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Gratis oder nicht gratis?
Eine neue Rechnungswelle bedroht ahnungslose Internetnutzer
Seit Monaten kursieren im Internet wieder Rechnungen wie in Zeiten von METEO-Data. Diesmal geht es nicht um Links auf Wetterkarten, sondern um die Inanspruchnahme verschiedener Dienstleistungen im Internet. Ausgegangen ist dieses "Geschäftsmodell" diesmal von Deutschland, wo Anfang des Jahres das Brüderpaar Schmidtlein für negatives Aufsehen sorgte. Unter Domains wie vornamen-heute.com, lehrstellen-heute.com oder sternzeichen-heute.com bewarben sie Angebote mit "heute gratis!" oder mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel. Der angebliche "Gratis"-Zugang wandelt sich aber nach Ablauf des Anmeldetages in einen kostenpflichtigen Abonnement-Vertrag für sieben Euro monatlich um; und, damit sich das so richtig auszahlt, auf 24 Monate unkündbar bei jährlicher Vorauskasse. Diese Vorgangsweise rief schon im ersten Quartal dieses Jahres die Konsumentenschützer auf den Plan. Eindämmen konnten sie dieses Geschäftsmodell aber bis heute nicht. Ganz im Gegenteil. Offenbar haben die Gewinnaussichten zu vielen Nachahmungstätern geführt. Heute werden auch mit Jobangeboten, Lebensprognosen, Intelligenztests und MP3-Suche nichts ahnende Internetsurfer überrumpelt; es scheint als sei eine virtuelle Raubritter- und Wegelagerer-Ära angebrochen.
- Heise-Artikel vom 30.3.2006
- Heise-Artikel vom 31.3.2006
- ORF-Online vom 10.3.2006
- ORF-Online vom 3.4.2006
- ORF-Online vom 30.10.2006
- Standard-Artikel vom 14.11.2006
Angeblich sind nunmehr auch in Österreich wettbewerbsrechtliche Verbandsklagen gegen derartige Anbieter geplant. Es steht aber zu befürchten, dass wie bei der Hydra auf einen Verurteilten drei Neue auftauchen oder die Täter mit ihren Websites ins außereuropäische Ausland abwandern.
Rechtlich muss man sich jeden Fall genau ansehen, weil die Vorgangsweisen sehr unterschiedlich und die Grenzen zum legalen Angebot fließend sind. Den meisten Fällen ist aber eines gemeinsam: Der Anbieter macht sich die Mentalität der Internetuser zunutze, dass im Netz normalerweise, wenn nicht ganz besonders darauf hingewiesen wird, alles gratis angeboten wird. Je nachdem, wie eindringlich nun auf den Vertragsabschluss und die Entgeltlichkeit der Dienstleistung hingewiesen wurde, kann es nun sein, dass ein Vertrag zustande kommt oder nicht. De facto fehlt es zwar auf der Nutzerseite am vertraglichen Bindungswillen, das ist aber nicht unbedingt relevant, weil Vertragserklärungen - und dazu kann auch ein Mausklick gehören - nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sind. Das unterliegt also jedenfalls im Streitfall der Beweiswürdigung des Gerichtes. Und da kommt es natürlich sehr darauf an, ob dem Richter die Gegebenheiten im Internet vertraut sind oder nicht. Jedenfalls muss man sagen, dass im Internet der Grundsatz des normalen Geschäftslebens, dass eine angebotene Leistung im Zweifel als entgeltlich gilt, sicher nicht gelten kann.
Der Empfänger einer derartigen Rechnung sollte jedenfalls sofort den Rücktritt nach § 5e KSchG erklären und zusätzlich den Vertrag vorsichtshalber, falls er zustandegekommen sein sollte, was jedenfalls bestritten werden sollte, wegen Irrtums, Irreführung und Verletzung über die Hälfte (laesio enormis § 934 ABGB anfechten. In vielen Fällen dürfte der Betreiber den Informationspflichten nach § 5d KSchG nicht ordnungsgemäß nachgekommen sein (Hinweise an versteckter Stelle oder in den AGB reichen nicht aus), sodass die Rücktrittsfrist dann statt üblicherweise in Österreich 7 Werktage sogar drei Monate beträgt.
Nach den bisherigen Erfahrungen kommen die Betreiber dieser Seiten zwar mit allerhand Drohungen bis hin zur Strafanzeige, wenn nicht bezahlt wird, allerdings hat noch kaum einer geklagt. Das ist ihnen erstens zu teuer und zweitens zu riskant. Der Rechnungsempfänger sollte daher, soferne die Aufklärung über die Entgeltlichkeit des Angebotes und die anderen Informationen nicht völlig eindeutig erfolgt sind, keinesfalls zahlen. Es sollte aber jeder Fall der AK und allenfalls auch dem Internetombudsmann gemeldet werden, da für die weitere Vorgangsweise gegen die Anbieter genügend Material vorhanden ist. Je mehr Fälle aktenkundig werden, desto eher werden auch Maßnahmen ergriffen werden.
Im übrigen bin ich der Meinung, dass man auch strafrechtlich gegen diese Anbieter vorgehen sollte, weil für mich der Verdacht des gewerbsmäßigen Betruges gegeben ist. Es werden auf diesen Websites großteils Leistungen angeboten, die üblicherweise im Internet gratis zu haben sind. Es liegt daher auf der Hand, dass es sich von vorneherein um Nepp und Bauernfängerei handelt, wobei es die Täter - anders als bei der Nigeria-Connection - nicht so sehr auf die Dummheit und Geldgier der Opfer abgesehen haben, sondern auf die Gewohnheit, dass im Netz alles gratis ist und dass man sich sehr schnell durch die Seiten klickt, ohne den ganzen Text zu lesen. Gerade diese Flüchtigkeit beim Internetsurfen wird den Opfern zum Verhängnis. Nicht zuletzt sind es auch immer wieder Jugendliche, die auf die Tricks hereinfallen.
Hin und wieder taucht auch die Frage verärgerter Opfer auf, die dem Druck nachgegeben und bezahlt haben, ob das Geld wohl rückforderbar sei. Die Antwort lautet wie so oft: Theoretisch ja. Praktisch zahlt sich der Aufwand für einen Einzelnen nicht aus. Viel wirksamer ist es da schon, wenn ein Wettbewerbsverband oder ein sonstiger nach dem UWG klageberechtigter Verband mit einer 100.000 Euro Unterlassungsklage auffährt oder der Staatsanwalt zu ermitteln beginnt.
Weitere Hinweise und Formulare
- Internet-Ombudsmann
- Pressespiegel (Suchwort "Gratis")
- Help ORF.at
- Entscheidung OLG Wien vom 30.11.2007
- Heise-Artikel vom 3.2.2009
- Heise-Artikel vom 16.3.2009
16.11.2006