kinder.at
OGH, Beschluss vom 16.7.2002, 4 Ob 156/02y
***** Zusammenfassung *****
Die Süßwarenfirma Ferrero als Inhaberin der Wortbildmarke "kinder" und Herstellerin von "Kinder-Schokolade" klagt die Webfirma MediaClan, die unter der Domain "kinder.at" ein Eltern-Kinder-Portal betreibt; Ferrero sieht ihr Markenrecht verletzt.
Das Erstgericht wies die Klage ab; das Berufungsgericht bestätigte.
Der OGH weist die außerordentliche Revision zurück. Das Wort "kinder" hat äußerst schwache Kennzeichnungskraft und wird außerdem von der Beklagten im ursprünglichen Sinn verwendet und damit ohne Beeinträchtigung der Marke.
***** Entscheidung *****
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferrero Österreich HandelsgesmbH, Innsbruck, Templstraße 5b, vertreten durch Dr. Hans Georg Zeiner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Media Clan Gesellschaft für Online Medien GmbH, Wien 8, Bennogasse 8/6, vertreten durch Dr. Georg Freimüller und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Beseitigung (Gesamtstreitwert 36.336,42 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2002, GZ 5 R 32/02s-17, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Der erkennende Senat stellt bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr durch den Gebrauch eines Zeichens als Domain-Name in stRsp auf den Inhalt der unter einer bestimmten Domain in das Netz gestellten Website ab (MR 1999, 351 = ÖBl 2000, 72 – format.at; MR 2000, 322 = wbl 2000/286 – gewinn.at; ecolex 2001/55 = MR 2000, 325 = ÖBl 2001, 35 = wbl 2001/32 – bundesheer.at; MR 2001, 194 <Pilz> = wbl 2001, 337 <Thiele> = RdW 2001, 399 = ecolex 2001, 546 <Schanda> = ÖBl 2001, 225 <Kurz> - cyta.at; RZ 2001, 233 = ecolex 2001, 758 <Schanda> = MR 2001, 330 <Thiele> - dullinger.at). da das Leistungsangebot der Klägerin (Vertrieb vor allem von Schokolade und Schokoladeprodukten) den Tätigkeitsbereich, der – nach dem Inhalt der dort abrufbaren Ankündigung – über Erziehungsfragen einlädt, Linksammlungen und nützliche Informationen für Kinder zusammenstellt und sich in fragen des Jugendschutzes im Internet engagiert), nicht berührt, sind schon aus diesem Grund auf § 9 UWG oder auf § 10 Abs 1 MSchG gestützte Ansprüche (die das Vorliegen von Verwechslungsgefahr voraussetzen) unbegründet.
Die Tatsacheninstanzen gehen als notorisch davon aus, dass die Wort-Bild-Marke, deren Lizenznehmerin die Klägerin ist, „vor allem in Verbindung mit Schokoladeprodukten“ eine bekannte Marke iSd § 10 Abs 2 MSchG sei:
Ungeachtet der Richtigkeit dieser Einschätzung lässt sich daraus für die Klägerin unter dem Aspekt eines erweiterten Markenschutzes nichts gewinnen.
Der erkennende Senat hat zum wettbewerbsrechtlichen Markenschutz gem § 1 UWG ausgesprochen, dass der Tatbestand einer Rufausbeutung oder Rufbeeinträchtigung voraussetzt, dass das vom Beklagten verwendete Zeichen zugunsten des Klägers einen überragenden Ruf im Verkehr besitzt, der auch wirtschaftlich verwertbar ist und vom Beklagten für die eigenen Dienstleistungen werbewirksam genutzt wird; das Kennzeichen muss also in den beteiligten Verkehrskreisen einen hohen Bekanntheitsgrad und ein ebensolches Ansehen erworben haben, dessen Ausnutzung durch Anlehnung lohnend erscheint. Der Verkehr muss darüber hinaus mit dem Kennzeichen für die Waren, für die es verwendet wird, Gütevorstellungen verbinden, die den guten Ruf begründen. Dieser beruht auf der Eigenart des Zeichens, der Art der vertriebenen Waren, ihrer Qualität und ihrem Ansehen, einem damit verbundenen Prestigewert sowie der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Rufs, etwa durch Erteilung einer Lizenz. Auch kommt es auf das Verhältnis jener Waren, deren Bezeichnung übernommen wurde, zu denjenigen an, für die der Ruf der Kennzeichnung genutzt werden soll (ecolex 2002, 32 <Schanda> - Vogue mwN).
Diese Grundsätze gelten auch für den markenrechtlichen Schutz einer bekannten Marke gem § 10 Abs 2 MSchG. Deren Schutzumfang bestimmt sich daher nach der Wechselwirkung von Prägnanz des Kennzeichens, Ähnlichkeit des Kollisionszeichens und Grad der Branchennähe und hängt damit stets von den Umständen des Einzelfalls ab.
Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, die angegriffene Wort-Bild-Marke besitze – wenn überhaupt – nur eine äußerst geringe Kennzeichnungskraft, weil sie ihre Unterscheidungskraft nahezu ausschließlich aus ihrer optischen Gestaltung beziehe, sie sei aber jedenfalls nicht gegen die Verwendung als Domain des darin allein enthaltenen Wortes „Kinder“ als einem Wort der Alltagssprache zur Ankündigung eines Internet-Portals mit allgemeinen Inhalten zum Thema Kinder geschützt, hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung und wendet sie zutreffend auf den Einzelfall an (in diesem Sinne auch Karl, MarkenR 2002, 215 in einer zustimmenden Anmerkung zum Urteil erster Instanz aaO 211, der das aus der deutschen Alltagssprache entlehnte Wort „kinder“ wegen seiner weitläufig gehaltenen Aussagekraft jedenfalls für kennzeichnungsschwach, wenn nicht sogar für schutzunfähig hält und einen ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz deshalb verneint, weil das angegriffene Zeichen, das eine Gattungsbezeichnung ist, entsprechend dem umgangssprachlichen Sinn und damit ohne Beeinträchtigung der Marke in ihrer Identifizierungsfunktion verwendet werde).
Eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende grobe Fehlbeurteilung des Schutzumfanges der angegriffenen Marke liegt somit nicht vor; die Rechtsmittelwerberin zeigt auch sonst keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.