aistersheim.at
OGH, Beschluss vom 20.1.2004, 4 Ob 258/03z
***** Zusammenfassung *****
Die klagende Gemeinde verlangt die Herausgabe ihrer Ortsnamens-Domain. Der Beklagte hatte vorher Geld für die Domain verlangt und verfügte über keinerlei Bezug zum Namen "Aistersheim, außer dass er in diesem Ort geboren wurde.
Das Erstgericht ging von Domaingrabbing im Sinne einer Behinderungsabsicht aus und gab der Klage statt, das Berufungsgericht bestätigte.
Der OGH weist die außerordentliche Revision zurück. Sittenwidriges Domain-Grabbing liegt nach gefestigter Rsp dann vor, wenn mit der Registrierung des fremden Kennzeichens die Absicht verfolgt wurde, vom Inhaber des Kennzeichens einen finanziellen Vorteil für die Übertragung des Domainnamens zu erlangen (Domainvermarktung) oder wenn dem Beklagten zum Zeitpunkt der Registrierung oder später bewusst ist, dass er die Klägerin durch die Belegung dieser Domain bei der Präsentation bzw Bewerbung der Gemeinde behindern würde, ohne dass der Inhaber ein eigenes Interesse an der Domain hat. Die im Vergleich zur Domainlöschung (weitere) Verpflichtung, die Vornahme der Domainregistrierung zu unterlassen, kann als Verpflichtung verstanden werden, einem - nach Beseitigung des wettbewerbswidrigen Zustandes durch Löschung - neuerlichen Verstoß vorzubeugen. Es besteht daher kein Anlass, von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr auszugehen, den der Beklagte darin erblickt, dass die Registrierung nur einmal erfolgen könne.
***** Entscheidung *****
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden, durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde Aistersheim, vertreten durch Dr. Gerald Wildfellner und andere Rechtsanwalt in Grieskirchen, gegen die beklagte Partei Harald S*****, vertreten durch Dr. Heinz Buchmayr und Dr. Johannes Buchmayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Beseitigung (Gesamtstreitwert 25.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Oktober 2003, GZ 4 R 156/03v-15, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen,
1. es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes zu
unterlassen, zu ihren Gunsten die Registrierung des Domainnamens
"aistersheim.at" bei der "Internet Verwaltungs- und Betriebs GmbH."
vorzunehmen, und
2. die bereits zu Gunsten der beklagten Partei bei der "Internet
Verwaltungs- und Betriebs GmbH." erfolgte Registrierung des Domainnamens
"aistersheim.at" zu löschen.
Die klagende Partei brachte dazu vor, sie beabsichtige, eine Homepage mit dem Namen "aistersheim.at" im Internet zu etablieren. Da sich der Beklagte die Domain "aistersheim.at" zuvor bei der "Internetverwaltungs- und Betriebs GmbH", (abgekürzt "NIC") auf seinen Namen habe registrieren lassen, werde sie an diesem Vorhaben gehindert. Der Beklagte habe kein nachvollziehbares Eigeninteresse am Rechtserwerb der Domain und habe diese nur deshalb erworben, um die Klägerin am Zugang zum Internet zu hindern und um die Domain zu einem mehr oder weniger hohen Preis an sie verkaufen zu können. So habe der Beklagte für die Übertragung des Domainnamens eine Geldforderung von ATS 100.000,-- bzw. etwa EUR 10.000,-- erhoben.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, es habe weder zum Zeitpunkt der Registrierung der Domain "aistersheim.at" noch zu einem späteren Zeitpunkt Behinderungsabsicht bestanden. Vielmehr habe er die Domain in der Absicht erworben, den Sitz seiner Firma für die Zukunft wieder nach Aistersheim zu verlegen. Bislang hätten nur die finanziellen Mittel für die Realisierung einer Homepage gefehlt. Er habe nie eine Zahlungsaufforderung an die Klägerin für die Freigabe der Domain gestellt; vielmehr habe er dem Bürgermeister lediglich mitgeteilt, wieviel eine professionell erstellte Homepage koste. Er stehe auch in einem Naheverhältnis zur Gemeinde und sei stets an einer Zusammenarbeit mit der Klägerin bei der Erstellung der Gemeindehomepage interessiert gewesen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, stellte die Behinderungsabsicht des Beklagten zum Zeitpunkt der Domainregistrierung (richtig: der Domainanmeldung) fest, und führte rechtlich unter Bezugnahme auf § 1 UWG aus, dass aus Anlass der Registrierung fremder Kennzeichen als Domain mit Vermarktungs- oder Behinderungsabsicht ein Wettbewerbsverhältnis ad hoc begründet werde. Dies gelte auch für Privatpersonen, die mit Handlungen der beschriebenen Art die private Sphäre verlassen und als Teilnehmer im Wettbewerb agieren würden. Auch öffentlich-rechtliche Körperschaften, somit auch Gemeinden, könnten im geschäftlichen Verkehr handeln. Wenn und soweit sie privatwirtschaftlich tätig werden, würden sie den Vorschriften des Wettbewerbsrechtes unterliegen, den privaten Mitbewerbern gleichstehen und die gleichen Rechte aber auch Pflichten wie diese haben. Sittenwidriges Domain-Grabbing komme nach der Rechtsprechung in zwei Spielarten vor. Eine Domain werde entweder in der Absicht erworben, für einen Mitbewerber ein Vertriebshindernis zu errichten (Domainblockade), oder es werde mit der Registrierung eines fremden Kennzeichens die Absicht verfolgt, vom Inhaber des Kennzeichens einen finanziellen Vorteil für die Übertragung der Domain zu erlangen.
Ein Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Aspekt Domain-Grabbing setze also voraus, dass der Verletzer bei Reservierung und Nutzung der Domain in Behinderungsabsicht gehandelt habe. Das subjektive Tatbestandselement der Vermarktungs- oder Behinderungsabsicht müsse bereits im Zeitpunkt der Registrierung vorliegen; diese Absicht müsse das überwiegende, wenn auch nicht das einzige Motiv zum Rechtserwerb sein. Bei einem Angebot, die Domain dem Zeicheninhaber zu verkaufen, werde dies regelmäßig der Fall sein, weil erst die Behinderungseignung der finanziellen Forderung den notwendigen Nachdruck verleihe.
Nach den getroffenen Feststellungen sei der klagenden Partei der Beweis gelungen, dass kein nachvollziehbares Eigeninteresse des Beklagten am Rechtserwerb der Domain "aistersheim.at" bestehe, da insbesondere diese Top-Level Adresse gleichlautend mit dem Namen der Klägerin sei, hingegen mit dem Namen oder der eigenen Tätigkeit des Beklagten sowie seinem Lebensbereich in keinem Zusammenhang stehe. Demgemäß sei dem Beklagten sittenwidriges Domain-Grabbing vorzuwerfen. Rechtsfolge des wettbewerbswidrigen Handelns des Beklagten sei der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der verbotenen Handlung (hier: fortdauernde Registrierung der strittigen Domain durch den Beklagten), der gemäß § 15 UWG auch das Recht umfasse, die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands zu verlangen. Mit dem Beseitigungsanspruch werde die Korrektur eines aus früherem rechtswidrigen Verhalten resultierenden, gegenwärtig fortdauernden Störungszustandes verlangt. Erst mit der Löschung der Registrierung der Domain zu Gunsten des Beklagten werde das von diesem durch seine wettbewerbswidrige Handlung errichtete Hindernis für den Marktzugang der Klägerin wieder aus dem Weg geräumt.
Das Rekursgericht gab der Berufung der beklP in nicht öffentlicher Sitzung keine Folge, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen vollinhaltlich und führte ergänzend aus: In diesem Zusammenhang ist dem Berufungswerber die nicht nur schlüssige, sondern auch lebensnahe Beweiswürdigung des Erstgerichtes entgegen zu halten. Mit diesem ist hervorzukehren, dass der Beklagte selbst davon sprach, weder im Zeitpunkt der Registrierung der Domain noch jetzt Inhaber einer Firma gewesen zu sein bzw. zu sein, seinen (früheren) Zweitwohnsitz in Aistersheim aufgelöst und kein über bloße Verwandtschaftsbesuche hinausgehendes Naheverhältnis zur Gemeinde Aistersheim (mehr) zu haben, sondern seit über 10 Jahren nicht mehr in Aistersheim zu leben und diese Gemeinde nur mehr fallweise aufzusuchen, sowie nicht über die fachliche Kompetenz zur Erstellung von Homepages zu verfügen. Vor diesem Hintergrund ist es aber auch unbedenklich, wenn das Erstgericht zur Frage des Inhaltes der zwischen dem Beklagten und dem Bürgermeister der Gemeinde Aistersheim geführten Telefonate von den diesbezüglichen Angaben des Letztgenannten, also davon, dass nicht über eine allfällige Zusammenarbeit oder über Werbeeinschaltungen auf der Gemeindehomepage gesprochen wurde und sich dementsprechend der beim Telefonat angesprochene Betrag nicht auf die Kosten für die Erstellung einer Homepage bezog, sondern eine "Ablöse" für die (Übertragung der) Domain darstellen sollte, ausging und nicht von jenen des Beklagten. Gegen das Vorliegen einer Behinderungsabsicht des Beklagten zur Zeit der Registrierung der Domain spricht auch nicht, dass nach den Verfahrensergebnissen die Gemeinde Aistersheim nicht schon damals ihr (zukünftiges) Interesse an der Domain (in irgendeiner Form nach außen hin) bekundet hat. Denn nach der für jedermann schon in den Jahren zuvor unübersehbar ansteigenden Bedeutung des Internets gerade auch für juristische Personen, insbesondere auch für Körperschaften öffentlichen Rechts, speziell für Gemeinden, ist (auch) dem Beklagten zu unterstellen, den zukünftigen Bedarf der Gemeinde Aistersheim an der gegenständlichen Domain vorausgesehen zu haben. Damit ist für seinen Standpunkt auch aus dem weiteren in der Berufung angesprochenen Umstand, die Gemeinde besitze (nach wie vor) keine eigene Homepage und sei auch im Internet nicht präsent, (beweiswürdigend) nichts zu gewinnen. Die Verpflichtung der beklagten Partei zur Löschung der Registrierung eines Domainnamens bei der Internet Verwaltungs- und Betriebs GmbH., also der offiziellen Registrierungs- und Verwaltungsstelle für .at-Domains, könne nur als Verpflichtung zur Abgabe einer entsprechenden Einwilligungs- bzw. Löschungserklärung verstanden werden. Das Unterlassungs- und das Löschungsbegehren könne durchaus nebeneinander bestehen. Die Löschungsverpflichtung dient der Beseitigung des wettbewerbswidrigen Zustandes. Die Unterlassungsverpflichtung beugt der neuerlichen Schaffung eines solchen vor.
Eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Berufungsvorbringen zu den Voraussetzungen für die Verletzung des Namenrechts (iSd § 43 ABGB) ist entbehrlich, weil das Erstgericht den Urteilsspruch (allein) auf einen Verstoß des Beklagten gegen § 1 UWG stützt. Die Behinderungsabsicht bei der Registrierung der Domain wurde durch das Erstgericht festgestellt. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen, weil im Berufungsverfahren in erster Linie Tatfragen zu klären waren und im Übrigen eine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, von welcher das Berufungsgericht nicht abgewichen wäre.
Rechtssatz
Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit der Rsp des Senats zu Verstößen gegen § 1 UWG wegen Domain-Grabbings in Einklang. Danach liegt sittenwidriges Domain-Grabbing auch dann vor, wenn mit der Registrierung des fremden Kennzeichens die Absicht verfolgt wurde, vom Inhaber des Kennzeichens einen finanziellen Vorteil für die Übertragung des Domainnamens zu erlangen (Domainvermarktung, 4 Ob 139/01x = MR 2001, 245 - Täglichalles.at; 4 Ob 41/02m - Graz 2003.org). Eine im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war dem Beklagten zum Zeitpunkt der Registrierung der Domain sowie später bewusst, dass er die Klägerin durch die Belegung dieser Domain bei der Präsentation bzw Bewerbung der Gemeinde behindern würde. Er ließ die Domain aus dem überwiegenden Motiv registrieren, diese in weiterer Folge mit finanziellem Vorteil an die Gemeinde zu vermarkten. Ein berechtigtes nachvollziehbares Eigeninteresse des Beklagten an der Domain konnten die Vorinstanzen nicht feststellen.
Das Berufungsgericht hat die dem Beklagten auferlegte Verpflichtung, die Domainregistrierung bei der Vergabestelle zu löschen, als Verpflichtung des Beklagten verstanden, in die Löschung einzuwilligen bzw eine Löschungserklärung abzugeben. Es hat die (weitere) Verpflichtung, die Vornahme der Domainregistrierung zu unterlassen, als Verpflichtung verstanden, die einem - nach Beseitigung des wettbewerbswidrigen Zustandes durch Löschung - neuerlichen Verstoß vorbeugen solle. Bei Berücksichtigung dieses Verständnisses sind sowohl das auf Beseitigung gerichtete Löschungsbegehren als auch das für die Zeit danach formulierte Unterlassungsbegehren nicht unschlüssig.
Bei dieser Auslegung des Unterlassungsgebotes besteht auch kein Anlass, von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr auszugehen, den der Beklagte darin erblickt, dass die Registrierung nur einmal erfolgen könne.