und für die Homepage verwendeten Dateien eingeräumt worden, liegt darin keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Von der urheberrechtlichen Qualifikation (als Computerprogramm, Datenbankwerk oder Datenbank, Sammelwerk, Werk der Literatur oä; vgl dazu 4 Ob 94/01d = MR 2001, 234 - Telering.at) hängt die Entscheidung nicht ab.