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Haftung des Forenbetreibers:

OLG Wien, Urteil vom 3.8.2006, 3 R 10/06x

ECG  § 16, § 18

*****   Zusammenfassung   *****

Unbekannte Besucher nahmen im Forum der Beklagten Einträge mit pornographischen, frauen- und fremdenfeindlichen Inhalten über die Diskothek der Klägerin vor. Diese wurden von den ehrenamtlichen Moderatoren der Beklagten zur Kenntnis genommen, aber nicht gelöscht. Die Löschung erfolgte vielmehr erst über Aufforderung des Anwaltes der Klägerin. Die Klägerin verlangte eine Entschädigung für die Kränkung und andere Nachteile von EUR 7.000,-- und die Bekanntgabe von Namen und Anschrift der Täter.

Das Erstgericht sprach EUR 3.500,-- zu und wies das restliche Begehren ab. Der Beklagte müsse sich das Wissen seiner Moderatoren zurechnen lassen. Eine Auskunfterteilung sei nicht möglich, weil der Beklagte über diese Daten nicht verfüge.

Das OLG gibt der Berufung des Beklagten Folge und weist das gesamte Klagebegehren ab. Dem Beklagten sei die Kenntnis des Moderators über die inkriminierten Inhalte nicht zuzurechnen. Es besteht zwischen den unentgeltlich und (weitgehend sogar gegenüber dem Beklagten) anonym tätigen Moderatoren einerseits und dem Beklagten andererseits nach der Ausgestaltung dieses Verhältnisses eine zu schwache Verbindung, um deren während ihres Besuches des Chat-Forums erlangte Kenntnis deliktsrechtlich dem Beklagten, der davon tatsächlich keine Kenntnis erlangt hat, zuzurechnen. Der Beklagte selbst hat die Inhalte unverzüglich nach Hinweis gelöscht. Das Haftungsprivileg des § 16 ECG kommt daher zum Tragen. Eine Überwachungspflicht besteht nicht.

*****   Entscheidung   *****

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Jelinek als Vorsitzenden sowie den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Herberger und den KR Kammel in der Rechtssache der klagenden Partei G*** Gaststättenbetriebs GmbH, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, wider die beklagte Partei M*** H***, Programmierer, vertreten durch Dr. Ingo Gutjahr, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 7.000,-- s.A. und Bekanntgabe (Gesamtstreitwert EUR 7.200,--) über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Handelsgericht vom 21.10.2005, GZ 1 Cg 101/04p-23 (Berufungsinteresse EUR 3.500,--) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, welches hinsichtlich der Teilabweisung des Zahlungsbegehrens im Umfang von EUR 3.500,-- samt Zinsen sowie der Abweisung des Begehrens auf Bekanntgabe als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, wird dahin abgeändert, dass es insgesamt (unter Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen Teiles) zu lauten hat:

„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, jeweils binnen 14 Tagen
a) der klagenden Partei EUR 7.000,-- samt 4 % Zinsen p.a. seit 18.10.2003 zu bezahlen;
b) den Namen und die Anschrift jenes Nutzers ihres Dienstes bekanntzugeben, der unter dem Pseudonym Just Roman am 18.10.2003 um 20.43 Uhr die Einträge unter www.hatzer.at/forum zeigend vier Bilder mit pornographischem, fremden- und frauenfeindlichem sowie rassistischem Inhalt vorgenommen hat,
wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.748,24 (darin EUR 458,04 USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 697,86 (darin EUR 80,98 USt und EUR 212,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt in St. Pölten die Diskothek „Nachtschicht", welche sie auf ihrer Web-Site www.nachtschicht.cc ua mit Fotos, die junge Gäste zeigen, bewirbt. Über ein Forum und ein Gästebuch besteht für Interessierte die Möglichkeit, sowohl untereinander als auch mit der Klägerin zu kommunizieren.

Der Beklagte betreibt unter www.hatzer.at eine Web-Site, die vor allem Informationen über Kraftfahrzeuge, Technik, Tuning, Auto-HIFI etc enthält. Weiters wird Interessierten im Rahmen mehrerer Foren die Möglichkeit geboten, sowohl untereinander als auch mit dort - ebenso wie die User - unter Pseudonymen auftretenden Moderatoren zu kommunizieren. Ein als „Off-Topic" bezeichnetes Forum ist für „alles, was überhaupt nichts mit KFZ zu tun hat" bestimmt. Dort treten zwei Moderatoren unter den Pseudonymen „Vizor" und „thc" auf.

Am Samstag, den 18.10.2003 um 15.19 Uhr nahm im Forum des Beklagten „Off-Topic" ein Nutzer unter der Bezeichnung „Christian" folgenden Eintrag vor:
„Titel: nachtschicht-flyer. hat irgend wer von euch noch den nachtschicht-verorschungs-flyer zhaus? trägt „Schlampen und Huren night"!".
Nach drei weiteren Einträgen um 15.27 Uhr, 16.00 Uhr und 16.45 Uhr stellte ein User unter dem Pseudonym „Orange-Civic" um 18.20 Uhr einen in Form einer Werbeeinschaltung der Diskothek Nachtschicht gestalteten Beitrag ins Netz, der der Homepage der Klägerin entnommene Fotos, welche junge Lokalbesucherinnen zeigen, das „Nachtschicht-Logo" und folgenden Text enthielt:
„Jedes Wochenende
Schlampen & Huren Night.
Bei uns triffst du nur Schlampen. Weiber, die blöd sind und nicht denken können. Und da du ja auch blöd bist wenn du zu uns kommst, wirst du begeistert von unseren Schlampen sein ..."
Nach einem weiteren Eintrag um 18.22 Uhr äußerte sich der Moderator „Vizor" im Forum um 18.43 Uhr wie folgt:
„Da gabs noch zwei andre. Ich glaub dönernight und noch irgendwas ... hat das auch noch wer?"
Nach drei weiteren Einträgen meldete sich um 20.34 Uhr der User „Just Roman" mit „Hab noch immer alle 4 am webspace liegen" und stellte diese wie folgt ins Netz:

(Abbildung)

Nachdem die Klägerin von dritter Seite auf die gegenständlichen Forumeinträge auf der Website des Beklagten aufmerksam gemacht worden war, forderte sie ihn mit am 11.11.2003 mittels E-Mail übermitteltem Schreiben der Klagevertreter auf, die Einträge unverzüglich zu löschen. Der Beklagte kam dem unverzüglich nach.

Die Klägerin begehrte - soweit im Berufungsverfahren von Relevanz - Zahlung von EUR 7.000,-- samt Zinsen und brachte hiezu im Wesentlichen vor, die in den Foren der Web-Site des Beklagten tätigen Moderatoren hätten offenbar die Aufgabe, die Beiträge zu lesen und auch zu kommentieren. Sie seien mit Wissen und Willen des Web-Site-Betreibers tätig und daher dem Beklagten zuzurechnen. Aufgrund der Verwendung von Moderatoren und aufgrund der überdimensionalen deutlich sichtbaren Gestaltung der Forumeinträge habe der Beklagte von diesen sowie von der Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes Kenntnis gehabt. Der Moderator „Vizor" habe die auf der Web-Site des Beklagten veröffentlichten, gegenständlichen Darstellungen nicht nur nicht sofort gelöscht, sondern diese kommentiert und nach dem Eintrag des Users „Orange-Civic" sogar öffentlich dazu aufgerufen, weitere solcher Beiträge ins Netz zu stellen, was zwei Stunden später durch den User „Just Roman" geschehen sei. Daraus ergebe sich, dass die Moderatoren als Erfüllungsgehilfen des Beklagten Kenntnis von den Beiträgen gehabt und deren Veröffentlichung gefördert hätten (S 8 in ON 19).
Die vier gegenständlichen, mit Texten versehenen Bilder seien von der Gestaltung her den Werbeaussendungen und Homepage-Einträgen der Klägerin nachempfunden. Sie seien teilweise pornographisch, fremden- und frauenfeindlich sowie rassistisch. Die Darstellungen griffen überdies in Urheberrechte und Markenrechte der Klägerin ein. Ihr Unternehmenslogo werde missbräuchlich verwendet. Details seien mit der Zielrichtung verändert worden, den Ruf der Klägerin herabzusetzen oder zu beeinträchtigen (S 3 in ON 1). Die Beiträge seien bis zur Intervention der Klagevertreter rund einen Monat lang im Netz gewesen (Seite 4 in ON 1).
Die Streitteile stünden zueinander insoferne in einem Wettbewerbsverhältnis, als beide Website-Foren bzw Gästebücher betrieben. Darüber hinaus bestehe aufgrund des schwerwiegenden rufschädigenden Eingriffs ein ad-hoc-Wettbewerbsverhältnis. Die gegenständlichen Veröffentlichungen hätten die Eignung, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen (§ 7 Abs 1 UWG), sodass der Beklagte zum Schadenersatz verpflichtet sei. Die Klägerin sei sowohl berechtigt, den Ersatz des entgangenen Gewinnes zu fordern als auch einen angemessenen Geldbetrag als Vergütung für die erlittene Kränkung und andere persönliche Nachteile zu begehren (§ 16 Abs 1 und 2 UWG). Durch das Verhalten des Beklagten sei der Klägerin ein Schaden in beträchtlicher Höhe entstanden. Aus prozessualer Vorsicht werde vorläufig ein Betrag von EUR 7.000,-- geltend gemacht (Seite 4 in ON 1).
Die Ansprüche würden „auf Bestimmungen des Urheberrechts, Markenrechts, Medienrechts sowie auf jede andere denkbare Rechtsgrundlage" gestützt (S 4 in ON 1). Der Beklagte habe durch missbräuchliche Verwendung von Endeinrichtungen (S 4 in ON 1) auch seine Verantwortung nach § 78 TKG verletzt (S 3 in ON 6).
Die Bewertung des Leistungsbegehrens erfolge „unter analoger Anwendung des § 16 UWG und der §§ 6 bis 8 MedienG". Im Fall der §§ 6 bis 7c MedienG gelte ein Entschädigungsbetrag von EUR 14.535,--, bei schwerwiegenden Auswirkungen bis zu EUR 72.673,-- als angemessen (S 5 in ON 6).
Das Leistungsbegehren werde unter anderem „auf einen Schadenersatzanspruch gemäß § 1330 ABGB analog § 6 MedienG" gestützt. Die erlittenen Vermögensschäden seien nach dem ABGB, die erlittene Kränkung in Analogie zu § 6 MedienG zu ersetzen (S 2 in ON 15). Durch die gegenständlichen Veröffentlichungen sei in den wirtschaftlichen Ruf und die Reputation der Klägerin eingegriffen worden. Dieser Eingriff stelle eine Ehrenbeleidigung gemäß § 1330 Abs 1 ABGB dar. Der Klägerin gebühre sohin der Ersatz des erlittenen Vermögensschadens (S 3 in ON 15).
Der Beklagte sei als Medieninhaber im Sinn des Mediengesetzes anzusehen. § 6 MedienG gewähre einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Entschädigung für die erlittene Kränkung, wenn in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede, Verspottung oder Verleumdung erfüllt werde. Es bestehe eine Gefährdungshaftung des Medieninhabers für die erlittene Kränkung. Da kein Verfahren nach dem Medienstrafrecht anhängig sei, sei § 6 MedienG analog anzuwenden (S 3 in ON 15).

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und brachte - soweit im Berufungsverfahren von Relevanz - vor, nach entsprechender Mitteilung durch die Klägerin habe er die inkriminierten Seiten sofort gelöscht. Damit sei er seiner gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 16 ECG nachgekommen. Bestritten werde, dass er als Diensteanbieter der Domain www.hatzer.at von den angeblich rechtswidrigen Veröffentlichungen Kenntnis haben hätte müssen. Bei der Zurverfügungstellung eines Forums auf einer Internetdomain handle es sich nicht um eine Telekommunikationseinrichtung. Ferner werde bestritten, dass zwischen den Streitteilen ein Wettbewerbsverhältnis bestehe. Allein der Umstand, dass beide Parteien eine Webpage betrieben, begründe kein Wettbewerbsverhältnis, weil die beiden Seiten in keinerlei inhaltlichem Zusammenhang stünden. Bei den Moderatoren handle es sich nicht um Erfüllungsgehilfen des Beklagten, sondern um Teilnehmer am Forum, die zum Beklagten in keinem Vertrags- oder Verpflichtungsverhältnis stünden (S 8 in ON 19). Weiters sei der geforderte Schadenersatzbetrag von EUR 7.000,-- in keiner Weise nachvollziehbar. Der Klägerin sei kein Schaden entstanden (S 2 in ON 3). Schließlich seien die gegenständlichen Bilder bzw Veröffentlichungen derart übertrieben, dass sie für jedermann erkennbar keine ehrenrührigen bzw kreditschädigenden Inhalte aufwiesen, sondern eine Persiflage darstellten (S 3 in ON 17).

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage hinsichtlich des Zahlungsbegehrens im Umfang von EUR 3.500,-- samt Zinsen statt. Das Mehrbegehren von weiteren EUR 3.500,-- wies es (unbekämpft) ab.
Zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen, im Berufungsverfahren nicht strittigen Sachverhalt wird von den auf den Seiten 8 bis 15 der Urteilsausfertigungen ersichtlichen Feststellungen (zusammengefasst) Folgendes hervorgehoben:
Der Beklagte ist von Beruf Programmierer. Er betreibt unter der Domain „www.hatzer.at" eine Web-Site, die rund 20 Foren mit unterschiedlichem Titel, darunter das Forum „Off-Topic" beinhaltet. Der Beklagte hat das Forum von einem früheren Besitzer übernommen und ist in Bezug auf seine Web-Site als Webmaster tätig. Die in den einzelnen Foren tätigen Moderatoren hat der Beklagte gleichfalls zum Großteil vom Vorbesitzer übernommen. Die für das Forum „Off-Topic" zuständigen Moderatoren „Vizor" und „thc" sind dem Beklagten nicht persönlich bekannt. Er kennt auch ihre Adressen nicht. Wenn eine Kommunikation zwischen ihm und diesen beiden Moderatoren erforderlich ist, dann geschieht dies über das Forum. Die Moderatoren arbeiten unentgeltlich. Ihre Aufgabe besteht darin, Einträge von Nutzern zu kontrollieren, freizuschalten oder allenfalls auch zu löschen. Konkret Zeiträume oder Fristen für die Kontrolle von Einträgen sind den Moderatoren nicht vorgegeben. Es bestehen auch keine Sanktionen des Beklagten gegenüber diesen.
Will jemand durch Vornahme von Einträgen an einem Forum teilnehmen, muss er sich mit einem Namen (dabei kann es sich auch um ein Pseudonym handeln) und einer gültigen E-Mail-Adresse anmelden. Dem Beklagten ist aufgrund der Anmeldung dann die IP-Adresse eines Nutzers bekannt. Es ist allerdings nicht möglich, mit Hilfe dieser IP-Adresse zum richtigen Namen und zur richtigen Adresse eines Nutzers zu gelange. Diese Daten wären nur über den Access-Provider ausfindig zu machen.
Die Homepage des Beklagten enthält für die Benützung seiner Foren bestimmte Regeln. Diese sind von einem Benutzer bei der erstmaligen Anmeldung zu akzeptieren und lauten (auszugsweise):
„Die Administratoren und Moderatoren dieses Forums bemühen sich, Beiträge mit fragwürdigem Inhalt so schnell wie möglich zu bearbeiten oder ganz zu löschen, aber es ist nicht möglich, jede einzelne Nachricht zu überprüfen. Du bestätigt mit Absenden dieser Einverständniserklärung, dass du akzeptiert, dass jeder Beitrag in diesem Forum die Meinung des Urhebers wiedergibt und dass die Administratoren, Moderatoren und Betreiber dieses Forums nur für ihre eigenen Beiträge verantwortlich sind. Du verpflichtest dich, keine beleidigenden, obszönen, vulgären, verleumdenden, gewaltverherrlichenden oder aus anderen Gründen strafbaren Inhalte in diesem Forum zu veröffentlichen. Verstöße gegen diese Regel führen zu sofortiger und permanenter Sperrung. Wir behalten uns vor, Verbindungsdaten und ähnliches an die strafverfolgenden Behörden weiterzugeben. Du räumst den Betreibern, Administratoren und Moderatoren das Recht ein, Beiträge nach eigenem Ermessen zu entfernen, zu bearbeiten, zu verschieben oder zu sperren (...)".
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt zusammengefasst dahin, gemäß § 16 Abs 1 ECG sei ein Diensteanbieter, der von einem Nutzer eingegebene Informationen speichere, für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen nicht verantwortlich, sofern er
1. von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Informationkeine tatsächliche Kenntnis habe und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst sei, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich werde, oder
2. sobald er diese Kenntnisoder dieses Bewusstsein erhalten habe, unverzüglich tätig werde, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.
Gemäß § 18 Abs 1 ECG seien die in den §§ 13 bis 17 genannten Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen gespeicherten, übermittelten oder zugänglich gemachten Informationen allgemein zu überwachen oder von sich aus nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinwiesen.
Betreiber von Chat- und Diskussionsforen sowie Gästebüchern seien Diensteanbieter im Sinn des § 3 Z 2 ECG. Sie hafteten unter bestimmten Umständen auch für Handlungen Dritter. Dabei kämen ihnen jedoch die Haftungserleichterungen des § 16 ECG (Host-Provider) zugute. Die Regelungen der §§ 13 bis 19 ECG beschränkten die Verantwortlichkeit der Anbieter bestimmter elektronischer Dienstleistungen, berührten aber nicht die Frage der Rechtswidrigkeit der Tätigkeit eines Dienstanbieters. Diese bestimme sich ausschließlich nach den jeweiligen materiell-rechtlichen Bestimmungen, etwa dem ABGB, UrhG oder dem UWG.
Bei Diskussionsforen im Internet verlange die gebotene journalistische Sorgfalt in Kenntnis eines emotionell stark besetzten Themas Maßnahmen für den Fall zu treffen, dass ehrenrührige Äußerungen ehestmöglich, dh unter zumutbarem Einsatz von Personal und Hilfsmitteln, entfernt würden. Überforderten die einlangenden Beiträge die vorhandenen Mittel, Rechtsgutverletzungen entgegenzuwirken, so dürften derartige Foren nicht oder nur in eingeschränktem Maß angeboten werden. Das Ersuchen der Redaktion eines Forums um Wahrung sachlicher, fairer und freundlicher Diskussionsatmosphäre, wobei sie sich vorbehalte, rechtswidrige Beiträge zu löschen, sei kein taugliches Mittel, Rechtsgutverletzungen entsprechend entgegenzuwirken.
Die Haftung von Providern für fremdes Fehlverhalten sei stark eingeschränkt. Es müsse für ihn die Rechtsverletzung wie für einen juristischen Laien, ohne weitere Nachforschungen betreiben zu müssen, offenkundig im Sinn von in die Augen fallend sein.
Dass die inkriminierten Eintragungen angesichts des rassistischen, fremden- und frauenfeindlichen und teilweise pornographischen Inhaltes geeignet seien, den Ruf und den Kredit der Klägerin zu schädigen, bedürfe keiner besonderen Begründung. Von einer Persiflage bzw Überzeichnung könne ernsthaft keine Rede sein. Der Inhalt der veröffentlichten Einträge sei daher rechtswidrig.
Dem Beklagten sei vorzuwerfen, dass er sich zur Kontrolle ua auch derartiger Einträge zahlreicher Moderatoren bediene. Der zuständige Moderator „Vizor" habe allerdings den Eintrag nicht sofort gelöscht. Die Einträge seien zumindest bis 4.11.2003 - wenn nicht länger - im Netz abrufbar gewesen. Die Unterlassung des Moderators sei dem Beklagten zuzurechnen. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Moderatoren unentgeltlich tätig seien. Dass der Beklagte selbst erst erheblich später, nämlich erst durch das Schreiben des Klagevertreters, Kenntnis von der inkriminierten Eintragung erlangt habe, vermöge ihn nicht zu exkulpieren, weil ihm die Kenntnis des Moderators zuzurechnen sei.
Im Sinne der „einschlägigen Bestimmungen des Urheberrechts, Markenrechts, Medienrechts und des UWG" sei der Beklagte zum Schadenersatz verpflichtet, wobei ein Betrag von EUR 3.500,-- als angemessen und berechtigt erscheine.

Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteiles richtet sich die Berufung des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es in zur Gänze klagsabweisendem Sinn abzuändern. Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist berechtigt.

Rechtssatz

Das ECG regelt in seinem 5. Abschnitt (§§ 13 ff) Haftungsbefreiungsvoraussetzungen der dort genannten Diensteanbieter im Sinne einer „horizontalen Haftungsbeschränkung": Liegen Sie vor, dann gelten Sie („horizontal") für alle Rechtsgebiete. Der Diensteanbieter ist diesfalls jedweder straf- und zivilrechtlichen Haftung enthoben. Liegen die Haftungsbefreiungsvoraussetzungen nicht vor, so ist nach den in Betracht kommenden Tatbeständen des jeweiligen Rechtsgebietes zu prüfen, ob eine Haftung gegeben ist (Zankl, E-Commerce-Gesetz Rz 187 und Rz 225). Der Betreiber eines Chat-Forums ist als Host-Provider im Sinn des § 16 ECG anzusehen (Zankl Rz 222), was von den Streitteilen zutreffend nicht in Zweifel gezogen wird. Der Host-Provider speichert fremde Daten. Er stellt die Infrastruktur für die Verbreitung der Information zur Verfügung, ohne damit in einem sachlichen Zusammenhang zu stehen oder inhaltlich darauf Einfluss zu nehmen (Zankl, Rz 229).

Der Ausschluss der Verantwortlichkeit des Host-Providers ist in der - bereits vom Erstgericht zitierten - Bestimmung des § 16 ECG geregelt. Demgemäß ist er für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen nicht verantwortlich, sofern er
1. von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information keine tatsächliche Kenntnis hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder,
2. sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erhalten hat, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.

Gemäß § 18 Abs 1 ECG ist der Host-Provider (wie auch die anderen in den §§ 13 bis 17 genannten Dienstanbieter) nicht verpflichtet, die von ihm gespeicherten, übermittelten oder zugänglich gemachten Informationen allgemein zu überwachen oder von sich aus nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinweisen. Eine allgemeine Überwachungspflicht der gehosteten Informationen besteht daher nicht.
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen erlangte der Beklagte erst durch ein Schreiben der Klagevertreter Kenntnis von den hier gegenständlichen Forumbeiträgen und veranlasste daraufhin unverzüglich deren Entfernung. Dass ihm davor irgendwelche Tatsachen oder Umstände bewusst geworden wären, aus denen sich für ihn ergeben hätte, dass die Diskothek der Klägerin verunglimpfende Beiträge von Usern des Forums ins Netz gestellt wurden, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht. Entscheidend dafür, ob dem Beklagten der Haftungsausschluss des § 16 ECG zugute kommt, ist somit, ob diesem das Wissen des Moderators, der die Beiträge, als sie ins Netz gestellt wurden, wahrnahm und sogar kommentierte, zuzurechnen ist. Bei der Prüfung dieser Frage geht es (noch) nicht darum, ob der Beklagte schadenersatzrechtlich für das Verhalten des Moderators einzustehen hat, sondern ausschließlich darum, ob ihm aufgrund einer allfälligen Wissenszurechnung das Haftungsprivileg des § 16 ECG nicht zugute kommt.
Die Berufung bekämpft die Rechtsansicht des Erstgerichtes, der Beklagte müsse sich das Versäumnis des Moderators zurechnen lassen. Die Funktion des „Moderators" sei in keiner Norm geregelt. Es handle sich dabei bloß um weitere Teilnehmer an einem Internetforum, die für spezielle Beitragsgebiete Interesse hätten, sich die Zeit nähmen, Internetforen öfter aufzusuchen und die vom Seitenbetreiber mit der technischen Möglichkeit ausgestattet worden seien, allenfalls Forenbeiträge zu löschen. Eine gesetzliche Verpflichtung, Moderatoren zu beschäftigen oder deren Tätigkeit zu überwachen, bestehe nicht.

Hiezu wird erwogen:
Im Rahmen vertraglicher Beziehungen muss sich, wer einen anderen (etwa als Erfüllungsgehilfen) mit einem konkreten Aufgabenbereich betraut, dessen Wissen, welches dieser im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Tätigkeit erlangt, zurechnen lassen. Die Ratio dieser Zurechnung (wie die Haftung für Gehilfen schlechthin) besteht darin, dass jener, der durch die Einschaltung von Gehilfen seinen geschäftlichen Aktionsradius erweitert und somit Vorteile hat, auch in vollem Umfang das damit verbundene Risiko tragen muss. Der Gläubiger darf nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass der Schuldner sich eines Gehilfen bedient (vgl 8 OB 579/90, SZ 63/20; Koziol/Welser I10, 486).
Dieser Grundsatz der Wissenszurechnung kann jedoch nicht schlechthin auf Fälle übertragen werden, bei denen es - wie hier - um die Beurteilung deliktischer Schadenszufügung geht.

Auf wessen Kenntnis es im Rahmen eines Unternehmens bei der Beurteilung der Frage ankommt, ob der Diensteanbieter von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information Kenntnis hatte (§ 16 Abs 1 Z 1 ECG), ist im Gesetz nicht geregelt. Zankl (in E-Commerce-Gesetz Rz 237) schlägt vor, diesbezüglich in Anlehnung an die im Zivilrecht vertretene Machthabertheorie darauf abzustellen, ob es sich - abgesehen von Organen einer juristischen Person, deren Kenntnis jedenfalls relevant sei - um eine führende bzw für den entsprechenden Bereich zuständige Person in der Organisation des Providers handelt, und sieht als eine solche Person jedenfalls den auf dessen Homepage angeführten Webmaster an.
Die Machthabertheorie wurde von Lehre und Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Haftung juristischer Personen für deliktisches Verhalten ihrer Mitarbeiter entwickelt, weil die juristische Person selbst nicht unmittelbar Verursacherin eines Schadens sein kann, die enge Begrenzung ihrer deliktischen Verantwortlichkeit auf die Haftung für vertretungsbefugte Organe und Besorgungsgehilfen im Sinne des § 1315 ABGB jedoch als unbillig angesehen wurde. Ein Ansatzpunkt war der, dass die Organe der juristischen Person besondere Anleitungs- und Überwachungspflichten hinsichtlich der Mitarbeiter träfen, bei deren Verletzung die Verantwortlichkeit der juristischen Person gegeben sei, ein anderer jener, dass eine juristische Person, die so organisiert sei, dass ein Mitarbeiter, ohne Organ zu sein, Aufgaben zu erfüllen habe, die nach ihrer Bedeutung und dem Maß der Verantwortung eigentlich durch Organe zu erfüllen wären, für Schäden, die dieser Mitarbeiter Dritten verursacht, einstehen müsse. Es bestehe daher eine Haftung der juristischen Person für Repräsentanten bzw leitenden Funktionäre, im Rahmen welcher die Schadenshandlungen aller Personen, die in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion Tätigkeiten für die juristische Person ausführten, dieser zugerechnet würden (Posch in Schwimann² Rz 32ff zu § 26 ABGB mwN).

Nun haben nach den Feststellungen die Moderatoren zwar auch die Aufgabe, Einträge von Nutzern zu kontrollieren und allenfalls zu löschen, doch besteht zwischen diesen unentgeltlich und (weitgehend sogar gegenüber dem Beklagten) anonym tätigen Personen einerseits und dem Beklagten andererseits nach der Ausgestaltung dieses Verhältnisses eine zu schwache Verbindung, um deren während ihres Besuches des Chat-Forums erlangte Kenntnis deliktsrechtlich dem Beklagten, der davon tatsächlich keine Kenntnis erlangt hat, zuzurechnen. Das Verhältnis zwischen den als Moderatoren tätigen Personen und dem Beklagten ist auf beiden Seiten durch keinerlei wie auch immer geartete Verpflichtungen geprägt. Es bestehen weder Vorgaben, wie oft die Moderatoren das jeweilige Forum zu besuchen haben, noch (dienstrechtliche) Sanktionen, auch nicht für den Fall, dass ein Moderator das Forum eine Zeit lang überhaupt nicht besucht. Das Verhältnis erschöpft sich in der (durch eine entsprechende technische Einrichtung) faktisch eingeräumten Möglichkeit, Beiträge von Nutzern zu löschen. Auch das zur Begründung der Repräsentantenhaftung juristischer Personen herangezogene Argument, dass ein Mitarbeiter, ohne Organ zu sein, Aufgaben zu erfüllen hat, die nach ihrer Bedeutung und dem Maß der Verantwortung eigentlich durch Organe zu erfüllen wären, kommt hier nicht zum Tragen, weil der Beklagte als Host-Provider weder zur Überwachung der gespeicherten Informationen noch dazu verpflichtet ist, von sich aus nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinweisen (§ 18 Abs 1 ECG). Mangels Bestehens einer Überwachungsverpflichtung fällt auch das für die Zurechnung von Hilfspersonen maßgebliche Argument weg, dass durch deren Einschaltung die Rechtsposition eines anderen nicht verschlechtert werden darf. Es gehört eben gerade nicht zum Betriebsrisiko eines Host-Providers, für die Gesetzwidrigkeit gespeicherter Inhalte, von denen er keine Kenntnis hat, haftbar gemacht zu werden, dessen er sich durch Einschaltung eines Gehilfen nicht entledigen dürfte.

Die Klägerin meint in ihrer Berufungsbeantwortung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Wien vom 4.3.2002, 18 Bs 20/02, Diskussionsforen dürften nicht oder nur in eingeschränktem Maße angeboten werden, wenn zu einem solchen Forum im Internet einlangende Beiträge die vorhandenen Mittel, Rechtsgutverletzungen entgegenzuwirken, überforderten. Dabei übersieht sie, dass der maßgebliche Grund dafür, dass dem dortigen Antragsteller nach § 6 MedienG eine Entschädigung zuerkannt wurde, der war, dass der Geschäftsführer der dortigen Antragsgegnerin die inkriminierten Textstellen, nachdem er davon Kenntnis erlangt hatte, nicht unverzüglich entfernte. Eine Überwachungsverpflichtung wie von der Berufungsgegnerin gefordert (und offenbar auch vom Erstgericht unterstellt) besteht jedoch nach § 18 Abs 1 ECG ausdrücklich nicht.

Die Berufungsgegnerin meint weiters, die Kenntnis des Berufungswerbers von der Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Beiträge ergebe sich bereits daraus, dass die Rechtswidrigkeit auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig gewesen sei. Hiebei wird übersehen, dass die Offenkundigkeit der Rechtswidrigkeit eines Beitrages für den Host-Provider voraussetzt, dass er zunächst überhaupt in Kenntnis von Tatsachen oder Umständen gelangt und sich dieser bewusst ist (§ 16 Abs 1 Z 1 ECG), aus denen die Rechtswidrigkeit offensichtlich wird. Dies war jedoch nach dem Ersturteil erst der Fall, als die Klägerin den Beklagten mit Schreiben des Klagevertreters von den gegenständlichen Inhalten in Kenntnis setzte, worauf der Beklagte unverzüglich die Entfernung der inkriminierten Beiträge veranlasste.

Zusammengefasst ist bei dem gegebenen Sachverhalt dem Beklagten die Kenntnis des Moderators „Vizor" von den gegenständlichen Inhalten, von denen der Beklagte zunächst selbst keine Kenntnis erlangte, nicht zuzurechnen. Dass dem Beklagten Tatsachen oder Umstände bewusst gewesen wären, aus denen für ihn offensichtlich geworden wäre, dass Beiträge mit dem gegenständlichen Inhalt im Forum veröffentlicht wurden, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht. Als er durch das Schreiben des Klagevertreters Kenntnis davon erlangte, wurden die Beiträge von ihm unverzüglich entfernt. Das Haftungsprivileg des § 16 ECG kommt daher zum Tragen.

Der Berufung war daher durch Abänderung des Ersturteiles in zur Gänze klagsabweisendem Sinn Folge zu geben, ohne dass auf die materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen sowie die Anspruchshöhe eingegangen werden muss.

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gründet sich auf § 41 ZPO, jene betreffend das Berufungsverfahren auf §§ 41, 50 ZPO.
Mangels eines EUR 4.000,-- übersteigenden Entscheidungsgegenstandes ist die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Oberlandesgericht Wien
Abt.3, am 3.8.2006

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