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Schadenersatz wegen Viren

Haftet der unmittelbare Versender, wenn der Virenproduzent nicht zu finden ist?

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Vor kurzem schreckte eine neue Schlagzeile die österreichische Internetwelt auf (Pressetext-Artikel vom 11.2.2003). Ein Tiroler Unternehmen hatte Rechnungen zur Abgeltung von Schäden verschickt, die angeblich durch zugesandte Viren entstanden waren. Abgesehen davon, dass in diesem Fall wegen desselben Virus gleich mehrere Verursacher zur Kasse gebeten werden sollten, was sofort böse Erinnerungen an gewisse Abmahnfirmen hervorrief, stellt sich dabei die grundsätzliche Frage, ob es in so einem Fall Schadenersatz gibt.

Tatsächlich entstehen durch Viren jährlich weltweit Schäden, die in die Milliarden gehen. Das bedeutet eine enorme Gefahr nicht nur für das Internet. Die Wirtschaft ist nämlich immer mehr auf das reibungslose Funktionieren des weltweiten Netzes angewiesen. Auch wenn das B2C-Geschäft (business to consumer, also das Endverbrauchergeschäft) noch immer ein Randdasein führt, der B2B-Bereich (business to business oder Geschäftsverkehr) boomt unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit. Auch das E-Government, das nach dem Willen der EU in den nächsten Jahren ausgebaut werden soll, ist von Computerschädlingen aller Art bedroht. Man stelle sich nur einen bösartigen Virus in der Grundstücksdatenbank des elektronischen Grundbuches vor....

Wie ist aber jetzt die rechtliche Situation, wenn tatsächlich ein Schaden entstanden ist? 
Wenn ein Virus vorsätzlich eingeschleust wurde, ist die Situation klar: Der Geschädigte hat einen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch. Daneben liegt auch das strafrechtliche Delikt der Datenbeschädigung nach § 126a StGB vor, es kann daher auch der Staatsanwalt eingeschaltet werden. Hingegen ist die Rechtslage unklar, wenn der Virus unwissentlich verschickt wurde und womöglich der Absender nichts von der Virenverseuchung seines eigenen Computers gewusst hat, was bei den weit verbreiteten "E-Mail-Würmern" häufig vorkommt.

Sorgfaltsanforderungen

Voraussetzung jeder Haftung ist in diesem Fall, dass auf Seiten des Versenders zumindest Fahrlässigkeit  vorliegt. Von einer solchen könnte man dann ausgehen, wenn es eine allgemeine Verpflichtung zur Virenvorsorge gibt. Eine solche kann man in gewissem Umfang durchaus fordern. Viren sind heute so verbreitet, dass bei Teilnahme am Internet nicht nur eine Eigengefährdung, sondern aufgrund der spezifischen Eigenschaften vieler E-Mail-Viren auch eine Gefährdung der E-Mail-Partner gegeben ist, wenn man unvorsichtig ist oder kein Virenschutzprogramm verwendet. Dies trifft sowohl für den Sender, als auch für den Empfänger zu. 

Ein Virenschutz ist umso wichtiger, je unerfahrener der Computerbesitzer bei der Verwendung von Software (Sicherheits-Updates) und dem Umgang mit potentiell gefährlichen Dateien ist. Ein erfahrener PC-Benutzer kann eher auf ein Virenprogramm verzichten, weil er verdächtige Dateien nicht öffnen wird.

Zu einer Haftung des Versenders könnte auch die Aufnahme des Virenopfers in das Adressverzeichnis des Versenders führen, weil man dies als Eröffnung eines (E-Mail-)Verkehrs werten kann, was nach allgemeinen Rechtsregeln Verkehrssicherungspflichten nach sich zieht (ähnlich der Anlage eines Weges).  Der Betreiber des Adressbuches könnte dadurch verpflichtet sein, Vorsorge zu treffen, dass die Personen, die in dieses Adressbuch aufgenommen werden, nicht durch Viren, die erfahrungsgemäß auf diese Adressbücher zugreifen und sich an die Adressaten versenden, geschädigt werden. Daneben könnten auch nebenvertragliche Schutzpflichten zum Tragen kommen, wenn der Virus im Rahmen einer Geschäftsbeziehung übermittelt wurde.

Die Anforderungen an die Sorgfalt können dabei durchaus verschieden ausfallen, je nachdem, ob es sich um einen Privat-PC mit geringem E-Mail-Aufkommen oder um einen Mail-Server eines Unternehmens handelt. Damit bestünde auch nicht die Gefahr, dass Internet-Anfänger mit finanziellen Risiken belastet werden und so von der Nutzung des Internet abgeschreckt werden. Ich plädiere diesbezüglich für eine Abwägung, wem die Virenvorsorge eher zumutbar ist. Dies könnte dazu führen, dass ein privater Virenversender nicht haftet, wenn er ein Unternehmen schädig, umgekehrt aber schon. Immerhin unterliegen Unternehmer und Kaufleute auch in anderen Rechtsbereichen strengeren Sorgfaltsmaßstäben. 

Beweispflicht des Klägers

Auch wenn nach diesen Kriterien ein vorwerfbarer Sorgfaltsverstoß vorliegt, ist Voraussetzung einer Haftung, dass der Geschädigte nachweist, dass der Virus tatsächlich von jenem stammt, der als Absender aufscheint. Dies wird oft nicht der Fall sein. Viele Viren fälschen nämlich den Absender, um ihre Herkunft zu verschleiern.
Zur Ausforschung siehe Kapitel E-Mail - Die Ausforschung des Spammers

Beweispflicht des Beklagten

Gelingt der Nachweis der Verursachung durch den Beklagten, kann dieser den Beweis antreten, dass der Virus auch von einem gängigen Virenschutzprogramm nicht erkannt worden wäre (rechtmäßiges Alternativverhalten) und daher der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Vorkehr entstanden wäre. Dabei stellt sich dann die Frage, wie aktuell ein Virenprogramm sein muss. Update-Zyklen sind heute meist wochenweise oder noch kürzer (laufendes Live-Update). Das könnte bedeuten, dass ein Virus, der bei üblicher Wartung von einem gängigen Virenprogramm erkannt wird, zur Haftung führen würde, nicht aber ein ganz neuer Virus, der von gängigen Programmen mit üblichem Update noch nicht erkannt wird.

Die Frage des Mitverschuldens

Schließlich stellt sich noch die Frage, ob die Anforderungen beim Absender höher angesetzt werden können als beim Empfänger. Wenn nämlich eine Pflicht zur allgemeinen Viren-Vorsorge bestehen sollte, trifft sie auch den Empfänger. Wenn dieser aber einen aktuellen Virenschutz gehabt hätte, wie er auf Seiten des Absenders verlangt wird, wäre es gar nicht zur Infektion gekommen und es wäre kein Schaden entstanden. Man wird also auch von einem Mitverschulden des Klägers ausgehen müssen. Der ersten Gerichtsentscheidung wird mit Spannung entgegengesehen.... 

 

12.2.2003

Fortsetzung: Schadenersatz wegen Viren II

Franz Schmidbauer