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Schutz des fairen E-Commerce?

Neuer Fall von Massenabmahnung

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Es ist wieder eine Massenabmahnung unterwegs, diesmal seitens eines "Vereines zum Schutz für faires E-Commerce Business", vertreten durch eine Salzburger Anwaltskanzlei. Beanstandet werden vorwiegend Websites, die nicht den Bestimmungen des ECG entsprechen (z.B. Impressum = Anbieterkennzeichnung nach § 5 ECG). Der Verein wurde vor kurzem registriert. Die Klagebefugnis (und damit auch das Recht Abmahnungen durchzuführen) eines derartigen Vereines ergibt sich aus § 14 Abs. 1 UWG. Voraussetzung ist nach dieser Bestimmung, dass der Wettbewerbsverein Interessen vertritt, die durch die Handlung berührt werden; das heißt, der Verein muss Mitglieder haben, die der Branche des Abgemahnten angehören. Wer eine solche Abmahnung bekommt, sollte daher zunächst einmal die Berechtigung des Vereines hinterfragen und um Mitteilung ersuchen, welche Unternehmen derselben Branche Mitglieder des Vereines sind. Dies muss auch im Falle eines Prozesses nachgewiesen werden. Neben solchen Wettbewerbsvereinen sind natürlich auch unmittelbare Konkurrenzunternehmen (Mitbewerber) klagebefugt.

Verhalten bei berechtigter Abmahnung

Ist der Verein grundsätzlich zur Abmahnung berechtigt und liegt ein Verstoß gegen das ECG vor, sollte die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben werden und unverzüglich der gesetzmäßige Zustand hergestellt werden. Die Frage, ob die Kosten eines Rechtsanwaltes zu ersetzen sind und auf welcher Basis diese zu berechnen sind, ist in Österreich und Deutschland Gegenstand vieler juristischer Dispute und es gibt dazu viele, leider divergierende, Entscheidungen. Es ist bei diesen Fällen weitgehend eine Ermessensfrage, die das Gericht von Fall zu Fall so oder so entscheiden kann. Hinzu kommt, dass derartige Verfahren aufgrund des relativ geringen Streitwertes kaum zum Höchstgericht kommen, sodass es auch fast keine veröffentlichten Entscheidungen gibt. Es können daher auch in diesem Forum keine generellen Empfehlungen gegeben werden, wie man sich im Fall des Falles verhalten soll, es bleibt immer bis zu einem gewissen Grad ein Risiko.

Anwaltskosten oder nicht

Vor kurzem hat zwar der deutsche Bundesgerichtshof entschieden (VI ZR 175/05), dass bei einfachen Abmahnungen keine Anwaltskosten zustehen, sondern der Abmahner zunächst seine Rechte selbst geltend machen muss. Dies würde natürlich in besonderem Maße auf einen Verein zutreffen, der genau zu diesem Zweck gegründet wurde (es kann ja nicht unterstellt werden, dass der Verein von vorneherein nur als Goldesel für die Anwaltskanzlei konzipiert war). Allerdings ist zweifelhaft, ob sich diese Judikatur in Österreich durchsetzt und ob sie auf Wettbewerbsverletzungen nach dem ECG übertragbar ist. Anlassfall der BGH-Entscheidung war eine E-Mail-Werbung, die allerdings auch nicht sehr viel weniger kompliziert ist als etwa die Bestimmung über das Impressum, die auch jeder Websitebetreiber kennen muss.

Entgehen kann man dem Unterlassungsanspruch, und damit auch den Abmahnkosten, wenn keine Wiederholungsgefahr besteht. Aufgrund der strengen Anforderungen der Rechtsprechung - diese geht davon aus, dass bereits ein einmaliger Rechtsverstoß die Wiederholungsgefahr impliziert und die Beweislast dafür, dass dafür keine Gefahr besteht, den Rechtsverletzer trifft -, kommt es aber nur sehr selten dazu. In der Regel fällt die Wiederholungsgefahr weg, wenn die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben wird. Dann können aber die Kosten für die Abmahnung gesondert eingeklagt werden. In diesem Verfahren sind aber die Kosten aufgrund des geringen Streitwertes viel geringer.

Die Höhe der zu ersetzenden Kosten werden ebenfalls sehr unterschiedlich beurteilt. Es ist aber Standard, dass die Kosten bei einer Wettbewerbsverletzung, wie sie hier vorliegt, auf Basis eines Streitwertes von EUR 36.000,-- verrechnet werden; dies ist auch durch § 5 der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) gedeckt (die AHR, auf die die Anwaltskanzlei den Anspruch stützt, existieren seit 2005 nicht mehr). Auf der Basis dieses Streitwertes ergeben sich für eine Klage ungefähr Kosten von EUR 1.200,-- zuzüglich der gerichtlichen Pauschalgebühr für das erstinstanzliche Verfahren von EUR 607,--. Zur Frage, ob für die Abmahnung bereits die Kosten für die Klage verrechnet werden können oder nur die geringeren Kosten nach TP 5 oder 6 RATG, wird auf den Artikel "...sowie die Kosten meines Einschreitens" verwiesen.

Wer muss zahlen?

Verantwortlich für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen für eine Website ist deren Betreiber. Der Unterlassungsanspruch und die Abmahnung richten sich daher gegen diesen. Wurde aber die Website von einem Dritten, etwa einem Webdesigner, erstellt, so stellt sich die Frage, inwieweit dieser dem abgemahnten Unternehmen für die aufgelaufenen Kosten haftet. Grundsätzlich haftet jeder, der die Erstellung einer Website übernimmt, gleich ob kommerzielles Unternehmen oder Pfuscher, dafür, dass diese auch den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Der Website-Betreiber hat daher grundsätzlich einen schadenersatzrechtlichen Regressanspruch gegen den Ersteller. Etwas anderes würde nur gelten, wenn etwa nur Arbeiten für Design oder Code vergeben werden und der Inhalt vom Auftraggeber vorgegeben wird. Auch dann stellt sich aber die Frage, ob den Ersteller nicht eine Warnpflicht trifft. Damit nicht im nachhinein Vorwürfe auftauchen, der Websitebetreiber hätte zu Unrecht oder zu hohe Kosten bezahlt, empfiehlt es sich, sofort nach Erhalt der Abmahnung den Ersteller zu verständigen und ihm anzubieten, die Sache gleich selbst zu regeln. Kommt es zu einem Verfahren, ist ihm der Streit zu verkünden.

Eine besondere Situation kann sich ergeben, wenn es zum Zeitpunkt der Erstellung der Website die konkreten Rechtsvorschriften noch nicht gab (das ECG ist etwa am 1.1.2002 in Kraft getreten). In diesem Fall ist der Betreiber alleine für die Einhaltung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich, außer er hat einen Betreuungsvertrag abgeschlossen, der auch die rechtliche Überprüfung einschließt.

Was kann man sonst noch machen?

Ist die Abmahnung grundsätzlich gerechtfertigt, kann es sich lohnen, über die Höhe der Kosten zu verhandeln. Gerade die Frage, ob Kosten nach TP 3, 5 oder 6 des RATG zu bezahlen sind, bietet dazu eine gute Gelegenheit. In der Sache selbst wurde mittlerweile von zahlreichen Unternehmen die Wirtschaftskammer eingeschaltet. Zwecks Koordinierung des Vorgehens sollte diese daher auf jeden Fall verständigt werden. Vielleicht kommt es zu einem Musterprozess, dann wissen wir vielleicht in einem Jahr, was Recht ist und was Unrecht beim Schutz des fairen E-Commerce.

22.3.2007

Franz Schmidbauer

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