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Haftung für Cyber-Schwarzfahrer?

Zur Diskussion um die Haftung für offene WLANs im besonderen und die Haftung der Diensteanbieter für Rechtsverletzungen Dritter im allgemeinen

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Nach einem Urteil des LG Hamburg haftet ein Betreiber eines offenen WLAN nach den Grundsätzen der Störerhaftung für Urheberrechtsverletzungen eines Dritten.

Angesichts der Häufigkeit solcher WLANs stellt sich die Frage, ob Betreiber auch in Österreich fürchten müssen, bei Missbrauch ihres Anschlusses zum Handkuss zu kommen.

Der Fall ist für mich nicht so einfach, wie Professor Zankl zu meinen scheint. Es ist zwar richtig, dass nach Art 15 EC-RL dem Diensteanbieter (darunter fällt auch der Betreiber eines WLANs) keine allgemeinen Überwachungspflichten auferlegt werden dürfen. Diese Regelung wurde auch in § 18 Abs. 1 ECG (E-Commerce-Gesetz) übernommen.

Die Sache hat aber zumindest zwei Haken:

1. Nach § 19 Abs. 1 ECG gelten die Haftungsfreistellungen nicht gegenüber Unterlassungsansprüchen. Diese Bestimmung geht auf Art 12 Abs. 3, 13 Abs. 2 und 14 Abs. 3 EC-RL zurück. Das heißt, die Haftungsfreistellungen schützen den Diensteanbieter zwar zunächst - solange er nicht auf Rechtsverletzungen hingewiesen wurde - vor Schadenersatz, aber nicht vor Unterlassungsklagen. Unterlassungsklagen und vorhergehende Abmahnungen können aber sehr teuer werden, vor allem für einen privaten WLAN-Betreiber. In der Praxis bisher relevanter sind übrigens die Fälle von Forenanbietern, berühmt etwa der Heise-Fall. Von der Konstellation her sind diese Fälle gleich gelagert wie der des WLAN-Betreibers: Der Diensteanbieter wird geklagt wegen Rechtsverletzungen, die ein Dritter über seinen Dienst bewirkt hat. Der Diensteanbieter wird als Gehilfe angesehen, weil er die Rechtsverletzung ermöglicht und nicht verhindert hat.

Zur Frage, ob die Haftungsfreistellungen tatsächlich Unterlassungsklagen nicht ausschließen, liegen in Österreich noch keine Entscheidungen vor. In Deutschland hat aber der BGH diese Frage im Fall Rolex-Versteigerung - I ZR 304/01 bereits eindeutig bejaht, wenn er auch als weiteres Kriterium die Zumutbarkeit der Verhinderung eingeführt hat. Ich persönlich halte diese Ansicht nicht für sachgerecht. M.M. muss man die Art 12 ff ECRL so interpretieren, dass die Möglichkeit der Gerichte und Verwaltungsbehörden, Rechtsverletzungen abzustellen, nur die hoheitliche Tätigkeit betrifft, also etwa Verfügungen in Straf- oder Verwaltungsstrafverfahren, aber nicht Verfügungen, die im Zivilverfahren über Antrag von Parteien getroffen werden.

Daneben würde es genügen, dem in seinen Rechten Verletzten einen Beseitigungsanspruch einzuräumen. Das würde ausreichen um Rechtsverstöße abzustellen, ohne den Diensteanbieter ungebührlich zu belasten. Die Folge des Unterlassungsanspruches ist nämlich: Der Diensteanbieter wird mit Erfolg auf Unterlassung geklagt und muss zunächst einmal auch die Verfahrenskosten zahlen (oder jedenfalls die Abmahnkosten, wenn er gleich nachgibt). Kommt es dann zu weiteren Verstößen, kann der Kläger wegen jedes weiteren Verstoßes Exekution führen, was zur Verhängung einer Geldstrafe führt. Damit ist der Diensteanbieter gezwungen, entweder laufend zu überwachen oder zuzusperren. Das bedeutet, dass den Diensteanbieter ab der ersten Unterlassungsverfügung de facto eine Überwachungspflicht (im Sinne einer notwendigen Überwachung zwecks Vermeidung von Strafen) trifft, die er dann nicht mehr los wird. Zudem müsste das eine ex ante Kontrolle sein, denn sobald der problematische Inhalt einmal online ist, ist der Verstoß gegen das Unterlassungsgebot bereits gesetzt. Eine nachträgliche Beseitigung hilft dem Diensteanbieter nicht mehr, wenn der frühere Kläger den Verstoß bereits bemerkt hat. Das würde letztlich das Ende aller Online-Foren in der derzeitigen Form bedeuten, weil Inhalte immer erst nach Kontrolle freigeschaltet werden dürften. Abgesehen vom enormen Kontrollaufwand würde dadurch auch die Spontanität der Diskussion leiden, weil aufeinanderfolgende Beiträge nur mehr mit großer Zeitverzögerung erscheinen könnten.

In Österreich ist die Judikatur in diesem Punkt günstiger für den Diensteanbieter. Aber nicht wegen § 18 Abs. 1 ECG - diese Bestimmung gibt es sinngemäß auch in Deutschland. Im Gegensatz zu Deutschland, wo für die sogenannte Störer-Haftung des Diensteanbieters genügt, dass er die Rechtsverletzung adäquat mitverursacht hat und eine zumutbare Verhinderungsmöglichkeit gehabt hätte, fordert die österreichische Rechtsprechung für die Haftung als Gehilfe aber eine bewusste Förderung der Rechtsverletzung des Dritten. Um von bewusster Förderung sprechen zu können, ist es aber notwendig, dass der Diensteanbieter von der Rechtsverletzung, die über seinen Dienst erfolgt ist, weiß und dass er sie zumindest billigend in Kauf genommen hat. Sobald das der Fall ist, scheiden aber ohnedies die Haftungsfreistellungen des ECG auch aus. Die österreichische Rechtsprechung kommt daher in diesen Fällen meist gar nicht zur Anwendung der Bestimmungen des ECG über die Haftungsfreistellungen, weil diese voraussetzen, dass grundsätzlich eine Haftung gegeben ist. Wenn der Diensteanbieter aber nichts weiß, fehlt es an der bewussten Förderung und er haftet von vorneherein nicht; er ist also auf die Haftungsfreistellungen gar nicht angewiesen.

In der Praxis hat das einen ganz wesentlichen Vorteil für die österreichischen Diensteanbieter: Sie müssen sich erst Gedanken machen, wenn sie auf eine Rechtsverletzung konkret hingewiesen wurden und wenn diese Rechtsverletzung auch für einen juristischen Laien erkennbar ist. Wird die Rechtsverletzung daraufhin abgestellt, gibt es weder einen Unterlassungsanspruch noch einen sonstigen Anspruch. Es ist daher auch keine kostenpflichtige Abmahnung möglich.

2. Die Sache hat aber noch einen zweiten Haken:

In Art 15 ECRL (dem entspricht § 18 Abs. 1 ECG) heißt es, dass dem Diensteanbieter keine allgemeine Verpflichtung zu überwachen auferlegt werden darf. Aus dem Wort "allgemeine" haben deutsche Gerichte bereits geschlossen, dass es in besonderen Fällen, insbesondere im Wiederholungsfall oder bei besonders brisanten Konstellationen (z.B. heißes Thema im Diskussionsforum) doch eine Überwachungspflicht gefordert werden könne und sogar müsse. In diesem Fall kommt es dann wieder darauf an, inwieweit dem Diensteanbieter eine Kontrolle zumutbar ist. Gerade in diesem Punkt sind aber die bisherigen deutschen Entscheidungen sehr streng nach der Devise "Wer nicht überwachen kann, soll nicht betreiben". Eine Entscheidung österreichischer Gerichte zu diesem Thema steht noch aus, ein Fall eines Vorarlberger Gästebuchbetreibers  liegt aber seit längerem beim OGH. Das LG Feldkirch ist als zweite Instanz in diesem Fall von einer Prüfpflicht des Gästebuchbetreibers im Sinne einer regelmäßigen Beobachtung der Foren und Löschung inkriminierender Textstellen ausgegangen (3 R 142/04m).

Vor dem Betrieb eines offenen WLANs im privaten Umfeld muss aber auch noch aus ganz anderen Gründen gewarnt werden: Stellen Sie sich vor, ein Dritter lädt sich über ein solches WLAN - vielleicht sogar regelmäßig - Kinderpornographie herunter. Die Polizei forscht den Betreiber aus und eines Tages stürmt die Einsatztruppe die Wohung und nimmt den Betreiber fest und beschlagnahmt seine Hardware. Selbst wenn sich beweisen lässt, dass der Internetanschluss von einem Dritten ohne Wissen des WLAN-Betreibers verwendet wurde, wird das einige Tage dauern und die Untersuchungshaft als vermeintlicher Kinderpornograph ist sicher nicht lustig.

22.10.2006

Franz Schmidbauer

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