Internet4jurists

Keine Auskunftspflicht des Access-Providers:

OLG Wien, Beschluss vom 28.2.2005, 20 Bs 27/05z

StPO § 149a, TKG § 93, ECG § 18

*****   Zusammenfassung   *****

Privatklägerin ist eine Dachgesellschaft der Bild- und Tonträgerhersteller. Sie erstattete Anzeige gegen einen unbekannten Täter, der zu einem bestimmten Zeitpunkt unter einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse in einer Tauschbörse umfangreiches, urheberrechtlich geschütztes Material angeboten hatte, und beantragte, den Provider beschlussmäßig anzuweisen, den Inhaber der IP-Adresse bekanntzugeben.

Die Untersuchungsrichterin wies nach einer vorhergehenden Ratskammerentscheidung das Auskunftsersuchen der Privatanklägerin ab.

Das OLG gibt der dagegen erhobenen Beschwerde der Privatanklägerin keine Folge. Den über ein bloßes Nachschlagen hinausgehenden manipulativen Schritten zur Herausfilterung und Individualisierung des an einer Verbindung beteiligten Anschlusses kommt Verkehrsdatenwertigkeit zu. Bereits die Weitergabe der IP-Adresse war unzulässig. § 18 ECG steht nicht im Verfassungsrang, sodass auch bei einer Auskunfterteilung nach dieser Bestimmungen die Voraussetzungen des § 149a StPO vorliegen müssen und der dort statuierte Richtervorbehalt beachtet werden muss, wenn es um Beauskunftung von Verkehrsdaten geht.

*****   Entscheidung   *****

Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Gallent als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr.Stöger-Hildbrand und Mag. Hetlinger in nichtöffentlicher Sitzung in der Strafsache gegen UT wegen § 91 Abs 1 UrhG über die Beschwerde der Privatanklägerin XXX gegen den Beschluss der Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Dez. 2004, GZ 292 Ur 355/O4f-8 den

Beschluss

gefasst:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Mit dem beim Erstgericht am 4. November 2004 eingelangten Schriftsatz beantragte die XXX die Einleitung gerichtlicher Vorerhebungen gegen unbekannte Täter wegen § 91 Abs 1 iVm § 86 Abs. 1 Z 3 und 4 UrhG durch Erteilung der Anweisung an die YYY als Internet-Service-Provider (Access-Provider), Name und Anschrift jenes Kunden bekanntzugeben, dessen Anschluss am 15. August 2004 von 11:01:43 pm EDT bis 12:16:11 am EDT die IP-Nummer xxx.xxx.xxx.xxx zugeordnet war, weil eine Überprüfung des File-Sharing-Systems (KaZaA) durch die auf das Internet spezialisierte Firma XY ergeben habe, dass der User mit dem KaZaA-Internetnamen „*****“ und der IP-Adresse xxx.xxx.xxx.xxx über einen Zugang des Access-Providers YYY 1.337 (geschützte) Musikfiles während des obgenannten Zeitraumes der Öffentlichkeit (zum Zwecke des unentgeltlichen Downloadens) zugänglich gemacht und damit in Verwertungsrechte der Tonträgerhersteller und ausübenden Künstler eingegriffen habe (ON 2).

Nachdem die Untersuchungsrichterin mit Beschluss vom 24. November 2004 die YYY beauftragt hatte bekanntzugeben, wem die genannte IP-Adresse im Tatzeitraum zugewiesen war (ON 4), und dagegen von der YYY Beschwerde erhoben wurde, worin sie sich gegen ihre Herausgabepflicht unter Hinweis darauf wandte, dass es sich bei dieser Auskunft nicht um die Offenlegung von Stammdaten handle, sondern eine Auswertung einer Telekommunikation im Sinne der §§ 149a f StPO vorgenommen werden solle, wofür jedoch die gesetztlichen Voraussetzungen nicht vorlägen (ON 5), ordnete die Ratskammer die Aufhebung der Entscheidung der Untersuchungsrichterin und deren neuerliche Beschlussfassung gemäß dem § 149a Abs 1 Z 1 lit b, Z 2 und 3, Abs 2 Z 2 StPO an und lehnte eine Sachentscheidung im Hinblick auf die Bestimmung des § 149b Abs. 5 StPO (Rechtszug vom Untersuchungsrichter an den Gerichtshof 1. Instanz ab (ON 7).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Untersuchungsrichterin nunmehr den Antrag der XXX mit der Begründung ab, die begehrte Auskunft sei als Rufdatenrückerfassung im Sinne des § 149a Abs 1 Z 1 lit b, Abs 2 Z 2 StPO zu qualifizieren, deren Durchführung in casu nicht zulässig sei, weil der von der Antragstellerin behauptete Eingriff im Sinne des § 91 UrhG lediglich mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten, oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht sei, gemäß dem § 149a Abs 1 Z 1 Iit a und b StPO Voraussetzung für eine Überwachung derTelekommunikation aber die Förderung der Aufklärung einer mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat sei (ON 8).

Dagegen richtet sich eine rechtzeitige Beschwerde der XXX (ON 9) zusammengefasst einerseits mit dem Vorbringen, die im vorliegenden Fall von UT mit Hilfe des Zuganges der YYY für jedermann zugänglichen Kommunikationsinhalte seien für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen, sodass weder diese Inhalte, noch deren Verbindungs- und Vermittlungsdaten dem Schutz des Fernmelde- und Kommunikationsgeheimnisses unterlägen, andererseits mit dem Hinweis darauf, dass sich das Begehren nicht auf die Feststellung des - ohnehin aktenkundigen - Teilnehmeranschlusses (IP-Adresse samt Datum und Zeitangabe), sondern auf dessen Zuordnung zum Namen und der Wohnadresse des Kunden durch den Internet-Service-Provider richte, sohin die beantragte Beauskunftung keine Überwachung der Telekommunikation im Sinne des § 149a StPO darstelle.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt. Das TKG 2003 (BGBl 1 Nr. 70/2003) unterscheidet in seinem § 92 Abs 2 unter anderem zwischen Stammdaten (das sind alle personenbezogenen Daten, die für die Begründung, die Abwicklung, Änderung oder Beendigung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Benutzer und dem Anbieter oder zur Erstellung und Herausgabe von Teilnehmerverzeichnissen erforderlich sind, und zwar - unter anderem - Familienname und Vorname, Wohnadresse und Teilnehmernummer und sonstige Kontaktinformationen für die Nachricht) und Verkehrsdaten (vormals Vermittlungsdaten § 87 Abs 3 Z 5 TKG1997) im weitesten Sinn (das sind Daten, die zum Zwecke der Weiterleitung einer Nachricht an ein Kommunikationsnetz oder zum Zweck der Fakturierung dieses Vorganges verarbeitet werden sowie (als deren Untergruppe) Zugangsdaten, die beim Zugang eines Teilnehmers zu einem öffentlichen Kommunikationsnetz beim Betreiber entstehen und für die Zuordnung der zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine Kommunikation verwendeten Netzwerkadressierung zum Teilnehmer notwendig sind).

Gemäß dem § 93 Abs 1 TKG unterliegen die Verkehrsdaten (neben den hier unbeachtlichen Inhalts und Standortdaten) dem Kommunikationsgeheimnis.

In casu warnt die YYY sinngemäß zu Recht davor, in Anbetracht des erwünschten Endergebnisses, nämlich eine Auskunft über ein - losgelöst betrachtet - Stammdatum zu erhalten, die zu dessen Ausforschung (a priori aber auch zur Überprüfung der mitgeteilten IP Nummer zwecks Hintanhaltung einer einem Unbetroffenen erfassenden Beauskunftung) erforderlichen, über ein bloßes Nachschschlagen hinausgehenden - plausibel behaupteten – manipulativen Schritte zur Herausfilterung und Individualisierung des an der interessierenden Verbindung beteiligten Anschlusses zu übersehen, denen Verkehrsdatenwertigkeit zukommt (was vom gefertigten Senat bereits indirekt durch Zubilligung eines Kostenersatzes in vergleichbaren Fällen bestätigt wurde). So zeigt eine genaue Analyse der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, dass Verkehrsdaten jene Informationen sein müssen, die die gesamte Weiterleitung der Information über das elektronische Kommunikationsnetz umfassen, (vgl GP XXII RV 1468 zu § 92 TKG).

Ganz abgesehen davon können aber Verkehrsdaten (wie die in Rede stehende dynamische IP-Adresse, die als aktive und passive Teilnehmernummer gemäß dem Erwägungsgrund 15 der Datenschutzrichtlinie diesem Begriff unterfällt (vgl GP XXII RV 1468 zu § 92 TKG) – auch wenn sie dem Einschreiter bereits bekannt sind - nach dem Wortlaut des § 93 Abs 1 TKG („dem Kommunikationsgeheimnis unterliegen ... die Verkehrsdaten ...“) nicht Gegenstand einer ohne die Garaqntie des § 149a StPO zustande kommendem Verwendung (zur Ausforschung von Stammdaten) sein. Evident ist im gegenständlichen Fall - ebenso wie in zahlreichen gleichartigen, die anhängig gemacht wurden -, dass der unbekannte Teilnehmer des File-Sharing-Systems KaZaA (hier mit dem Decknamen (nickname) „*****“ zwar sein Repertoire an aufgespielten Musiktiteln öffentlich zugänglich machen, keineswegs aber seine Identität – schon gar nicht an Nachfrager nach Art eines Agent provokateur - preisgeben wollte. Der das Telekommunikationsgeheimnis betreffende Richtervorbehalt darf insoweit durch eine Benützung der solcherart geoffenbarten IP-Adresse keinesfalls umgangen werden. Denn jedes Zulassen der Eruierung eines Teilnehmers am Telekommunikationsverkehr über eine von ihm hergestellte oder gewährte Verbindung würde dem hohen grundrechtlichen Anliegen des Artikel 10a StGG zuwiderlaufen und der in diesem Zusammenhang anzustellenden Rechtsgüterabwägung nicht Rechnung tragen.

Wie die von der Privatanklägerin reklamierte Zustimmung des Anschlussteilnehmers zur Verwendung der gemeinsamen IP-Nummer - deren legale Eruierung an sich schon nicht glaubhaft gemacht wurde - zu bewerten ist, zeigt § 149a Abs. 2 Z 1 StPO auf, welcher auf eine ausdrückliche Zustimmung durch denselben abstellt.

In diesem Sinne erklärt auch § 93 Abs. 3 TKG expressis verbis unter anderem die Weitergabe von Informationen über Verkehrs- und Standortdaten durch andere Personen als einen Benutzer ohne Einwilligung aller beteiligten Benutzer für unzulässig. Damit war jedenfalls schon die Weitergabe der IP-Nummer durch die Firma XY an die Privatanklägerin untersagt.

In diesem Zusammenhang verschlägt auch der Hinweis auf die - nicht im Verfassungsrang stehende - Regelung des § 18 Abs. 2 (Umfang der Pflichten der Diensteanbieter) iVm § 13 (Ausschluss der Verantwortlichkeit bei Durchleitung) ECG, weil bei Auskunft - der (Inhalts- oder) Vermittlungsdaten die Voraussetzungen des § 149a StPO erfüllt sein müssen und die Erhebung und Übermittlung einen Beschluss der Ratskammer (des Untersuchungsrichters) erfordert (siehe hiezu E-Commerce-Gesetz Kurzkommentar Brenn § 18, 301).

Aus diesen Gründen musste sohin der Beschwerde ein Erfolg versagt bleiben.

Oberlandesgericht Wien Abt.20,
am 28. Februar.2005

nach oben