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Abschluss einer Reiseversicherung durch vorweg gesetztes Häkchen

OGH, Beschluss vom 20.5.2008, 4 Ob 69/08p

UWG § 2

*****   Zusammenfassung   *****

Eine Konkurrentin klagt die Betreiberin einer Reisebuchungsseite wegen Irrefühung. Sie sieht eine Lauterkeitswidrigkeit darin, dass beim Ablauf des Buchungsvorgangs durch das vorweg gesetzte Häkchen bei der Reiseversicherung dem Kunden ein nicht gewollter Vertrag unterschoben werde.

Die Unterinstanzen wiesen die Klage ab.

Der OGH gibt der außerordentlichen Revision keine Folge. Maßfigur für die lauterkeitsrechtliche Prüfung einer gegenüber Verbrauchern angewendeten Geschäftspraktik ist ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher. Eine Ankündigung ist nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen. Der deutliche lesbare Hinweis „Wenn Sie keine Reiseversicherung wünschen, dann entfernen Sie bitte das Häkchen im Kasten per Mausklick" ist nicht irreführend. Dass Bestellvorgänge im Internet oft das Aufrufen mehrerer aufeinander folgender Seiten erfordern, wobei die Einwilligung in oder die Ablehnung von Vertragsangeboten durch das Setzen von Häkchen in bzw das Entfernen von Häkchen aus dafür vorgesehenen Kästchen erfolgt, ist dem an dieser Technik interessierten Durchschnittsinteressenten geläufig; solches findet etwa beim Herunterladen von Software, verbunden mit dem Abschluss eines Lizenzvertrags, regelmäßig statt. Es ist daher zumindest vertretbar, in einer solchen Situation von erhöhter Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers auszugehen und ihm zu unterstellen, deutlich lesbare aufklärende Hinweise auch wahrzunehmen.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei S***** a.s., *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 21.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 4.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2008, GZ 3 R 134/07h-11, den

Beschluss

gefasst:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

1. Die Entscheidungen der Vorinstanzen beruhen auf § 2 UWG idF vor der Novelle 2007 (BGBl I 2007/79). Diese Novelle ist seit 12. 12. 2007 in Kraft (§ 44 Abs 7 UWG idgF). Wurde aufgrund eines nach alter Rechtslage verwirklichten Lauterkeitsverstoßes ein Unterlassungstitel geschaffen, und hat während des Rechtsmittelverfahrens eine Rechtsänderung stattgefunden, ist die Berechtigung eines solchen Gebots auch am neuen Recht zu messen, weil dieses Gebot seinem Wesen nach ein in der Zukunft liegendes Verhalten erfassen soll und nur dann aufrecht bleiben kann, wenn das darin umschriebene Verhalten schon im Zeitpunkt des Verstoßes verboten war und nach neuer Rechtslage weiterhin verboten ist (4 Ob 177/07v; 4 Ob 225/07b; 4 Ob 20/08g).

2.1. Maßfigur für die lauterkeitsrechtliche Prüfung einer gegenüber Verbrauchern angewendeten Geschäftspraktik (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG idgF) ist ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher. Inhaltlich besteht gegenüber der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 2 UWG idF vor der Novelle 2007 (4 Ob 196/00b = SZ 73/161 = ÖBl 2001, 18 - Lego Klemmbausteine; RIS-Justiz RS0114366; 4 Ob 127/07s) kein Unterschied, weil diese zuletzt stets auf eine situationsangepasste Aufmerksamkeit abgestellt hat (4 Ob 245/07v).

2.2. Nichts geändert hat die UWG-Novelle 2007 an der Rechtsprechung, wonach eine Ankündigung nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen ist (4 Ob 245/07v; vgl zur alten Rechtslage RIS-Justiz RS0043590 [T36, 39, 40]; RS0078470 [T13]).

2.3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach ihrem Gesamteindruck sei die beanstandete Buchungsseite im Internet, was das Angebot zum Abschluss einer Reiseversicherung betreffe, nicht irreführend, weil unterhalb dieses Angebots der Hinweis „Wenn Sie keine Reiseversicherung wünschen, dann entfernen Sie bitte das Häkchen im Kasten per Mausklick" deutlich lesbar sei und der Kunde bei einer Internet-Buchung „Schritt für Schritt" vorzugehen habe und deshalb eine erhöhte Aufmerksamkeit aufwende, hält sich im Rahmen der zuvor referierten Rechtsprechung zur alten und neuen Rechtslage. Unzutreffend ist der Vorwurf der Klägerin, das Berufungsgericht habe nicht die Aufmachung des gesamten Buchungsvorgangs berücksichtigt, wird dieser doch in seinem Ablauf detailliert geschildert (Berufungsurteil S. 10 f) und sodann rechtlich gewürdigt. Dass Bestellvorgänge im Internet oft das Aufrufen mehrerer aufeinander folgender Seiten erfordern, wobei die Einwilligung in oder die Ablehnung von Vertragsangeboten durch das Setzen von Häkchen in bzw das Entfernen von Häkchen aus dafür vorgesehenen Kästchen erfolgt, ist dem an dieser Technik interessierten Durchschnittsinteressenten geläufig; solches findet etwa beim Herunterladen von Software, verbunden mit dem Abschluss eines Lizenzvertrags, regelmäßig statt. Es ist daher zumindest vertretbar, in einer solchen Situation von erhöhter Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers auszugehen und ihm zu unterstellen, deutlich lesbare aufklärende Hinweise auch wahrzunehmen.

3. Dass es ungewöhnlich oder für den Verbraucher nachteilig (§ 864a ABGB) bzw gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB) sei, dem Verbraucher bei Buchung einer Flugreise zugleich den Abschluss einer Reiseversicherung anzubieten, ist nicht erkennbar; solches hat die Klägerin auch nicht behauptet. Sie hat folgerichtig auch nicht mit Verbandsklage begehrt, die Beklagte möge die Verwendung bestimmter Bedingungen in AGB oder Formblättern unterlassen (§§ 28 Abs 2 iVm § 29 Abs 1 KSchG), sondern hat sich gegen den Ablauf des Buchungsvorgangs als lauterkeitswidrig gewendet, weil ihrer Auffassung nach dem Verbraucher ein nicht gewollter Vertrag unterschoben werde. Das Berufungsgericht ist in dieser lauterkeitsrechtlichen Frage zu einem zumindest vertretbaren Ergebnis gelangt (siehe dazu Punkt 2.); einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob das online-Portal der Beklagten ein Vertragsformblatt sei, das gemäß §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB nichtige Bestimmungen enthalte, bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.

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