Entscheidungen Urheberrecht

Bearbeitung Franz Schmidbauer

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Schräger Pfahl: OGH, Urteil vom 21.12.2004, 4 Ob 197/04f

UrhG § 22

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Der Bildhauer Andreas U. schuf 1959 die Skulptur "Schräger Pfahl". Im Laufe der Zeit begann das im Eigentum des Beklagten stehende Werk aus Mörtel zu zerfallen. 1999 verlangten die Erbinnen von U, der Beklagte solle ihnen zwecks Herstellung von Abgüssen zur Verfügung stellen. Der Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf die Gefahr von Beschädigungen ab.

Das Erstgericht lehnte die Zurverfügungstellung unter Hinweis auf die Beschädigungsgefahr ab ließ nur eine berührungslose Abtastung mittels Laser zwecks Herstellung eines 3D-Modelles zu. Das Berufungsgericht bestätigte.

Der OGH gab der außerordentlichen Revision der Klägerinnen keine Folge. Der Besitzer eines Werkstückes muss das Original oder Vervielfältigungsstück dem Urheber und seinen Erben zugänglich machen, soweit dies notwendig ist, um ihnen die Vervielfältigung zu ermöglichen. Das in seinem Kern nach herrschender Meinung unverzichtbare Zugangsrecht ist aber einerseits auf den Zweck beschränkt, Vervielfältigungsstücke herzustellen, andererseits ist auf die Interessen des Besitzers entsprechend Rücksicht zu nehmen. Letzteres bedeutet nicht nur, dass bei der Ausübung des Zugangsrechts auf die persönlichen Verhältnisse des Besitzers zu achten ist, sondern dass auch die Gefahr einer allfälligen Beschädigung des Werkstücks zu berücksichtigen ist. In der Regel wird hiebei das Interesse des Besitzers an der Unversehrtheit seines Werkstücks das Interesse des Urhebers an der Herstellung von Vervielfältigungsstücken überwiegen, wenn bei der Vervielfältigung eine Beschädigung des Werkstücks zu befürchten ist.

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-------------------   Entscheidung  --------------------
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ulrike U*****, und 2.) Andrea U*****, beide vertreten durch Dr. Andrea Wukovits, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Stefan S*****, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 21.801,85 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. Juni 2004, GZ 2 R 84/04a-128a, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 16. Jänner 2004, GZ 9 Cg 108/99p-119, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 1.308,38 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 218,06 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Erstklägerin ist die Witwe, die Zweitklägerin ist die Tochter des 1963 verstorbenen Bildhauers Andreas U*****; beide sind seine Erben. Andreas U***** hat im Jahr 1959 die Skulptur "Schräger Pfahl" aus einem Mörtel oder Beton geschaffen, bei dem Tonerdezement als Bindemittel verwendet worden ist. Die Stabilität und Dauerhaftigkeit von Plastiken aus Tonerdezement ist begrenzt; sie neigen im Zeitraum von Jahren, im Regelfall aber innerhalb von Jahrzehnten, zu fortschreitender Entfestigung. Der Tonerdezement bietet einliegenden metallischen Stützelementen kaum dauerhaften Korrosionsschutz. Ob die metallischen Stützelemente der Skulptur vom Künstler durch Teer gegenüber der korrodierenden Wirkung des Zements abgedichtet wurden und diese Abdichtung wirksam ist, kann nicht festgestellt werden. Dies führt dazu, dass spätestens nach einigen Jahrzehnten ein zwar noch formtreues, aber mechanisch nicht mehr belastbares Werkstück zurückbleibt. Die im Eigentum des Beklagten stehende Plastik befindet sich in einem Stadium des beginnenden Zerfalls. Die Desintegration des Materials ist bereits weit fortgeschritten; es zeigen sich mehrere Risse, insbesondere in Bereichen mit geringem Querschnitt. Außerdem bröckelt Material ab. Dem Kunstwerk haftet eine 0,1 bis 1 mm dicke Patina an, die sich in ihrer Farbe von der Figur unterscheidet und speckig wirkt. Diese Patina ist teilweise bereits abgeblättert und haftet an einigen Stellen nicht gut.

Unter Verwendung der Skulptur als Modell können in verschiedenen Verfahren Abgüsse erstellt oder Kopien angefertigt werden: Beim Sandformverfahren wird die Figur innig und formschlüssig mit Sand umgeben. Da die feuchten Sande plastisch sind, müssen sie entweder manuell oder maschinell durch Stampfen verdichtet werden. Dabei wird das Modell intensiv mechanisch belastet. Im vorliegenden Fall würde es mit Sicherheit zu Beschädigungen der Skulptur (Abbruch von Einzelteilen) kommen, mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar zu einer Zerstörung durch Zerbrechen in viele Einzelteile. Außerdem ist ein Transport in eine Gießerei unbedingt notwendig, sodass das Werkstück auch noch erhöhten Transportgefahren ausgesetzt werden muss. Beim Wachsausschmelzverfahren wird vom Originalmodell mit Gelatine oder Silikon eine mehrteilige Negativform erstellt, aus der ein Wachspositiv geformt wird. Bei diesem Verfahren muss auf die abzuformende Figur regelmäßig eine Trennschicht aufgebracht werden, um ein Anhaften oder Eindringen der Abdruckmasse in das Modell zu verhindern. Bei Verwendung von Gelatine wird das Originalmodell mit einem Versiegelungsmittel auf alkoholischer Basis eingelassen, in zwei Hälften mit Ton belegt und darüber eine Gipsstützschale angebracht. Das Originalmodell wird dann mit Vaseline oder leichtem Öl eingelassen. Bei diesem Verfahren besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Beschädigungen (Abbruch von Einzelteilen) entstehen, weil durch das Manipulieren eine mechanische Belastung entsteht, wenn auch eine geringere als beim Sandformverfahren. Eine Zerstörung durch Zerbrechen in viele Einzelteile ist wenig wahrscheinlich. Darüber hinaus besteht eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass auf der stark zerklüfteten Oberfläche Gelatinereste sichtbar zurückbleiben.

Wird die Negativform aus Silikon geschaffen, wird auf die Skulptur zunächst ein Trennmittel (auf der Basis von Wachs-Benzin oder Vaseline) aufgetragen. Dann wird die Figur mit Silikon umgossen oder Silikon, möglicherweise in mehreren Schichten, mit dem Pinsel aufgetragen. Anschließend muss das Silikon abgelöst werden, was dann besonders gut geht, wenn das Silikon möglichst weich und elastisch ist. Allerdings muss bei der Konsistenz des Silikons ein Ausgleich mit dem Erfordernis gefunden werden, dass es ausreichend fest sein muss, um anschließend das Schaffen eines ausreichend originalgetreuen Wachsmodells zu ermöglichen.

Beim Silikonverfahren ist das Risiko mechanischer Beschädigungen am geringsten, weil das Auftragen der Silikonmasse sehr schonend erfolgen kann. Allerdings besteht die Gefahr, dass beim Abziehen des Silikons kleine Einzelstücke abbrechen, welche später erkennbar wieder angeflickt werden müssen. Der Zustand und die komplizierte Geometrie der Skulptur wirken sich auf dieses Risiko nachteilig aus, sodass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Schadens mit etwa 50 % eingeschätzt werden muss. Dass die Skulptur bei Anwendung des Silikonverfahrens durch Zerbrechen zerstört wird, ist unwahrscheinlich. Beim erforderlichen Auftrennen des Silikons mit einem ausreichend scharfen Werkzeug entstehen unvermeidliche Kratzspuren, wobei solche bei sorgfältigem Arbeiten mit großer Wahrscheinlichkeit aber mit bloßem Auge kaum sichtbar sein werden. Auf der rauen Oberfläche können wie beim Gelatineverfahren Silikonrückstände zurückbleiben. Die Reste des Trennmittels lassen sich lediglich mit einer Alkohollösung abwaschen. Diese wird mit Sicherheit zu einem leichten, sichtbaren Abdunkeln führen, mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar zu einem starken, deutlichen Abdunkeln. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Verfärbungen der Oberfläche mit der Zeit wieder zurückgehen. Ohne Trennmittel kann das Silikon nicht aufgetragen werden, weil es sonst durch starke Haftung auf jeden Fall zu Beschädigungen beim Ablösen kommt. Selbst wenn ein Trennmittel verwendet wird, ist bei der hier stark strukturierten Skulptur mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verwendung eines scharfen Werkzeugs zum Ablösen nötig.

Auch bei dem zuletzt genannten schonendsten Abgussverfahren mit flüssiger Abgussmasse besteht die Gefahr nachträglich auftretender Spätschäden. Im Hinblick auf den bedenklichen Zustand des Kunstwerks bedeutet jeder Stoß, jede Erschütterung und jede Druckeinwirkung die Gefahr einer Beschädigung, die vielleicht nicht sofort, jedoch im Laufe der Jahre durch verstärkte Lockerung des Gefüges und Risskeime geschehen kann. Die bei der Handhabung der Plastik und beim Aufbringen der Abgussmasse entstehenden Erschütterungen und Krafteinwirkungen führen mit Wahrscheinlichkeit dazu, dass bereits vorhandene Beschädigungen fortschreiten und der Zerfallprozess beschleunigt wird, was in der Folge nahezu schlagartig zum Zerfall der Skulptur führen kann.

Da der Tonerdezement bereits erheblich beeinträchtigt ist und die ersten Risse entstanden sind, ist das Risiko einer Beschädigung mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit gegeben, selbst wenn der Abguss am Standort der Skulptur gemacht würde, und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, wenn die Skulptur zum Zwecke des Abgusses auf herkömmliche Weise an einen entfernten Ort transportiert würde. Die Transportrisken könnten, was Erschütterungen anlangt, grundsätzlich dadurch vermieden werden, dass das Kunstwerk in einer Spezialverpackung kardanisch aufgehängt befördert wird. Weiters existieren technisch und wirtschaftlich aufwändige berührungslose Verfahren für Kopie und Vervielfältigung, bei denen kein Abguss vom Modell genommen wird, sondern dessen räumliche Daten vermessen und dazu verwendet werden, um eine Kopie herzustellen. Berührungslos bedeutet nicht in jedem Fall erschütterungsfrei, weil auch auf Distanz Bewegungen im Material selbst hervorgerufen werden können. Bei der Abtastung der Figur mit Laser zur Herstellung eines elektronischen 3-D-Modells werden auf Grund der geringen Energie des Laserlichts beim Auftreffen auf die Oberfläche der Plastik weder bedeutsame Erschütterungen noch Temperatureinwirkungen ausgelöst. Im Gegensatz zu herkömmlichen Abgussverfahren besteht beim Abtasten der Skulptur im Laserverfahren keine Beschädigungsgefahr. Ob dieses Verfahren am jetzigen Standort der Skulptur durchgeführt werden kann, ist allerdings nicht feststellbar.

Die Klägerinnen begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihnen die Zementfigur "Schräger Pfahl" zum Zweck der Vervielfältigung durch die Herstellung von Abgüssen für die Klägerinnen auf deren Kosten einer bestimmten Kunstgießerei, hilfsweise einer vom Gericht zu bestimmenden Gießerei, für den erforderlichen Zeitraum, hilfsweise für den Zeitraum von vier Wochen, hilfsweise für eine vom Gericht zu bestimmende angemessene Frist, zur Verfügung zu stellen, hilfsweise die Plastik in der Gießerei in einer Weise zugänglich zu machen, welche die Vervielfältigung für die Klägerinnen durch die Herstellung von Abgüssen ermöglicht. Die Klägerinnen berufen sich auf § 22 UrhG. Eine Vervielfältigung ziehe weder die Gefährdung des Urstücks nach sich, noch habe der Eigentümer ein Anrecht darauf, die in seinem Besitz befindliche Skulptur als Unikat zu erhalten. Die Möglichkeiten zur Herstellung von Vervielfältigungsstücken schlössen jede Beschädigung oder Beeinträchtigung des Urstücks aus. Überdies sei der endgültige Zerfall der Skulptur lediglich eine Frage der Zeit, wodurch nicht nur das Eigentumsrecht des Beklagten, sondern auch das Urheberrecht des Künstlers ersatzlos verloren gehe. Das Interesse des Eigentümers an der Vermeidung einer allfälligen Beschädigungsgefahr sei dem Interesse der Allgemeinheit sowie des Künstlers an der Erhaltung und Zugänglichmachung des Kunstwerkes gleichwertig. Auch bei erhöhter Gefahr einer Beschädigung müsse das Abgussverfahren zulässig sein.

Der Beklagte wendete - soweit im Revisionsverfahren noch von Belang - vor allem ein, er sei nicht verpflichtet, eine Gefährdung des Werks, insbesondere auch eine Gefährdung der besonderen Patina in Kauf zu nehmen. Sichtbar geflickte Teile einer Skulptur würden einen Wertverlust von zumindest 75 % bedeuten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Zurverfügungstellung zwecks Vervielfältigung durch Herstellung von Abgüssen in einer Gießerei ab und verpflichtete den Beklagten lediglich, die Vervielfältigung durch Lasertechnik mittels Schaffung eines 3-D-Modells an einem von ihm zu bestimmenden Standort (und in näher eingeschränkten Zeiträumen) zu dulden. Der Beklagte habe nach § 22 UrhG das Werkstück zum Zwecke der Vervielfältigung nicht herauszugeben, jedenfalls solange nicht, als Abgussverfahren zur Verfügung stünden, die am jeweiligen Standort der Plastik vorgenommen werden könnten. Es komme daher nur das Silikonverfahren oder ein elektronisches Abtastverfahren in Betracht. Selbst bei Anwendung des schonendsten Abgussverfahrens und sorgfältiger Arbeitsweise bestehe eine erhöhte Gefahr der Veränderung und Beschädigung, weshalb dem Beklagten als Besitzer und Eigentümer des Kunstwerks nicht zumutbar sei, sein Werkstück dieser gegenüber sonstigen Verhältnissen deutlich erhöhten Gefahr von Beschädigungen auszusetzen. Das Interesse des Urhebers an der Vervielfältigung habe daher gegenüber dem Interesse des Eigentümers am unveränderten Zustand und an der Unversehrtheit des Werkstücks zurückzutreten. Lediglich das Verfahren mittels Schaffung eines 3-D-Modells (berührungslose Lasertechnik) trage den Interessen des Beklagten ausreichend Rechnung.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision unzulässig sei, zumal ausschließlich auf Umstände des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen sei. Die Bestimmung des § 22 UrhG gewähre keinen Herausgabeanspruch, sondern diene der Aufrechterhaltung der ideellen Bande zwischen dem Schöpfer und seinem Werk, in dem er ein Recht auf Zugang unter den beiden einschränkenden Voraussetzungen habe, dass der Zugang zum Zweck der Herstellung eines Vervielfältigungsstücks erfolge und die berechtigten Interessen des Besitzers gewahrt blieben. Es kommen nur Vervielfältigungsmöglichkeiten in Betracht, bei denen einerseits das Werk beim Beklagten verbleiben könne und andererseits keine berechtigten Interessen gefährdet werden. Die Interessen der Klägerinnen als Rechtsnachfolgerinnen des Schöpfers lägen einerseits darin, das Werk zu verbreiten und einem größeren Kreis von Kunstkennern zugänglich zu machen und andererseits darin, Abgüsse herzustellen, um sie entsprechend an Sammler oder Museen zu veräußern. Die Interessen der Klägerinnen seien sowohl ideeller als auch wirtschaftlicher Art. Diesen Interessen stehe das Interesse des Beklagten an der Integrität und Unversehrtheit der in seinem Eigentum stehenden Skulptur gegenüber. Das Interesse des Beklagten überwiege das Interesse der Klägerinnen, aus der Vervielfältigung des Werkstücks wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, um den Klägerinnen durch Vervielfältigungen der Skulptur wirtschaftliche Vorteile zu ermöglichen, die hohe Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung (bleibende Veränderung der Oberfläche, Abbrüche kleiner Einzelstücke, die selbst nach Reparatur erkennbar bleiben) in Kauf nehmen zu müssen. Das Interesse des Besitzers an der Unversehrtheit seines Werkstücks überwiege die Interessen des Urhebers an der Herstellung von Vervielfältigungsstücken. Dass sich die Plastik des Beklagten in einem Zustand des beginnenden Zerfalls befinde und in einigen Jahrzehnten ein zwar noch formtreues, aber mechanisch nicht mehr belastbares Werkstück zurückbleibe, sodass das Originalwerkstück des Künstlers durch natürlichen Verfall verloren gehen werde, habe bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen unberücksichtigt zu bleiben, weil der Besitzer des Werks nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht verpflichtet sei, für die Erhaltung des Werkstücks zu sorgen.

Rechtssatz

Die außerordentliche Revision der Klägerinnen ist zwar mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 22 UrhG zulässig, aber nicht berechtigt.

Zunächst ist zur Mängelrüge der Klägerinnen festzuhalten, dass ein vom Berufungsgericht bereits verneinter Verfahrensmangel in dritter Instanz nicht neuerlich geltend gemacht werden kann (stRsp; RIS-Justiz RS0042963; Kodek in Rechberger ZPO2, § 503 Rz 3 mwN). Die Frage, ob die eingeholten Sachverständigengutachten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigen, gehört zur Beweiswürdigung; ebenso jene, ob die eingeholten Sachverständigengutachten erschöpfend sind und ob noch weitere Fragen zu stellen gewesen wären oder ob außer dem bereits vorliegenden noch weitere Gutachten oder noch andere Kontrollbeweise zu demselben Beweisthema aufzunehmen gewesen wären (stRsp; RIS-Justiz RS0043163). Mit der Rechtsrüge können tatsächliche Feststellungen nur insoweit angefochten werden, als sie auf Schlussfolgerungen beruhen, die mit den Gesetzen der Logik und der Erfahrung unvereinbar sind (stRsp; RIS-Justiz RS0043356; zuletzt etwa ÖBl 2004, 277 - Superpages). Ein zur Anfechtung in der Revision geeigneter Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nur dann vor, wenn der Schluss des Richters logisch unmöglich ist (ÖBl 2004, 277 mwN). Derartiges vermögen die Revisionswerberinnen nicht aufzuzeigen.

Der Besitzer eines Werkstücks hat es gemäß § 22 UhrG dem Urheber auf Verlangen zugänglich zu machen, soweit es notwendig ist, um das Werk vervielfältigen zu können; hiebei hat der Urheber die Interessen des Besitzers entsprechend zu berücksichtigen. Der Besitzer ist nicht verpflichtet, dem Urheber das Werkstück zu dem angeführten Zweck herauszugeben; auch ist er dem Urheber gegenüber nicht verpflichtet, für die Erhaltung des Werkstücks zu sorgen.

Die Vorschrift - sie stimmt inhaltlich weitgehend mit § 25 dUrhG überein - bezweckt einen Interessenausgleich zwischen dem Besitzer des Werkstücks als körperlichem und dessen Urheber als geistigem "Eigentümer", indem sie dem Urheber unter bestimmten Voraussetzungen ein Zugangsrecht zu dem von ihm geschaffenen Werkstück zubilligt. Dieses ist Ausfluss des Urheberpersönlichkeitsrechts; es gehört zum unauflöslichen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Band zwischen Urheber und Werk (Ciresa, Österreichisches Urheberrecht, § 22 UrhG Rz 1 mwN; Dreier/Schulze, dUrhG § 25 Rn 1 mwN).

Das in seinem Kern nach hM unverzichtbare Zugangsrecht (Ciresa aaO; Vogel in Schricker, Urheberrecht2, § 25 dUrhG, Rn 22, je mwN) ist einerseits auf den Zweck beschränkt, Vervielfältigungsstücke herzustellen, andererseits ist auf die Interessen des Besitzers entsprechend Rücksicht zu nehmen. Letzteres bedeutet nicht nur, bei der Ausübung des Zugangsrechts auf die persönlichen Verhältnisse des Besitzers zu achten, sondern auch die Gefahr einer allfälligen Beschädigung des Werkstücks zu berücksichtigen (Ciresa aaO Rz 6; Dillenz/Gutman, Praxiskomm z Urheberrecht2, § 22 UrhG Rz 2). In der Regel wird hiebei das Interesse des Besitzers an der Unversehrtheit seines Werkstücks das Interesse des Urhebers an der Herstellung von Vervielfältigungsstücken überwiegen, wenn bei der Vervielfältigung eine Beschädigung des Werkstücks zu befürchten ist (Vogel aaO Rn 18; Dreier/Schulze aaO Rn 24). Entgegen der von den Klägerinnen vertretenen Auffassung kann die Berücksichtigung der Interessen des Besitzers im Falle der nicht bloß ganz geringen Gefahr einer ernsthaften Beschädigung des Werkstücks dazu führen, dass das Zugangsrecht des Urhebers - oder seiner Rechtsnachfolger, wie im vorliegenden Fall - insoweit beschränkt wird, als lediglich eine mit der bloß wenig wahrscheinlichen Gefahr einer Beschädigung verbundene Vervielfältigungsmethode gestattet ist oder die Ausübung des Zugangsrechts überhaupt am Zustand des Werkstücks scheitert. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht das von den Klägerinnen geltend gemachte Zugangsrecht auf jene Methode beschränkt (Herstellung eines 3-D-Modells mittels Laserabtasttechnik), welche mit keiner nennenswerten Beschädigungsgefahr verbunden ist. Die von den Klägerinnen angestrebte Vervielfältigungsmethode (Abgussverfahren unter Verwendung von Silikon) ist hingegen im Hinblick auf die festgestellte nicht bloß geringe Gefahr einer erheblichen Beschädigung sowohl der Oberfläche als auch der Integrität des Werkstücks als Ganzes abzulehnen.

Dem Gesetzestext klar zu entnehmen ist, dass der Besitzer zur Herausgabe des Werkstücks an den Urheber nicht verpflichtet ist. Ob diese Bestimmung dahin zu verstehen ist, dass eine - wenn auch nur vorübergehende - Besitzüberlassung an den Urheber aus dem Zugangsrecht nach § 22 UrhG nicht ableitbar ist (so Ciresa aaO Rz 7) oder für die Fälle der Notwendigkeit, das Werkstück zwecks Vervielfältigung an einen anderen Ort (etwa eine Gießerei) zu bringen, eine einschränkende Auslegung im Sinn des Ausschlusses bloß der dauernden Überlassung angebracht ist (so offenbar Dillenz/Gutman aaO Rz 2; Dreier/Schulze aaO Rn 24; Loewenheim, Handbuch, 237), kann im vorliegenden Fall im Hinblick auf die mittlerweile rechtskräftige Verpflichtung des Beklagten zur (eingeschränkten) Zugangsgewährung am Ort der Aufstellung des Werkstücks sowie der schon auf Grund des überwiegenden Interesses des Beklagten an der Vermeidung der hohen Gefahr erheblicher Beschädigungen des Werkstücks fehlenden Berechtigung des von den Klägerinnen aufrecht erhaltenen Zugangsbegehrens zwecks Anfertigung einer Abgussform dahingestellt bleiben.

Der Revision der Klägerinnen muss daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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