Internet4jurists

internetfactory.at

OGH, Urteil vom 27.11.2001, 4 Ob 230/01d

MschG § 4, UWG § 9

*****   Zusammenfassung   *****

Die Klägerin verwendet auf ihrer Website www.tif.net auch das - auch in ihrer Firma enthaltene - Zeichen "the.internet.factory". Die Beklagten registrierten "internetfactory" als Domain und verwendeten die Wortfolge "the internetfactory" auch sonst im geschäftlichen Verkehr, insbesondere auf ihrer Visitenkarte.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt, das Berufungsgericht wies ab.

Der OGH stellt das Ersturteil wieder her. Das Firmenschlagwort "the.internet.factory" ist zur Kennzeichnung von Programmierungs-, Design- und Wartungsleistungen originell und nicht beschreibend. Als relative Phantasiebezeichnung kommt dem Wort "internetfactory" daher Unterscheidungskraft zu, und es genießt als Bestandteil der Firma der Klägerin den Schutz des § 9 Abs 1 UWG. Markenschutz kann für ohne Verkehrsgeltungsnachweis registrierte Wortmarken nur dann in Anspruch genommen werden, wenn es sich dabei um frei erfundene, keiner Sprache angehörige Phantasiewörter oder um ein Wort handelt, das zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehört, mit der Ware oder Dienstleistung, für die es bestimmt ist, aber in keinem Zusammenhang steht. Die Unterschiede durch die einleitende Zeichenfolge "the." sowie das Weglassen des Punktes zwischen den beiden folgenden Wörtern, sind nicht geeignet, eine Ähnlichkeit der beiden Zeichen auszuschließen.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf und Dr. Tittel, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei tif-the.internet.factory P***** GmbH, *****, vertreten durch BKQ Klaus und Quendler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1. Günter S***** KEG, 2. Günter S*****, beide vertreten durch Dr. Gerald Herzog und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung und Beseitigung (Streitwert 500.000 S), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 25. Juli 2001, GZ 6 R 120/01s-17, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14. April 2001, GZ 24 Cg 121/00d-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass die Worte "zur ungeteilten Hand" aus dem Unterlassungsgebot zu entfallen haben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 32.646,90 S (darin 5.441,15 S USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung und die mit 41.163,78 S (darin 4.425,63 S USt und 14.610 S Barauslagen) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die mit Gesellschaftsvertrag vom 15. 4. 1998 gegründete Klägerin ist seit 29. 8. 1998 im Firmenbuch eingetragen; sie ist Berechtigte des Domain-Namen "tif.net". Auf ihrer unter dieser Adresse abrufbaren Homepage verwendet die Klägerin das - auch in ihrer Firma enthaltene - Zeichen "the.internet.factory".

Die am 30. 12. 1998 im Firmenbuch eingetragene Erstbeklagte, deren persönlich haftender Gesellschafter der Zweitbeklagte ist, ist Berechtigte des Domain-Namen "internetfactory.at". Auf ihrer Homepage präsentiert sich die Erstbeklagte als Spezialistin für Internet-Werbung und verwendet dort mehrfach die Begriffe "Internetfabrik" und "the internetfactory"; sie verwendet die Wortfolge "the internetfactory" auch sonst im geschäftlichen Verkehr, insbesondere auf ihrer Visitenkarte. Die Streitteile erbringen Dienstleistungen in der EDV-Branche.

Die Klägerin begehrt das Urteil, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, die Bezeichnung "internetfactory" bzw "the internet factory" als Domain-Name im WorldWideWeb des Internet und als Unternehmenskennzeichnung zu verwenden und in die Löschung des registrierten Domain-Namen "internetfactory" auf Kosten der Beklagten einzuwilligen. Die Beklagten verletzten durch den unbefugten Gebrauch der strittigen Zeichen das prioritätsältere Namensrecht der Klägerin und erweckten dadurch den unrichtigen Eindruck wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den Streitteilen. Neben Verstößen gegen § 43 ABGB und § 37 HGB handelten die Beklagten auch sittenwidrig iSd § 1 UWG, weil sie die strittigen Zeichen nur deshalb gebrauchten, um die Klägerin zu behindern und allenfalls eine spätere Überschreibung des Domain-Namen (gemeint offenbar: gegen Entgelt auf sie) zu erwirken; auch werde eine Leistung der Klägerin schmarotzerisch ausgebeutet.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. "internetfactory" sei ein rein beschreibendes und deshalb nicht schutzfähiges Zeichen, das im übrigen vom Firmenwortlaut der Klägerin einen so großen Abstand halte, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und erlegte den Beklagten die Unterlassungsverpflichtung zur ungeteilten Hand auf. Zwar besitze "internet" einen rein beschreibenden Charakter; in Verbindung mit dem Wort "factory" - das mit dem Internet nichts zu tun habe - sei "internetfactory" aber eine relative Fantasiebezeichnung, die als unterscheidungskräftiger Firmenbestandteil Schutz genieße.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. "internetfactory" sei ein nicht charakteristischer Teil der Firma der Klägerin und falle somit nicht unter den Schutz des § 9 UWG. Bei Beurteilung der Schutzfähigkeit sei auf die beteiligten Verkehrskreise abzustellen. In der Fachsprache des Internet komme dem englischen Wort "factory" (wörtlich übersetzt: Fabrik) die Bedeutung des Anbietens von ADV-Dienstleistungen zu. Mit dem strittigen Zeichen würden damit die von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen ihrer Art nach hinreichend beschrieben. Ein beschreibendes Zeichen sei nur bei Verkehrsgeltung als Firmenbestandteil registrierbar; solches sei aber nicht behauptet worden.

Rechtssatz

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht im Einklang mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung steht; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr Firmenschlagwort "the.internet.factory" sei zur Kennzeichnung von Programmierungs-, Design- und Wartungsleistungen originell und nicht beschreibend. Dem ist zuzustimmen.

Die in § 9 Abs 1 UWG angeführten Bezeichnungen, also auch die besondere Bezeichnung eines Unternehmens, sind zufolge der ihnen innewohnenden Namensfunktion grundsätzlich schon (aber auch nur) dann schutzfähig, wenn sie Unterscheidungs-(Kennzeichnungs-)kraft besitzen, also etwas Besonderes, Individuelles an sich haben, das sie schon ihrer Art nach dazu eignet, ihren Träger von anderen Personen zu unterscheiden. Andernfalls könnte eine Verwechslungsgefahr von vornherein nicht entstehen (ÖBl 1996, 143 [Koppensteiner] - Plus mwN; RdW 2001, 49 = MR 2001, 258 - pro-solution.at mwN).

Markenschutz kann für ohne Verkehrsgeltungsnachweis registrierte Wortmarken nur dann in Anspruch genommen werden, wenn es sich dabei um frei erfundene, keiner Sprache angehörige Phantasiewörter oder um ein Wort handelt, das zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehört, mit der Ware oder Dienstleistung, für die es bestimmt ist, aber in keinem Zusammenhang steht (ÖBl 1998, 241 - jusline mwN). Beschreibenden Angaben kommt gem § 4 Abs 1 Z 4 und Abs 2 MSchG der durch Registrierung erworbene markenrechtliche Schutz nur dann zu, wenn das Zeichen Verkehrsgeltung erlangt hat (ecolex 2001/157 - Immobilienring.at mwN). Als rein beschreibend gelten Zeichen, deren Begriffsinhalt von den beteiligten Verkehrskreisen zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschlossen werden kann und die als beschreibender Hinweis auf die Art der Tätigkeit des betreffenden Unternehmens verstanden werden (ÖBl 1998, 241 - jusline mwN; ÖBl-LS 01/95 - Dermanet; 4 Ob 169/01h - Best Energy). Enthält das Zeichen nur Andeutungen einer bestimmten Beschaffenheit, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht rein beschreibend (vgl MR 1999, 354 - Wirtschaftswoche; ÖBl-LS 01/20 - E-MED = ecolex 2001, 127 [Schanda]; 4 Ob 237/01h - drivecompany).

Auch die Rechtsprechung des Gerichts Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (EuG), des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (HABM) zu Art 7 Abs 1 lit c Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV), der ein dem § 4 Abs 1 Z 4 MSchG wortgleiches absolutes Eintragungshindernis normiert, unterstellt diesem Schutzhindernis nur solche Zeichen und Angaben, die es den beteiligten Verkehrskreisen unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken ermöglichen, ein beschreibendes Merkmal zu erkennen (EuG WRP 2001, 907 - Telefon & Buch). Soweit dagegen eine beschreibende Angabe zu vage und unbestimmt ist, um ihr für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen einen beschreibenden Charakter zu verleihen, steht der Eintragung regelmäßig kein Eintragungshindernis entgegen (EuG WRP 2001, 528 - EASYBANK). Das gilt insbesondere dann, wenn das Zeichen als solches oder in seinen Bestandteilen mit Bezug auf die begehrte Ware oder Dienstleistung ganz ungewöhnlich und unüblich ist oder mehrere Bedeutungen aufweist und daher beim angesprochenen Durchschnittsverbraucher unmittelbar ersichtlich mehrdeutige und/oder widersprüchliche Vorstellungen und verschiedene Interpretationen hervorrufen kann (EuGH GRUR-RR 2001, 158 - Doublemint; HABM GRUR-RR 2001, 237 - EUROPEAN ENERGY EXCHANGE). Zur Schutzversagung reicht nicht aus, dass nur auf eine beschreibende Angabe angespielt oder ein der Ware oder Dienstleistung zu Werbezwecken zugeschriebenes Image angedeutet wird, wenn dies nicht über den erlaubten Bereich der Suggestion oder Anspielung hinausgeht (HABM GRUR-RR 2001, 237 - EUROPEAN ENERGY EXCHANGE). Die Unterscheidungskraft von Wortverbindungen hängt davon ab, ob die fragliche Wortverbindung als normale Ausdrucksweise aufgefasst werden kann, um im üblichen Sprachgebrauch diese Ware zu bezeichnen oder ihre wesentlichen Merkmale wiederzugeben. Sogar wenn jedes der enthaltenen Wörter, aus denen das Gesamtzeichen besteht, Teil im üblichen Sprachgebrauch verwendeter Ausdrücke zur Bezeichnung der Funktion der Ware sein kann (dort: BABY-DRY in Bezug auf Windeln für Babys und Kleinkinder), ist das Zeichen - als Ergebnis einer lexikalischen Erfindung - dann nicht rein beschreibend, wenn die der Struktur nach ungewöhnliche Verbindung dieser Wörter kein bekannter Ausdruck der verwendeten Sprache ist, um diese Waren zu bezeichnen oder ihre wesentlichen Merkmale wiederzugeben (EuGH WRP 2001, 1276 - Baby-dry).

Für die besondere Bezeichnung des Unternehmens (§ 9 Abs 1 UWG) gelten die gleichen Grundsätze wie für Marken (vgl ÖBl 1959, 89 - Haus der Dame; ÖBl 1994, 85 - TÜV I ua). Auch hier kommt es darauf an, ob und in welchem Maß das verletzte Zeichen kennzeichnungskräftig ist (4 Ob 169/01h). Als Unternehmungsbezeichnungen sind demnach von Haus aus nicht schutzfähig reine Gattungsbezeichnungen - sofern sie nicht in einem ungebräuchlichen Sinn verwendet werden - und beschreibende Angaben (ÖBl 1996, 143 [Koppensteiner] - Plus).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Klägerin darin beizupflichten, dass die Wortfolge "the.internet.factory" als Bestandteil ihrer Firma in Bezug auf Dienstleistungen in der EDV-Branche nicht rein beschreibend ist. Das von der Erstbeklagten - abgesehen vom Weglassen eines Punktes - zeichengenau übernommene Firmenschlagwort der Klägerin "internetfactory" ist eine Zusammensetzung aus zwei der englischen Sprache entnommenen Wörtern: "internet" wird auch im Deutschen zur Bezeichnung des internationalen Computernetzwerks verwendet und ist insoweit beschreibend; "factory" bedeutet im Wirtschaftsenglisch Fabrik und Fabrikationsstätte (Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, Teil I Englisch-Deutsch; Messinger, Langenscheidts Handwörterbuch Englisch), bezeichnet aber auch ganz allgemein einen Betrieb oder ein Werk, in dem Güter hergestellt werden (Schäfer, Wirtschaftswörterbuch Englisch I3). Die Klägerin stellt als Dienstleistungsunternehmen keine Güter her, verfügt demnach auch über keine Fabrik (factory). Das von ihr verwendete Firmenschlagwort "internetfactory" spielt somit zwar auf einen bestimmten Charakter der von ihr angebotenen Dienstleistungen der EDV-Branche an, ist aber nicht geeignet, beim Durchschnittsverbraucher eindeutige Vorstellungen hervorzurufen. Die Art der von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen wird mit dem strittigen Zeichen nur angedeutet, ohne dass diese damit bereits in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar bezeichnet würden; jedenfalls sind noch weitere Überlegungen und Schlussfolgerungen über die mit dieser Buchstabenverbindung gewollte oder erzielte Aussage erforderlich. Daran ändert auch nichts, dass - wie die Beklagten behaupten - bei Eingabe des strittigen Zeichens in Suchmaschinen des Internets "tausende Schlagwörter" aufzufinden seien. Unter welchem Domain-Namen die Klägerin selbst im Internet aufzufinden ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

Als relative Phantasiebezeichnung kommt dem Wort "internetfactory" daher Unterscheidungskraft zu, und es genießt als Bestandteil der Firma der Klägerin den Schutz des § 9 Abs 1 UWG.

Die Erstbeklagte hat den von ihr angemeldeten Domain-Namen "internetfactory.at" in seiner second level domain gegenüber dem prioritätsälteren Firmenschlagwort der Klägerin allein darin verändert, dass sie die einleitende Zeichenfolge "the." sowie einen Punkt zwischen den beiden folgenden Wörtern weglässt. Diese Abweichungen sind - selbst wenn man mit den Beklagten das strittige Zeichen als schwaches Zeichen mit nur eingeschränkter Kennzeichnungskraft beurteilen wollte - nicht geeignet, eine Ähnlichkeit der beiden Zeichen auszuschließen. Der strittige Domain-Name fällt somit in den Ähnlichkeitsbereich des Firmenschlagwortes der Klägerin. Auf Grund der Dienstleistungsidentität in Bezug auf die Unternehmen der Streitteile ist Verwechslungsgefahr daher zu bejahen. Das Klagebegehren erweist sich schon aus diesem Grund als berechtigt; auf den weiteren Gesichtspunkt des sittenwidrigen Domain-Grabbing (vgl dazu zuletzt MR 2001, 245 [Korn] - täglichalles.at mwN) musste damit nicht mehr eingegangen werden.

Der Revision ist Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass die Worte "zur ungeteilten Hand" aus dem Unterlassungsgebot zu entfallen haben; ist nämlich eine Unterlassungsverpflichtung mehreren Beklagten aufzuerlegen, haben sie jeder für sich für eine solche Unterlassung zu haften (ÖBl 1990, 261 - Hundertwasser-Pickerl mwN; MR 1997, 327 - K-Tiefstpreise).

Die Kostenentscheidung ist in den § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet. Eine Berufungsverhandlung hat nicht stattgefunden, weshalb die Berufungsbeantwortung mit dem dreifachen Einheitssatz zu honorieren war (§ 23 Abs 9 RATG).

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