Werbe-E-Mail an Rechtsanwalt
LG f ZRS Wien, Urteil vom 2.7.2003, 35 R 156/03f
TKG § 101 (alte Fassung)
***** Zusammenfassung *****
Die Beklagte, ein Softwareunternehmen, schickte dem Kläger, einem Wiener Rechtsanwalt, per E-Mail eine Einladung zu einer Produktpräsentation. Es ging um eine Internetplattform für Konkurswarenvertrieb und die Einladung sollte Anwälten, die als Masseverwalter tätig sind, ermöglichen, Wünsche und Anregungen in das Projekt der Beklagten einzubringen. Die E-Mail-Anschrift des Klägers hatte die Beklagte von der Rechtsanwaltskammer erhalten, die ebenfalls in das Projekt eingebunden und auch eingeladen war und die der Beklagten geraten hatte, jene Anwälte, die als Masseverwalter tätig sind, per E-Mail zu kontaktieren. Der Kläger klagte auf Unterlassung und Ersatz seiner Kosten (Aufforderungsschreiben und Unterlassungserklärung) als Schadenersatz.
Das Erstgericht sprach einen Teil der Forderung zu.
Das Berufungsgericht weist das Klagebegehren zur Gänze ab. Nach seiner Ansicht liegt kein Werbe-E-Mail vor; es handle sich vielmehr um eine Einladung des Klägers, seine Bedürfnisse und Anforderungen als Masseverwalter in das Projekt konkurs.ag einfließen zu lassen. Auch seien die Grundsätze der Telefon- und Telefax-Werbung nicht auf die E-Mail-Werbung übertragbar, sodass auf die behauptete vermutete Zustimmung nicht eingegangen werden müsse. Aus diesem Grund sei auch das in eventu geltend gemachte Unterlassungsbegehren nicht gerechtfertigt; über dies liege keine Wiederholungsgefahr vor, weil sich die Beklagte ohnedies verpflichtet habe, keine E-Mails mehr an den Kläger zu schicken.
- Anmerkung: Nachdem es sich um kein fertiges Produkt gehandelt hat, das an Rechtsanwälte verkauft werden sollte, sondern es um die Mitarbeit bei der maßgeschneiderten Erstellung eines solchen ging, ist der Meinung, dass es gar keine Werbe-E-Mail war, zuzustimmen. Anders verhält sich das aber bei den geäußerten grundsätzlichen Bedenken, ob die Grundsätze für Telefon- und Faxwerbung überhaupt auf E-Mail übertragbar seien. Die zitierte OGH-Entscheidung hat mit unverlangter Werbung überhaupt nichts zu tun, sondern betrifft die Zusendung eines anonymen, ehrenbeleidigenden Briefes und die zitierte deutsche Literatur stammt aus dem Jahr 1998, also einer Zeit, wo es noch keine derartigen Verbote gab und Werbe-E-Mails auch noch nicht als Problem empfunden wurden. Diesbezüglich wurde die Rechtslage aber ohnedies bereits durch den Gesetzgeber mit der TKG-Novelle 2003 klargestellt. In § 107 TKG neu ist die elektronische Post ausdrücklich genannt.
***** Entscheidung *****
Das Landesgericht für ZRS Wien als Berufungsgericht hat durch VPräs HR Dr. Ingeborg Karhan als Vorsitzende sowie Dr. Kurt Seeliger und Mag. Johann Lehmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. H*** H***, Rechtsanwalt, wider die beklagte Partei V*** GmbH, vertreten durch Dr. Peter Ozlberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen (zuletzt) EUR 254,50 sA, infolge Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 84,83) und Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 169,67) jeweils gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 10.2.2003, 37 C 2427/02d 9, gemäß § 501 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Berufung der beklagten Partei Folge gegeben und das
angefochtene Urteil dahingehend abgeändert, dass es insgesamt zu lauten hat:
"Das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden
Partei einen Betrag von EUR 254,50 samt 4 % Zinsen seit 15.10.2002 binnen 14
Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen, wird ebenso wie das
Eventualklagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, es gegenüber der
klagenden Partei zu unterlassen, der klagenden Partei ohne deren vorherige,
jederzeit widerrufbare Zustimmung elektronische Post zu Werbezwecken zu
schicken, abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit
EUR 237,44 (darin enthalten EUR 39,04 an USt und EUR 3,20 an Barauslagen)
bestimmten Prozesskosten zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit
EUR 264,24 (darin enthalten EUR 39,04 an USt und EUR 30, an Barauslagen)
bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig (S 502 Abs 2 ZPO).
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte zuletzt die Zahlung von EUR 254,50 samt 4 % Zinsen seit 15.10.2002 und brachte vor, die Beklagte habe am 10.10.2002 an ihn rechtswidrig ein Werbe E-Mail geschickt. Er habe die Beklagte aufgefordert, eine Unterlassungserklärung hinsichtlich der rechtswidrigen Zusendung solcher Mails abzugeben und seine tarifmäßigen Kosten für sein Forderungsschreiben und die Unterlassungserklärung zu bezahlen. Von der Beklagten sei bis dato nichts bezahlt worden. Der Klagsbetrag werde aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vom 28.1.2003 dehnte der Kläger die Klage um das aus dem Spruch ersichtliche Eventualbegehren auf Unterlassung aus und bewertete dieses mit der Höhe seines Hauptbegehrens, daher mit EUR 254,50. Ergänzend brachte der Kläger vor, dass er nie seine Zustimmung erteilt habe, elektronische Post zu Werbezwecken zu erhalten. Bei der eingeklagten Hauptforderung handle es sich um den Tarifansatz nach TP 3A RATG bei einer Bemessungsgrundlage von EUR 10.900, für das Aufforderungsschreiben des Klägers vom 15.10.2002 samt der Unterlassungserklärung, mit der die beklagte Partei aufgefordert worden sei, die Zusendung elektronischer Post zu Werbezwecken zu unterlassen. Die Beklagte habe diese Erklärung nicht abgegeben, weshalb Wiederholungsgefahr gegeben sei und die Klagsführung berechtigt sei. Mit dem E-Mail vom 10.10.2002 habe die Beklagte für eine Veranstaltung in Form einer Einladung geworben und darüber hinaus auch eine allgemeine Werbung in diesem E-Mail versendet. Der Beklagten wäre es freigestanden, eine lediglich auf Werbe E-Mails eingeschränkte Unterlassungserklärung abzugeben, diese eingeschränkte Erklärung sei jedenfalls in der außergerichtlichen Unterlassungserklärung enthalten gewesen.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und brachte vor, dass es sich beim streitgegenständlichen E-Mail um kein verbotenes Werbe E-Mail handle. Die Beklagte habe dem Kläger lediglich eine Einladung zu einem Informationsabend ihrer Internetplattform für Konkurswaren gesandt, um ihm als Masseverwalter die Möglichkeit zu bieten, das unter Einbindung der Rechtsanwaltskammer entstehende Projekt "konkurs.ag" mitzugestalten. Der Kläger hätte daher von der Beklagten weder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, noch Waren kaufen sollen, im Gegenteil hätte in weiterer Zukunft eine Dienstleistung des Klägers in Anspruch genommen werden sollen. Eine weitere Kontaktaufnahme mit dem Kläger sei nicht erfolgt. Der Kläger betreibe eine Internetseite, auf welcher er seine E-Mail Adresse bekannt gebe: Darin sei eine Aufforderung zu sehen, ihn zumindest in Belangen, die mit seiner Kanzlei zusammenhingen zu kontaktieren, weshalb darin eine Zustimmung zu sehen sei. Weiters ergebe sich die Zustimmung daraus, dass der Kläger der Rechtsanwaltskammer Wien seine E-Mail Adresse bekanntgegeben habe im Wissen, dass sie abrufbar sei und daher einer weiteren Kontaktaufnahme diene. Dem E-Mail vom 10.10.2002 seien Gespräche mit der Standesvertretung des Klägers vorangegangen. Man habe der für die Öffentlichkeitsarbeit des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages zuständigen Frau Mag. T*** das Projekt vorgestellt. In der Folge sei der Beklagten vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag eine Liste von Masseverwaltern übergeben und darauf verwiesen worden, dass deren E-Mail-Adressen auf der Homepage der Kammer zu finden seien. Die Einladung sei daher in Absprache mit der Standesvertretung des Klägers erfolgt, die selbst auf die Kontaktaufnahme per E-Mail hingewiesen habe. Selbst wenn daher in der Einladung eine vom Kläger behauptete Werbung im Sinne des § 101 TKG liegen sollte, was jedoch nicht der Fall sei, so sei diese durch mutmaßliche Einwilligung gedeckt gewesen. Da die Standesvertretung des Klägers auf die Kontaktaufnahme per E-Mail hingewiesen habe, habe die Beklagte redlicherweise auch davon ausgehen dürfen,.dass ein Mitglied des Standes mit dieser Form der Kontaktaufnahme einverstanden sei. Im Übrigen habe der Kläger sein Unterlassungsbegehren fallen gelassen, weshalb ohne Hauptanspruch auch kein Nebenanspruch in Form von Kosten, auch nicht aus dem Titel des Schadenersatzes, zustehe. Die Kosten seien nicht adäquat verursacht und weitgehend provoziert worden. Aufgrund der ersten und einzigen Kontaktaufnahme der Beklagten mit dem Kläger hätte ein formloser Hinweis, wonach der Kläger eine Kontaktierung nicht mehr wünsche, ausgereicht. Im Übrigen habe der Beklagte bei völlig überzogener Bewertung von EUR 10.900, ein Forderungsschreiben, das mit EUR 39,40 sowie eine Unterlassungserklärung, die mit EUR 254,-- verrechnet worden sei, übermittelt. Die beiden Schreiben seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen. Schon die Vorformulierung eines Unterlassungsbegehrens sei nicht notwendig, weiters sei es nicht erforderlich, dies in einem vom Aufforderungsschreiben gesonderten Schreiben zu tun. Überdies könne der Kläger keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen, da diese bei Schadenersatzansprüchen nicht anfalle. Das außergerichtliche Unterlassungsbegehren des Klägers sei zu weit gefasst gewesen, da der Kläger gefordert habe, dass die Beklagte die Zusendung elektronischer Post jeder Art, insbesondere aber Massensendungen oder zu Werbezwekken, unterlasse, was von § 101 TKG nicht gedeckt sei. Da der Kläger mit dem Hauptbegehren nicht obsiegen könne, habe er auch keinen Kostenersatzanspruch. Im Übrigen sei dem Kläger kein Schaden entstanden, da er selbst das Schreiben verfasst habe. Weiters habe der Kläger das eingeschränkte Unterlassungsbegehren bisher nicht an den Beklagten herangetragen. Im Übrigen habe der Kläger bislang für das Forderungsschreiben nur EUR 39,40 in Rechnung gestellt, sein nunmehriges Vorbringen stehe dazu im Widerspruch.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht die Beklagte schuldig
erkannt, dem Kläger EUR 169,67 samt 4 Zinsen seit 29.10.2002 zu bezahlen und das
Mehrbegehren über EUR 84,83 ebenso wie das Zinsenmehrbegehren, 4 % Zinsen
bereits seit 15.10.2002 zu bezahlen, abgewiesen. Dabei ging es von den auf den
Seiten 7 bis 9 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Sachverhaltsfeststellungen
aus.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass allein aus dem Umstand,
dass der Kläger eine Homepage betreibe, auf der seine E-Mail Adresse ersichtlich
sei, keine auch nicht konkludente Zustimmung des Klägers zu Werbe-E-Mails
erblickt werden könne, da die Frage der Einwilligung restriktiv zu beurteilen
sei. Auch die bloße Bekanntgabe seiner E-Mail-Adresse an die Rechtsanwaltskammer
begründe keine derartige Zustimmung. Nach seinen "Feststellungen" sei das
streitgegenständliche E-Mail der Beklagten als Werbe-E-Mail zu beurteilen, da es
die Internetplattform der Beklagten beworben und auf die Vorteile für den Kläger
etwa durch den Wortlaut "zusätzlicher Gewinn durch Provisionsbeteiligung"
hingewiesen habe. Die Beklagte habe daher rechtswidrig ein E-Mail zu
Werbezwecken an den Kläger gesendet, weshalb dem Kläger wegen Verstoßes nach §
101 TKG Schadenersatz und Unterlassungsansprüche zustünden, deren gerichtliche
Durchsetzung möglich gewesen wäre. Der Kläger sei durch die Zusendung des
unerwünschten Werbe E-Mails veranlasst gewesen, die Beklagte außergerichtlich
zur Unterlassung aufzufordern und habe für die Verfassung des
Aufforderungsschreibens und der Unterlassungserklärung einen Aufwand auf seine
Kosten getätigt. Für die Verfassung des gegenständlichen Schreibens seien gemäß
§ 273 ZPO Kosten in Höhe von EUR 254,50 für die anwaltliche Intervention des
Klägers angemessen. Der Kläger, welcher in eigener Sache als Rechtsanwalt
eingeschritten sei, habe jedenfalls Kostenersatz nach dem RATG verlangen können.
Nach § 1333 Abs 3 ABGB könne er die notwendigen Kosten zweckentsprechender
außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen als
Schadenersatzforderung geltend machen, wenn der Schaden vom Schuldner
verschuldet sei.
Das Aufforderungsschreiben des Klägers samt Unterlassungserklärung sei geeignet
gewesen, seinen Unterlassungsanspruch auf außergerichtlichem Weg zu realisieren.
Daran könne auch die zu weit gefasste Unterlassungserklärung des Klägers nichts
ändern, da einer allfälligen Unterlassungsklage insoweit stattzugeben gewesen
wäre, als damit der Kern der Verletzungshandlung erfasst werde und es dem
Beklagten überdies freigestanden wäre, die überschießenden Passagen zu streichen
und die so eingeschränkte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Der
Betreibungsaufwand des Klägers habe daher der zweckentsprechenden Betreibung
gedient, da dem Kläger ein formloser Hinweis etwa mittels Telefonates
redlicherweise nicht zumutbar gewesen sei. Durch die rechtswidrige Zusendung des
Werbe-E-Mails treffe die Beklagte ein Verschulden, welches darin zu sehen sei,
dass es die Beklagte unterlassen habe, eine Zustimmung des Klägers etwa auf
postalischem Weg einzuholen. Die durch die außergerichtliche Intervention des
Klägers entstandenen Kosten in Höhe von EUR 254,50 seien eine kausale und
adäquate Folge des Verstoßes der Beklagten gegen § 101 TKG. Der Kläger habe
dadurch, dass er (vor Klagseinschränkung) als Kostenersatz für die
außergerichtliche Intervention EUR 352,68 in Rechnung gestellt habe, mehr als
die notwendigen Kosten begehrt, somit den Schaden nicht möglichst gering
gehalten und damit gegen die Schadenminderungsobliegenheit des § 1304 ABGB
verstoßen. Die Beklagte habe einen Schaden des Klägers in Höhe von EUR 254,50
rechtswidrig, kausal und adäquat verschuldet, weshalb dem Kläger ein
Schadenersatzanspruch zustehe. Den Kläger treffe gemäß § 1304 ABGB ein
Mitverschulden von einem Drittel, weil er für seine außergerichtliche
Intervention einen unverhältnismäßig hohen Kostenersatz in Rechnung gestellt
habe. Prozessual sei auszuführen, dass das Mitverschulden vom Beklagten zwar
nicht ausdrücklich eingewendet worden sei, es jedoch genüge, wenn sich aus dem
Parteienvorbringen eine entsprechende Behauptung entnehmen lasse. Im Vorbringen
des Beklagten, wonach das Aufforderungsschreiben samt Unterlassungserklärung zu
hoch bewertet worden sei, sei ein Mitverschuldenseinwand zu erblicken. Das
Zinsenmehrbegehren sei abzuweisen gewesen, weil sich aus dem außergerichtlichen
Forderungsschreiben des Klägers vom 15.10.2002 eine Leistungsfrist bis zum
28.10.2002 ergebe und der Kläger im Zuge der Klagseinschränkung offenbar aus
einem Versehen Zinsen bereits ab 15.10.2002 begehrt habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich einerseits die aus dem Anfechtungsgrund der
unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Berufung des Klägers mit dem
Abänderungsantrag, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben, andererseits die
von der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen
Beurteilung erhobene Berufung mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren zur
Gänze abzuweisen. Hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag.
In den Berufungsbeantwortungen der Streitteile wird jeweils beantragt, der
Berufung des Prozessgegners keine Folge zu geben.
Rechtssatz
Die Berufung des Klägers ist nicht berechtigt, der
Berufung der Beklagten kommt dagegen Berechtigung zu.
Es ist zwar verständlich, dass der Kläger Schwierigkeiten hat, die vom
Erstgericht gewählte "Mitverschuldenskonstruktion" nachzuvollziehen, wenn das
Erstgericht einerseits auf Seite 11 der Urteilsausfertigung für die Verfassung
des gegenständlichen Schreibens gemäß § 273 ZPO Kosten für die anwaltliche
Intervention des Klägers in Höhe von EUR 254,50 angemessen erachtet, auf welchen
Betrag der Kläger sein Zahlungsbegehren in der mündlichen Verhandlung
eingeschränkt hat, andererseits das Erstgericht auf Seite 13 seiner
Urteilsausfertigung ausführt, dass der Kläger den Schaden nicht möglichst gering
gehalten und dadurch gegen die Schadenminderungsobliegenheit des
§ 1304 ABGB
verstoßen habe, dass er als Kostenersatz für die außergerichtliche Intervention
EUR 352,68 in Rechnung gestellt und damit mehr als die notwendigen Kosten
begehrt habe, vielmehr einen unverhältnismäßig hohen Kostenersatz für seine
außergerichtliche Intervention in Rechnung gestellt habe, weshalb ihn ein
Mitverschulden von einem Drittel treffe, wenn auch die Beklagte nicht
ausdrücklich das Mitverschulden eingewendet habe.
Nach Ansicht des Berufungsgerichtes handelt es sich beim E-Mail der Beklagten an den Kläger vom 10.10.2002, Beilage ./A, um kein Werbe E-Mail. Vielmehr wird mit dem genannten E-Mail der Kläger zu einem Abendessen eingeladen, um seine "Bedürfnisse und Anforderungen als Masseverwalter und Sachwalter" in das Projekt "konkurs.ag" einfließen zu lassen. Der Kläger ist Rechtsanwalt und betreibt eine Internetseite, auf der eine elektronische Visitkarte inklusive seiner E-Mail Adresse ersichtlich ist. Diese E-Mail Adresse hat der Kläger auch der Rechtsanwaltskammer bekannt gegeben. Vor Übermittlung des gegenständlichen E-Mails vom 10.10.2002 hat die Beklagte der für die Öffentlichkeitsarbeit beim Österreichischen Rechtsanwaltskammertag zuständigen Mitarbeiterin das von der Beklagten geplante Projekt einer Internetplattform für Konkurswaren vorgestellt, woraufhin die Beklagte vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag eine Liste von Masseverwaltern erhalten hat und bezüglich der Adressen dieser Masseverwalter auf die Homepage der Rechtsanwaltskammer verwiesen wurde. Überdies wurde der Beklagten angeraten, jene Rechtsanwälte per E-Mail zu kontaktieren, die als Masseverwalter tätig sind. Mit dem gegenständlichen E-Mail vom 10.10.2002 hat die Beklagte ihr Projekt einer Internetplattform für Konkurswaren, welches sich noch im Planungsstadium befunden hat, auch an den Kläger in seiner Funktion als Masseverwalter und Sachwalter herangetragen, dies verbunden mit dem an den Kläger gerichteten Ersuchen, seine Bedürfnisse und Anforderungen als Masseverwalter und Sachwalter in das Projekt "konkurs.ag" einfließen zu lassen, weshalb er zur Präsentation mit anschließendem Abendessen eingeladen werde. Eingangs dieses E-Mails wird erläutert, dass dieser erste Informationsabend der Internetplattform für Konkurswaren für erste Gespräche zwischen Masseverwaltern, Mitgliedern der Rechtsanwaltskammer und den Spezialisten der Beklagten bezüglich der Mitgestaltung ihres neuen Projektes dienen soll (über die erstgerichtlichen Feststellungen hinausgehender, nach dem beiderseitigen Vorbringen gem. 266 ZPO völlig unstrittiger weiterer Inhalt des Mail vom 10.10.2002, Beilage JA).
Darin kann keine Werbung im Sinne des § 101 TKG liegen.
Es kann daher im gegenständlichen Fall dahingestellt bleiben, ob die für unerwünschte Telefax-Werbung und unerbetene Telefon-Anrufe (Telefonwerbung) sowie terrorisierende Telefon-Anrufe geltenden Grundsätze überhaupt auf Werbung mittels E-Mails übertragen werden können, was der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf deutsche Lehre in Frage stellt (OGH 16.9.1999, 6 Ob 170/99i), oder ob die im Zusammenhang mit unerbetenen telefonischen Anrufen zu Werbezwecken oder anonymen, terrorisierenden Anrufen maßgeblichen Überlegungen der Rechtsprechung nicht nur auf den ungewollten Zugang eines einzelnen Schreibens eines anonymen Verfassers nicht übertragbar sind, sondern auch auf Werbung mittels E-Mails. Schließlich wird die Rechtssphäre und das Persönlichkeitsrecht des Empfängers bloß durch den Zugang eines Schreibens bzw. E-Mails und den Umstand, dass er dieses erst nach Öffnen des Kuverts als anonym bzw. werbend erkennen kann, noch nicht beeinträchtigt. Der Umstand allein, dass er die Zusendung nicht gewünscht hat und mit dem Verfasser davor in keinem geschäftlichen oder brieflichen Kontakt stand, vermag für sich allein eine Rechtsverletzung nicht zu begründen (OGH aa0).
Im gegenständlichen Fall kann daher auch ein Eingehen auf die von der Beklagten vermutete mutmaßliche Einwilligung des Klägers ebenso unterbleiben wie eine Befassung mit den weiteren Argumenten der Beklagten in ihrer erfolgreichen Berufung.
Auch das für den Fall der Abweisung des letztlich eingeschränkten Zahlungsbegehrens eventualiter erhobene Unterlassungsbegehren erweist sich schon mangels Vorliegen eines allenfalls unzulässigen Werbe-E-Mails als unberechtigt. Überdies mangelt es dem Unterlassungsbegehren an der Wiederholungsgefahr. Die vom Kläger der Beklagten außergerichtlich übermittelte Unterlassungserklärung war jedenfalls zu weitgehend formuliert, sollte sich damit die Beklagte doch zur Unterlassung der Sendung von elektronischer Post "jeder Art, insbesondere aber Massensendungen oder zu Werbezwecken, ohne die vorherige jederzeit widerrufliche Zustimmung" des Klägers verpflichten. In der mündlichen Verhandlung am 28.1.2003 (ON 8/2) hat der Kläger nach detaillierten Einwendungen der Beklagten ein wesentlich enger formuliertes Eventualbegehren auf Unterlassung erhoben, wonach die Beklagte schuldig sei, es gegenüber dem Kläger zu unterlassen, ihm ohne dessen vorherige, jederzeit widerrufbare Zustimmung elektronische Post zu Werbezwecken zu schicken. Unmittelbar darauf verpflichtete sich die Beklagte, nicht nur keine Werbe E-Mails an den Kläger abzuschicken, sondern generell keine weiteren E-Mails. Die Gefahr der Wiederholung der Übermittlung eines E-Mails der Beklagten an den Kläger ist daher nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung des erstgerichtlichen Verfahrens gründet auf § 41 ZPO, jene des Berufungsverfahrens auf den §§ 50, 41 ZPO.
Landesgericht für ZRS Wien
Abt. 35, am 2. Juli 2003
Spamverbot alte Fassung § 101 TKG (bis 19.8.2003):
Unerbetene Anrufe
§ 101. Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien - zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers sind unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. Die erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; der Widerruf der Einwilligung hat auf ein Vertragsverhältnis mit dem Adressaten der Einwilligung keinen Einfluss. Die Zusendung einer elektronischen Post als Massensendung oder zu Werbezwecken bedarf der vorherigen - jederzeit widerruflichen - Zustimmung des Empfängers.