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Gebrauch von Raubkopien

OGH, Urteil vom 18.9.2001, 14 Os 91/01 (14 Os 92/01)

UrhG § 91

*****   Zusammenfassung   *****

Der Beschuldigte hatte Raubkopien von verschiedenen Programmen, die ihm sein Bruder geschenkt hatte, verwendet. Er wurde in erster und zweiter Instanz verurteilt.

Der OGH hebt aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes die Urteile auf und spricht den Beschuldigten frei. Nicht jede Benutzung eines Werks ist eine strafbare Handlung iSd § 91 Abs 1 (§ 86 Abs 1 Z 1) UrhG, sondern nur eine "auf eine nach den §§ 14 bis 18 dem Urheber vorbehaltene Verwertungsart" (§ 86 Abs 1 Z 1). Von der hier in Frage kommenden, der Vervielfältigung (§ 15) wurde der Beschuldigte aber freigesprochen.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. September 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Philipp und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Albel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dipl. Ing. Plamen I***** wegen des Vergehens nach § 91 Abs 1 UrhG, AZ 4c E Vr 9.538/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. März 2000, GZ 4c E Vr 9.538/98-37, und des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. August 2000, AZ 20 Bs 207/00 (= ON 48 des Vr-Aktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Privatanklagevertreters Dr. Kucsko, des Verteidigers Mag. Suppan, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Im Verfahren AZ 4c EVr 9.538/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzen das Urteil dieses Gerichtes vom 20. März 2000, ON 37, und das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. August 2000, AZ 20 Bs 207/00 (= ON 48), das Gesetz in der Bestimmung des § 91 Abs 1 UrhG.

Diese Urteile werden aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Dipl. Ing. Plamen I***** wird (auch) von der wider ihn erhobenen Privatanklage, er habe in Wien über einen längeren, nicht näher bestimmbaren Zeitraum hinweg, jedenfalls aber im November 1998 die nachgenannten "unlizenzierten" Kopien von Microsoft und Autodesk Computerprogrammen in Form von CD-ROMs gebraucht und zwar AutoCAD 12, AutoCAD 13, AutoCAD 14, AutoCAD Lite, AutoCAD Simulator 12, AutoCAD Data Extension, AutoCAD Designer 1.2, AutoCAD Map 2.0, Mechanical Desktop, AutoSketch und Auto Vision sowie Windows NT 4.0 Server, Windows 95, Office 97 Pro, Word 97, Word 6.0, Money 98 Plus, Outlook 97, Exchange Server 4.0, Publisher, Frontpage 1.1, SQL Server 6.5, Encarta 97 und Visual Studio 97, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Den Privatanklägern fallen die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Gründe:

Im Privatanklageverfahren der A***** und M***** gegen Dipl. Ing. Plamen I***** wegen § 91 Abs 1 UrhG, AZ 4c EVr 9.538/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, wurde dieser mit Urteil vom 20. März 2000 (ON 37) des genannten Vergehens schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er in Wien während eines längeren, nicht näher bestimmbaren Zeitraums, jedenfalls aber im November 1998 "unlizenzierte", auf CD-ROM gespeicherte Kopien von im Urteil näher bezeichneten M***** und A*****Computerprogrammen "gebraucht" hat. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen wurden im Zug einer Hausdurchsuchung beim Verurteilten zehn Stück CD-ROM mit der genannten Software vorgefunden, für die er keine Gebrauchslizenzen hatte. Diese Datenträger wurden ihm von seinem Bruder geschenkt, der sie in S***** um etwa 50 S pro Stück gekauft hatte. Die Software wurde vom Verurteilten zur genannten Zeit gebraucht, wobei er es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass er dadurch in fremde Linzenzrechte eingreift (US 4 f). Das Erstgericht ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass gemäß § 91 Abs 1 iVm § 86 Abs 1 Z 1 UrhG zu bestrafen sei, wer vorsätzlich ein Computerprogramm "verwertet, vervielfältigt oder verbreitet", und kam zum Ergebnis, dass der Beschuldigte duch das Gebrauchen der "unlizenzierten" Software den Tatbestand des § 91 Abs 1 UrhG sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt habe.

Das Oberlandesgericht Wien gab der gegen dieses Urteil von Dipl. Ing. Plamen I***** erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe mit Urteil vom 22. August 2000, AZ 20 Bs 207/00 (ON 48), nicht Folge. Im Rahmen einer in der Entscheidungsbegründung dargelegten Prüfung, "ob der Gebrauch der Raubkopien gegen das dem Urheber vorbehaltene Vervielfältigungsrecht verstößt" (S 421), führte das Oberlandesgericht aus, dass dem festgestellten Abspielen eines Computerprogramms und der (auch probeweisen) Arbeit mit dem Programm notorisch dessen "Installierung auf einem Speicherplatz" vorausgehe. Das Vorliegen einer Verletzung des ausschließlichen Verwertungsrechts des Urhebers im Sinn des § 15 UrhG sei zutreffend bejaht worden. Mit dem Berufungseinwand, dass strafbares Verhalten deshalb nicht gesetzt worden sei, weil selbst die Herstellung von Vervielfältigungsstücken zum eigenen Gebrauch zulässig sei, werde verkannt, dass im vorliegenden Fall § 42 UrhG keine Anwendung finde. Eine Vervielfältigung und Bearbeitung eines Computerprogramms im Sinn des § 40d Abs 2 UrhG sei dem zur Benutzung Berechtigten vorbehalten, wovon bei einer Verwendung von Raubkopien keinesfalls die Rede sein könne (S 423 f).

Diese Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien stehen - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtssatz

Computerprogramme sind Werke im Sinn des Urheberrechtsgesetzes, wenn sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind (§ 1 Abs 1, § 2 Z 1 und § 40a Abs 1 UrhG).

Gemäß § 91 Abs 1 UrhG sind Eingriffe der in § 86 Abs 1 UrhG bezeichneten Art mit Strafe bedroht. Die unbefugte Vervielfältigung eines Computerprogramms (§ 14 Abs 1, § 15 Abs 1, § 40d UrhG) stellt zwar einen Engriff gemäß § 86 Abs 1 Z 1 UrhG dar; ein solcher Eingriff ist jedoch zufolge des durch die Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996, BGBl Nr. 151, mit Wirkung vom 1. April 1996 angeführten zweiten Satzes des § 91 Abs 1 UrhG dann nicht strafbar, wenn es sich nur um eine unbefugte Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch oder unentgeltlich auf Bestellung zum eigenen Gebrauch eines anderen handelt (vgl 3 BlgNR 20. GP 30).

Vorliegend wurde Dipl. Ing. Plamen I***** aber vom Vorwurf der Vervielfältigung der in Rede stehenden Computerprogramme rechtskräftig freigesprochen (US 3) und erfolgte ein Schuldspruch nur wegen eines nicht näher umschriebenen "Gebrauchs" der Programme.

Entgegen der vom Erstrichter offenbar vertretenen Meinung ist nicht jede Benutzung eines Werks eine strafbare Handlung iSd § 91 Abs 1 (§ 86 Abs 1 Z 1) UrhG, sondern nur eine "auf eine nach den §§ 14 bis 18 dem Urheber vorbehaltene Verwertungsart" (§ 86 Abs 1 Z 1). Von all diesen kommt hier nur die Vervielfältigung nach § 15 in Frage, von der der Verurteilte aber unter einem freigesprochen wurde. Nach der Aktenlage steht eine Benutzung der Programme auf die in den §§ 16, 17 und 18 beschriebenen Weisen nicht in Rede.

Der Schuldspruch wegen "Gebrauchs" der Programme war somit prozessual schon wegen des gleichzeitig erfolgten Freispruchs vom nach der Aktenlage einzig möglichen Gebrauch in Form der "Vervielfältigung" verfehlt ("ne bis in idem").

Mit der Feststellung der Gesetzesverletzung war gemäß § 292 letzter Satz StPO die Aufhebung der Urteile zu verbinden und mit Freispruch vorzugehen.

Daraus folgt die auf § 390 StPO gegründete Kostenentscheidung.

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